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FIFA-Skandal
"Jeder weiß, mit wem er es da zu tun hat"

Der Wirtschaftsethiker Joachim Fetzer rechnet nicht damit, dass die Sponsoren den Druck auf die FIFA erhöhen. Wer mit der FIFA Geschäfte mache, müsse eigentlich wissen, dass er hier einem Monopolisten gegenüber stehe, sagte Fetzer im DLF: "Wer sozusagen korrupte Kulturen unterstützt, ist sowohl Täter als auch Opfer."

Joachim Fetzer im Gespräch mit Gerd Breker | 28.05.2015
    Leere Stühle vor der Pressekonferenz der Fifa
    Seit Langem stehen Bestechungsvorwürfen gegen FIFA-Funktionäre im Raum. (picture alliance / dpa / Alessandro Della Bella)
    Gerd Breker: Am Telefon sind wir nun verbunden mit Joachim Fetzer, er ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Netzwerkes Wirtschaftsethik. Guten Abend, Herr Fetzer!
    Joachim Fetzer: Guten Abend, Herr Breker!
    Breker: Nehmen wir mal an, die US-Justiz kann ihre Anklage beweisen, dass die FIFA ungezügelte und systematische Korruption betreibe, kann Sepp Blatter dann FIFA-Präsident bleiben?
    Fetzer: Ob er bleiben kann, hängt von dem Wählerverhalten innerhalb der FIFA ab. Die Frage, soll er dann Präsident bleiben und hilft ein Verbleiben einer Veränderung der FIFA ... Und da fehlt mir wirklich die Fantasie, wie ein wirklicher Turnaround mit dem gleichen Führungspersonal funktionieren sollte.
    Breker: Sie haben es angesprochen, es sieht ja so aus, als ob Blatter freiwillig nicht gehen will. Er hat sich wohl auch schon die Stimmenmehrheit jenseits des europäischen Verbandes gesichert. Also, per Wahl kann er nicht zum Rücktritt gezwungen werden. Ist er denn ein glaubwürdiger Antikorruptionskämpfer?
    Fetzer: Die wohlmeinendste Auslegung, die man da in der Außenperspektive annehmen kann, das wären vielleicht so Begriffe wie naiv oder wegsehend oder duldend. Mir fehlt die Fantasie, wie ein System, wie es jetzt beschrieben wird, wie es sehr plausibel ist, wie es aufgrund der Risikoanalyse eigentlich auch sein muss, existiert haben kann, ohne dass der FIFA-Präsident das zumindest ignoriert oder als weniger wichtig angesehen hat. Das ist in meiner Perspektive die wohlmeinendste Deutung. Und es ist keine gute Voraussetzung, um an dieser Stelle einen Kulturwandel wirklich anzuführen.
    "Am Ende schadet sich ja die FIFA selbst"
    Breker: Es scheint so, Herr Fetzer, dass Korruption eigentlich nur entweder per Gesetz, also per staatlicher Regulierung, oder durch den Entzug des Geldes bekämpft werden kann. Wie sind da Ihre Erfahrungen?
    Fetzer: Natürlich sind Gesetze, wirksame Gesetze, also nicht nur Gesetze, sondern vor allem die Durchsetzung von Gesetzen auch in entsprechenden Strafverfahren ein ganz wichtiger Anreiz, um Korruptionsbekämpfung zu organisieren. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass normalerweise auch Unternehmen und Organisationen, wenn sie sich denn mal ernsthaft mit der Thematik beschäftigen - das sind ja häufig nicht gern thematisierte Thematiken -, gute Gründe haben, auch selber präventiv vorzugehen. Am Ende schadet sich ja die FIFA eigentlich selber. Und auch bei vielen Unternehmen ist es so, dass man sagen muss: Wer sozusagen korrupte Kulturen unterstützt, ist sowohl Täter als auch Opfer.
