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FIFA-WM 2018
Wie die russische Wirtschaft vom Sport profitiert

Neue Stadien, Flughäfen, Hotels, Krankenhäuser, Infrastruktur: Die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland ist die teuerste aller Zeiten. Offiziellen Angaben zufolge soll sie 11,7 Milliarden Euro gekostet haben. Rund 200.000 neue Jobs sind entstanden. Doch der wirtschaftliche Aufschwung hat auch seine Schattenseiten.

Von Thielko Grieß | 14.06.2018
    Blick auf eine WM-Stadionbaustelle in Russland
    Medienberichten zufolge sollen Arbeiter, die auf den WM-Baustellen in Russland tätig waren, zum Teil keinen oder nur einen Teil ihres Lohns erhalten haben (dpa/picture alliance/ Marcus Brandt)
    Vieles ist neu entstanden in Russland in Vorbereitung auf diese WM. Die Verantwortlichen, hier Arkadij Dworkowitsch vom Organisationskomitee "Russland 2018", berichten stolz:
    "Wir haben neue Flughäfen, Wege und Stadien und Dutzende Sportplätze für Millionen unserer Bürgerinnen und Bürger gebaut, in mehr als zehn Regionen Russlands – in denen wir auch zusätzliche Quartiere für Mannschaften, deren Unterbringung und Training gebaut haben. Und es wurden Hotels gebaut und neue Krankenhäuser."
    Ein Teil der Ausgaben sei von privaten Investoren geleistet worden. Dazu zähle zum Beispiel das Stadion von Sankt Petersburg, dessen Baukosten in Medienberichten auf umgerechnet rund 1,3 Milliarden Euro beziffert werden. Die Arena ist der teuerste Neubau, der sich über Jahre zog, und bei dem auch nordkoreanische Arbeiter unter sehr schlechten Bedingungen gearbeitet haben.
    Dieses Stadion und andere Beispiele privater Investments fließen nicht in die Rechnung ein, die von der Wirtschaftsprüfungsagentur McKinsey stammt. Aus ihr zitiert Alexej Sorokin, Generaldirektor des Organisationskomitees "Russland 2018":
    "Das Bruttoinlandsprodukt, das während der Vorbereitung auf die Fußballweltmeisterschaft von 2013 bis 2018 geschaffen worden ist, beträgt 867 Milliarden Rubel, etwa ein Prozent des jährlichen BIP in Russland. In dieser Zeit sind bis zu 220.000 Arbeitsplätze geschaffen worden, eine beeindruckende Zahl."
    Nicht alle sind Gewinner
    Es gibt nach Medienrecherchen aber auch Arbeiter auf WM-Baustellen, die ihre Löhne nicht oder nur teilweise erhalten haben. Die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland ist die teuerste aller Zeiten. Schon die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi hatten in ihrer Disziplin einen solchen Rekord aufgestellt.
    Die Schwarzmeerstadt profitiert indes seither von den Investitionen: Die Touristenzahlen sind gestiegen, die Auslastung vieler Sportstätten mit Großveranstaltungen hat bisher recht gut geklappt.
    Deshalb waren in Sotschi nun für den Fußball nur geringe Investitionen notwendig; von Sportstätten abgesehen war auch in den Metropolen Moskau und Sankt Petersburg schon Vieles vorhanden.
    Kleinere WM-Spielstätten hoffen auf langfristige Profite
    Anders dagegen die Situation in kleineren WM-Städten: Zum Beispiel sind in Kaliningrad oder Saransk neue Stadtteile in unmittelbarer Nachbarschaft der Stadien gebaut worden. Auf ihnen ruhen auch große Hoffnungen, wie das Stadion in Zukunft erhalten und die Gegend mit Leben erfüllt werden kann, zumal die örtlichen Sportvereine nicht sonderlich erfolgreich sind.
    Für den Fall Saransk erklärt der dortige, für die Vorbereitung auf die WM zuständige Minister der Regierung der Teilrepublik Mordowien, Alexej Merkuschkin:
    "Wir haben im Stadion tausende Quadratmeter kommerzielle Flächen. Sie werden als Gewerberäume genutzt, Geschäfte, Restaurants, Sportzentren, Kinos, Bowling und so weiter."
    Minister Merkuschkin soll Medienberichten zufolge das Direktorium des Stadions übernehmen.
    Die Oligarchen verdienen mit
    Unbestritten ist, dass eine Reihe von Oligarchen aus dem Umfeld von Wladimir Putin an der WM bereits jetzt gut verdient hat, sagt Ilja Schumanow, stellvertretender Leiter von Transparency International in Russland:
    "Wir sprechen von Unternehmen von Oleg Deripaska, Timtschenko, die Agalarows, die Profiteure der WM wurden: Sie haben Aufträge für Großbauten ohne Ausschreibung bekommen."
    Viele Verträge seien nicht öffentlich, heißt es bei Transparency. Ein Aufschlag von zehn Prozent sei bei diesen Verträgen als Mindestsumme anzunehmen. Das bedeutet: Die offiziell genannte Gesamtsumme von umgerechnet rund 11,7 Milliarden Euro stimmt wohl nicht. Die wahren Kosten dürften weit höher liegen – im Fall der Olympischen Winterspiele von Sotschi sind sie bis heute nicht gänzlich ermittelt worden.