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Film der Woche
Erde, Mars und Liebe

Science Fiction trifft auf Romantik: In dem Film "Den Sternen so nah" hat die Menschheit begonnen, andere Planeten zu kolonialisieren, unter anderem den Mars. Beim Surfen im Internet trifft ein junger Marsianer ein Mädchen aus Colorado und verliebt sich in sie. Die beiden, die sich nur vom Bildschirm kennen, haben nur ein Ziel: Sie wollen sich treffen.

Von Hartwig Tegeler | 08.02.2017
    Gardner (Asa Butterfield, links) und Tulsa (Britt Robertson) stehen sich gegenüber und schauen sich an, im Hintergrund sieht man Sternenhimmel und Sonnenuntergang
    Der junge Marsianer Gardner (Asa Butterfield, links) hat sich beim Chatten in Tulsa (Britt Robertson) aus Colorado verliebt und will sie besuchen. (TOBIS Film GmbH)
    "Sag mir, woher du wirklich bist? - Vom Mars."
    Dies ist eine Liebesgeschichte. Die zwischen einem Außerirdischen und einem Mädchen. Boy meets girl, nicht mehr, aber auch kein bisschen weniger. Ganz klassisch. Verträumt, romantisch, schön. Mit einem gravierenden Haken: Der junge Mann ist ein Außerirdischer, einer von einem anderen Planeten. Und obwohl Mensch fühlt er sich auch so: "Wie soll ich mich auf der Erde verhalten? Den Menschen gegenüber?"
    Gardner ist ein Marsianer. Tatsächlich. Einer, der auf dem Mars geboren ist, als Sohn einer Astronautin, die bei seiner Geburt starb. Aufgewachsen unter Wissenschaftlern, clever, unfähig zu lügen und sehr, sehr einsam. Jetzt, 16 Jahre später, sehnt sich Gardner nach seinem Vater, den er nie kennengelernt hat, er sehnt sich nach der Erde, die er ebenfalls nicht kennt, und nach Tulsa, die er in einem Chat getroffen hat.
    Suche nach dem Leben, der Liebe - und eben allem
    Denn auch die Millionen Kilometer Entfernung vom Mars sind für einen klugen Kopf wie ihn kein Grund, sich nicht Datenvolumen abzuzweigen für das tägliche Online-Gespräch mit Tulsa, die in Colorado bei einem versoffenen Pflegevater lebt.
    "Hi, Tulsa! - Hhhhhhhähhh. Mach das auch mal. - Warum? - Geteiltes Leid ist halbes Leid. - Warum leidest du? - Diese Vollidioten an der Schule. Die sind alle total oberflächlich. Keiner ist echt. Verstehst du."
    Trotz enormer medizinischer und wissenschaftlicher Bedenken - "sein Herz hält unsere Atmosphäre nicht aus. Unsere Schwerkraft" - kann Gardner dann doch auf die Erde reisen - "sie wollen den Jungen nach Hause bringen."
    Um in einer Quarantäne-Station zu landen. Staksendes Schrittes - sein Körper ist nicht an die Schwerkraft gewöhnt - flieht der Junge, und dann wird aus dem Science-Fiction-Film ein Roadmovie: Gardner und Tulsa, in die der Junge sich Hals über Kopf verliebt - was Wunder -, im Südwesten der USA, auf der Suche nach seinem Vater und dem Leben, der Liebe und allem eben. Ein Alien, einer, dem alles fremd ist.
    "Geh doch mal langsamer. Die Schwerkraft ist sehr schwer."
    Einer, der aus dem Staunen nicht mehr herauskommt, und der jedem die alles entscheidende Frage stellt: "Was ist das, was Sie auf der Erde am schönsten finden?"
    Warum diese Frage? Das wird deutlich in Gardners Antwort auf die Gegenfrage:
    "Was ist das, was du auf dem Mars am liebsten tust? - So zu tun, als wäre es die Erde."
    Der Film beruht zu weiten Teilen auf dem Ausdruck des Hauptdarstellers
    "Den Sternen so nah" ist ein Film, der ganz auf dem Ausdruck von Asa Butterfield, dem heute 20-jährigen Darsteller von Gardener ruht. 2001, er war 14, spielte der britische Schauspieler in Martin Scorseses Film "Hugo Cabret". Peter Chelsom hat vollkommen Recht, wenn er über seinen Hauptdarsteller sagt, er wirke "wie aus einer anderen Welt" und wie einer, der "sich den Glauben an Wunder bewahrt" hat.
    Ausgestattet also mit Naivität und der pragmatischen Energie, dass alles möglich ist, strahlen Gardners blaue Augen Britt Robertson alias Tulsa an, die in ihrer Enttäuschung über die Menschen und ihrer Verlogenheit ein rotzig-melancholischer Gegenpart zu Gardener ist. Wie sagt man so schön: Die Chemie zwischen den beiden funktioniert in Peter Chelsoms Film auf wunderbare Weise.
    "Hey, hast du ein Problem? Oder was? Du guckst mich nämlich seit vier Stunden ununterbrochen an und langsam fängt es an, mir auf den Keks zu gehen." "Du bist so schön!" "Und dann spuckst du so einen Satz einfach so aus?!"
    Überzeugende Coming-out-of-Age-Geschichte
    "Den Sternen so nah" erzählt diese Coming-out-of-Age-Geschichte romantisch, verträumt und vollkommen überzeugend, weil Filmemacher Peter Chelsom das Gefühl seiner beiden jugendlichen Figuren Gardener und Tulsa ernst nimmt, sich "wie von einem anderen Planeten", wie Außenseiter in der merkwürdigen Welt der Erwachsenen zu fühlen.
    Und Gardners und Tulsas Bedürfnis nach wirklichen Gefühlen, jenseits von Lüge und Berechnung, ihre zutiefst menschliche Sehnsucht ist, mit Verlaub, nicht allein auf das Alter zwischen 16 und 18 beschränkt. Wäre zumindest wünschenswert.
    "Ich habe mein ganzes Leben lang nie etwas gespürt."
    Und Gardeners Ängste sind wohl nicht nur auf einen jungen Marsianer beschränkt, den es auf die Erde zieht:
    "Ich hatte solche Angst, nicht zu wissen, wie man ein Mensch ist."