    Und wenn man dann erst mal den Mut hat, hinzuschauen, gibt es auch genügend Eigeninteresse. Und auf internationaler Ebene ist natürlich die Gefahr der Jurisdiktion, welche staatlichen Organe haben überhaupt Durchgriffsrechte, da hat Amerika natürlich eine eigene Politik. Aber die FIFA ist natürlich auch eine übernationale Organisation und muss ein Stück auch selber schauen, ihre eigenen Strukturen zu verändern. Und das ist natürlich noch ein langer Weg.
    "Jeder, der ein bisschen geschult ist, weiß, mit wem er es da zu tun hat"
    Breker: Einige Sponsoren haben sich jetzt im Zusammenhang mit der jetzt öffentlich gewordenen Affäre und den Ermittlungen der US-Amerikaner besorgt geäußert. Sie wollen ihr Sponsoring überdenken. Ist das ein ausreichender Druck, der von dieser Seite kommt?
    Fetzer: Er könnte stärker sein, klar. Andererseits wäre es ja auch erstaunlich, wenn jetzt lauter, ich sage mal, Unwissende vollkommen überrascht morgens aufwachen oder beziehungsweise abends die Nachrichten sehen und sagen, ach, auf so eine Idee wären wir ja gar nie gekommen!
    Also, wer mit der FIFA Geschäfte macht, muss doch eigentlich wissen, dass er hier einen Akteur gegenüber hat, der faktisch eine Monopolstellung in einem international, emotional relevanten Sektor darstellt, der eine hohe Macht hat, der einer geringen Regulierung unterliegt. Und es wäre ja geradezu erstaunlich, wenn das sozusagen ohne Bestechungsvorgänge vonstattengehen würde. Insofern, jeder, der ein bisschen geschult ist, weiß, mit wem er es da zu tun hat. Insofern wurde diese Frage ja von den Sponsoren in irgendeiner Weise beantwortet und wird es auch künftig werden.
    Breker: Zumal die Affäre jetzt öffentlich geworden ist, kann man sie ja nicht mehr ignorieren, auch als Sponsor nicht ignorieren. Und so manch ein Unternehmen, das die FIFA sponsert, hat natürlich sich selber einen Verhaltenskodex auferlegt. Wie zwingend ist der denn für die Sponsoren?
    Fetzer: Das ist natürlich ein klassisches Dilemma, dass man da natürlich am wunden Punkt getroffen ist, weil man nach innen nicht Integrität predigen kann und gleichzeitig das Umfeld, in dem man unterwegs ist: Das hat natürlich immer Auswirkungen. Insofern ist das eine Dilemmasituation. Und da, bin ich mir relativ sicher, wird jeder einzelne Sponsor aktuell die eine oder andere Krisensitzung zur Vorgehensweise haben.
    Fußball: ein "fast alternativloses Grundnahrungsmittel"
    Breker: Herr Fetzer, die Sponsoren sind das eine, die Fernsehübertragungsrechte das andere, und zwar das dominierende, milliardenschwere Pfund, mit dem die FIFA wuchern kann. Das Problem ist nur, Sie haben es angedeutet: Die FIFA hat ein Monopol, die Fußballweltmeisterschaft, die wollen die Menschen sehen!
    Fetzer: Also, es gibt ja manchmal Situationen, wenn Sie an den alten Fall der Brent Spar zurückdenken, wo dann plötzlich Shell boykottiert wurde oder so, ist immer auch die Frage, kann man Konsumentenboykotts organisieren ... So was wird an dieser Stelle relativ schwierig, weil natürlich Fußball sehen eigentlich fast alternativloses Grundnahrungsmittel ist. Die Sache, schaut euch mal nicht Fußball-WM an, sondern hört Deutschlandfunk, wird nur einen bestimmten Teil der Fußballfans erreichen. Insofern ist da, glaube ich, die Aktionskraft von der Konsumentenseite nicht besonders schlafkräftig.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.