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Film "Die Erfindung der Wahrheit"
Im Getriebe der Politmaschine

In John Maddens neuem Film "Die Erfindung der Wahrheit" spielt Jessica Chastain eisig, kalt und unberechenbar eine hochprofessionelle Lobbyistin, die vielleicht doch für das Gute kämpft.

Von Hartwig Tegeler | 04.07.2017
    Jessica Chastain als Elizabeth Sloane im Film "Die Erfindung der Wahrheit"
    Jessica Chastain als Elizabeth Sloane im Film "Die Erfindung der Wahrheit" (imago stock&people/ZUMBA Press)
    Sie ist die Beste aller besten und die Schönste: Elizabeth Sloane. Perfekt sitzendes rotes Haar, knallroter Lippenstift, Business-Kostüm. Perfekt, auch, wenn sie immer wieder Pillen schlucken muss, um den Job zu machen. Körperliche Bedürfnisse wie der Sex werden mit einem Callboy erledigt. Diese Super-Lobbyistin funktioniert bestens für ihre Jobs und ihre Auftraggeber. Was wir noch von ihr erfahren? Nichts! Sie ist einfach mit allen Tricks und aller Skrupellosigkeit ausgestattet …
    "Ich weiß, was ich tue."
    … ihrer selbst ganz, ganz sicher.
    "Lobby-Arbeit bedeutet Voraussicht. Die nächsten Schritte deines Widersachers voraus zu ahnen und Gegenstrategien zu entwickeln."
    Vom Jagen und Erlegen
    Im Selbstbild von "Miss Sloane", wie alle die arrogante Elizabeth in Washington und in ihrer Kanzlei nennen, erledigt sie den den archaischen Job von Jagen und Erlegen.
    "[Schreit:] Wie in aller Welt hat sie das hingekriegt?"
    Der Gegenpartei immer einen Schritt voraus zu sein - hat der Sieger.
    "Und spielt seine Trumpfkarte, nachdem sie ihre gespielt hat. Es bedeutet, sie zu überraschen. Und sich nicht überraschen zu lassen."
    Die perfekte Strategin soll zu Beginn von John Maddens Thriller "Die Erfindung der Wahrheit" im Auftrag der National Rifle Association ein neues Waffengesetz verhindern. Die Beste für den härtesten Job. Doch sie düpiert ihre Auftraggeber.
    Kalt und unberechenbar: Die Lobbyistin Elizabeth Sloane (Jessica Chastain) im Film "Die Erfindung der Wahrheit"
    Kalt und unberechenbar: Die Lobbyistin Elizabeth Sloane (Jessica Chastain) (imago/Cinema Publishers Collection/Kerry Hayes)
    "Auf weiblichen Stimmenfang zu gehen dadurch, dass Sie der Waffenlobby ein hübsches, reinweißes Rüschen-Kleid überziehen, ist so hohl. So eine Idee fängt nur einem Haufen alter Männer ein."
    Und dann - völlig unerwartet - wechselt Elizabeth Sloane auch noch die Seiten. Sie heuert bei einer kleinen Lobby-Firma an, die eben dieses verschärfte Waffengesetz durchsetzen will.
    Ein Rad in der Politmaschine
    "Die Erfindung der Wahrheit" ist ein Politthriller, in dem jeder Schritt des einen zum Vorteil oder Nachteil des anderen werden kann. Und die Rahmenhandlung, in die Regisseur John Madden seine Geschichte gesetzt hat, macht das von Anfang klar. Denn Elizabeth Sloane ist zu sehen vor einem Untersuchungsausschuss, wo es um die Frage geht, ob die Super-Lobbyistin illegale Abhörpraktiken eingesetzt hat - um ihren Gegner quasi zu erlegen.
    John Maddens Film "riecht" wie ein Doku-Stück aus dem Washingtoner Umfeld. Dabei wirkt die Lobbyistin Elizabeth Sloane weniger wie eine lebendige Figur mit biografischem Hintergrund, sondern wie ein wichtiges Rad, aber eben doch nur Rad im Getriebe der Politmaschine. Am Ende erscheint die Story mit ihren dramatischen Wendungen, Verwicklungen, Überraschungen und Auflösungen unrealistisch, sprich: wie am grünen Drehbuch-Tisch erfunden. Hollywood-Erzählmaschine. Aber quasi durchlöchert. Denn "Die Erfindung der Wahrheit" hinterlässt das Gefühl, mehr als zwei Stunden lang in einem Kühlschrank verbracht zu haben. Die Räume, Büros, Gebäude, das gesamte Ambiente und die Menschen wirken kalt in ihrer Washingtoner grau-blau-eisigen Eleganz. Wie Maschinen, ja, wie Algorithmen.
    Die perfekte Besetzung für Miss Sloane
    Jessica Chastain ist dabei die perfekte Besetzung für Miss Sloane, denn diese Schauspielerin wirkt immer extrem kühl. Insofern gibt es eine Linie von der CIA-Agentin im Osama-bin-Laden-Thriller "Zero Dark Thirty", die Jessica Chastain spielt, bis hin zur Lobbyistin in "Die Erfindung der Wahrheit". Gnadenlose Profis. Der Eindruck des Unsympathischen will auch nicht schwinden, als am Ende von John Maddens Film ein ethisches Motiv aufflackert, das die Super-Lobbyistin im Kampf fürs Gute angetrieben haben könnte. Möglicherweise! Genauso könnte auch diese Version stimmen: Elizabeth Stone hat ihren David-Kampf gegen Goliath in erster Linie unternommen, um mit einem Sieg in dieser aussichtslos erscheinenden Auseinandersetzung umso mehr die eigene Größe und Perfektion zu beweisen. Ein böses Psychogramm. John Madden zeichnet kein helles Bild unserer Welt bzw. der Machtzentralen dieser Welt mit seiner Figur und ihrem Credo:
    "Enden wir in der Sache als Gegner, vernichte ich dich wie alle anderen. Erbarmungslos."