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FIFA
Wenn Funktionäre sich der US-Politik stellen müssen

Wenn sich der amerikanische Kongress mit Missständen im Sport beschäftigt, steigt der internationale Druck. Die Funktionäre machen sich rar. Aber nach einem Hearing zur Korruption in der FIFA treten erstmals einflussreiche Sponsoren auf den Plan.

Von Jürgen Kalwa | 18.07.2015
    Ein Mann geht an am Eingang der Fifa-Zentrale in Zürich vorbei
    Ein Mann geht an am Eingang der Fifa-Zentrale in Zürich vorbei (dpa/picture-alliance/ Ennio Leannza)
    "This hearing of the subcommittee is now called to order..."
    Jedes Mal, wenn sich der amerikanische Kongress mit den brennenden Fragen im Sport beschäftigt, haben selbstherrliche Funktionäre ein Problem. In den Sitzungssälen des Kapitols in Washington geraten sie rasch in die Rolle von Angeklagten. Und sie wirken inkompetent, weil sie für alles und jedes Ausreden finden. Etwas wofür Amerikas Spitzenpolitiker, die meisten ausgebildete Juristen, keinen Nerv haben. Egal ob es um Doping oder Korruption geht. Das zeigte sich einmal mehr am Mittwoch im Unterausschuss des Senats für Verbraucherschutz, der auch für Sport zuständig ist.
    "Sometimes inaction and silence signal complicity. There will be a point where, in a fact, US Soccer is complicit in the ongoing lack of reform or action, you may not have direct control over it. But I respectfully suggest..."
    Suche nach den Drahtziehern
    "Manchmal, wenn man nichts tut und schweigt, wirkt man wie ein Komplize", sagte der stellvertretende Vorsitzende Richard Blumenthal. Seine Warnung galt speziell dem langjährigen Generalsekretär des amerikanischen Fußballverbandes, Daniel Flynn, der am Mittwoch gebetsmühlenhaft mit Ausflüchten und nebligen Erklärungen die Rolle des klassischen Fußballfunktionärs gegeben hatte. Selbst simple Fragen vermochte er nicht klar und deutlich zu beantworten. Wie zum Beispiel diese: Weshalb hatte US Soccer ausgerechnet ihn gesandt? Wo war eigentlich der wichtigste Mann, Präsident Sunil Gulati?
    "I want to ask you as a matter of fact, why Mr. Gulati declined the invitation to be here today."
    Zumindest soviel ließ Flynn durchblicken: Ein Rechtsanwalt habe Gulati davon abgeraten. Was nur heißen kann, dass der amerikanische Verbandspräsident, seit zwei Jahren auch Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee, einiges zu verbergen hat. Auch wenn sein Name in der umfangreichen Anklageschrift der Bundesstaatsanwaltschaft in Brooklyn nicht auftaucht. Er dürfte viele pikante Details kennen. Als jahrelanger enger Freund von Chuck Blazer etwa, dem geständigen Millionenbetrüger, der als Generalsekretär die Kassen der Regionalföderation CONCACAF ausplünderte. Gulati saß obendrein lange im Vorstand jener CONCACAF, wo er den korrupten Präsidenten Jack Warner gewähren ließ.
    Ohne Gulati, im Hauptberuf Professor für Wirtschaftswissenschaften, fehlte der Ausschusssitzung das Zeug zu einer wirklichen Offenbarung. Aber sie erfüllte zumindest eine wichtige Funktion als Teil des politischen Theaters. Die Abgeordneten gaben auf diese Weise der Bundesstaatsanwaltschaft Rückendeckung, die mit ihren Anklagen, Verhaftungen, Auslieferungsbegehren und Geständnissen internationalen Wirbel verursacht hatte.
    Vergleich beleidigt die Mafia
    "What has been revealed so far is a mafia style crime syndicate in charge of the sport. My only hesitation in using that term is that it is almost insulting to the mafia, because the mafia would never have been so blatant, overt and arrogant in its corruption."
    Die Sportart Fußball werde von einem "mafiartigen Verbrechersyndidat" organisiert, sagte Blumenthal. Er zögere nur deshalb, diesen Begriff zu verwenden, weil man "damit fast die Mafia beleidigt". Die wäre nie so unverfroren, unverhohlen und arrogant in Sachen Korruption vorgegangen.
    Es war dies eine massive Breitseite gegen den Mann, der es - so wie Gulati - vorgezogen hatte, sich den Fragen der Politiker gar nicht erst zu stellen. Sepp Blatter, der immer noch amtierende FIFA-Präsident, scheint zu befürchten, dass er bei einer Reise in die USA von der Staatsanwaltschaft festgesetzt und vernommen werden könnte. Also blieb er zuhause.
    Eine Gruppe, die sich mehr und mehr für den weiteren Fortgang der Ereignisse interessiert, fehlte übrigens ebenfalls am Mittwoch: die Repräsentanten großer amerikanischer Unternehmen, die Milliarden in den Profisport pumpen und bislang genauso gerne geschwiegen haben wie die Funktionäre.
    Blumenthal, ein bisschen so etwas wie der Scharfmacher im Ausschuss, erwähnte sie allerdings in seinem Appell für Reformen in der FIFA. Und so wunderte es nicht, dass am Freitag bekannt wurde, dass einige von ihnen – im Windschatten der Politik – endlich aus der Deckung kommen. So verlangt der amerikanische Getränkehersteller Coca-Cola nun, dass eine außenstehende, unabhängige Kommission eingesetzt wird, um die FIFA zu reformieren. Es klingt alles noch ein bisschen pathetisch, wie in der Erklärung der Hamburger-Firma McDonald's. Die Welt, so sagte man, "erwartet konkrete Handlungen".
    Was das bedeuten könnte, wird man eventuell schon am Montag im Zürich sehen.