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Die Rettung von Paris

Weil der Pariser Stadtkommandant General Dietrich von Choltitz den Befehl verweigerte, Überstand die französische Metropole den Zweiten Weltkrieg weitgehend unzerstört. In Volker Schlöndorffs Film "Diplomatie" wird aus der Entscheidung von Choltitz ein spannendes Kammerspiel-Psychodrama.

Von Rüdiger Suchsland | 28.08.2014
    Der Schauspieler Robert Stadlober (l) und Regisseur Volker Schlöndorff am 25.08.2014 bei der Premiere des Films "Diplomatie" im Cinema Paris in Berlin.
    Der Schauspieler Robert Stadlober (l) ist einer der Hauptdarsteller in Volker Schlöndorffs Film "Diplomatie". (dpa / Jens Kalaene)
    Das Frankreich unter deutscher Besatzung zwischen 1940 und 1944, und dabei unter anderem unter dem differenzierten, sensiblen, aber angreifbaren Blick des Schriftstellers Ernst Jünger scheint den Regisseur Volker Schlöndorff zuletzt besonders zu fesseln. Der Meister des Neuen Deutschen Films und erster deutscher Oscar-Sieger nach dem Krieg, der große Teile seiner Jugend und seines Studiums in Frankreich verbrachte, hat mit "Diplomatie" bereits seinen zweiten Film in Folge über diesen Abschnitt deutsch-französischer Geschichte gedreht: Nach 2011 mit "Das Meer am Morgen" über eine Geiselerschießung nach Vorlage einer von Jünger selbst erlebten Episode, geht es nun um den berüchtigten "Nero-Befehl", in dem Hitler, drei Tage nach dem missglückten Attentat vom 20. Juli 1944, die komplette Zerstörung von Paris befahl - inklusive des Louvre und aller seiner Kunstschätze. Die Deutschen hatten bereits den Eiffelturm, den Louvre, Notre-Dame und die Brücken über der Seine verminen lassen. Es sollte Schluss mit der alten Pracht und der historischen Gestalt der Metropole sein. "Verbrannte Erde" wollten die Nazis hinterlassen.
    "Es ist so weit." - "Wir werden es dem Feind schwer machen."
    Doch der bis dahin Nazi-treue Pariser Stadtkommandeur, der General der Infanterie Dietrich von Choltitz, verweigerte schließlich diesen Befehl, auch unter hohem persönlichem Risiko und übergab die französische Metropole weitgehend unzerstört den Alliierten.
    Eine heldenhafte Befehlsverweigerung und ein aufregendes Drama aus der Welt der Schreibtischtäter wie der Schreibtischwiderständler.
    Die Umstände dieser kaum bekannten großen Tat, dieses moralisch gebotenen Verrats sind in ihren Einzelheiten immer noch unklar. Schlöndorff rekonstruiert sie unter dem Titel "Diplomatie" in Form eines so furiosen wie spannenden Kammerspiel-Psychodramas, das bereits im Februar auf der Berlinale Premiere hatte. In den Hauptrollen sind der Franzose André Dussolier, Burkhardt Klaussner und Robert Stadlober zu sehen.
    Im erfolgreichen Bühnenstück von Cyril Gély, das die Vorlage des Films liefert und auf Archivrecherchen beruht, geht die Geschichte so: Am Morgengrauen des 25. August schleicht sich der schwedische Generalkonsul Raoul Nordling als neutraler Diplomat durch einen unterirdischen Geheimgang ins deutsche Hauptquartier in einem Hotel und versucht von Choltitz von dem Vorhaben abzubringen.
    So beginnt eine zähe Debatte um Moral und Politik, Ehre und Überlebensinstinkt, und um den Sinn eines Krieges jenseits der Frage, wo an-sich Gut und Böse stehen:
    "Es wäre nicht nur sinnlos, es wäre dämonisch."
    Schlöndorff inszeniert diese Geschichte eines psychologisch ausgefeilten Duells der Worte zwischen zwei völlig verschiedenen Charakteren. Während sich von Choltitz hinter dem unbedingten Gehorsam des Militärs verschanzt, setzt Nordling alles daran, die Sinnlosigkeit der Zerstörung von Paris mit einem Appell an Vernunft und Humanität zu verhindern. Nordling hat tatsächlich zwischen den auf verlorenem Posten agierenden Deutschen und der Résistance vermittelt.
    Eine Geschichte aus einer Welt, in der Männer entscheiden und Menschenleben wenig bis nichts, Monumente und Kunstwerke aber alles zählen. Dies ist eine Geschichte voller Widersprüche, und sie ist insofern fiktional, als das vieles, was der Film zeigt, genau so nie stattgefunden hat. Aber Schlöndorff hat genau recherchiert, und erfasst den "Geist" des Geschehens. Dabei halfen ihm die "Strahlungen", Ernst Jüngers berühmte Pariser Tagebücher, und viele andere Quellen, die die bizarre Atmosphäre der letzten Tage, die seltsam-faszinierenden Tage des Endes der Besatzung, des Übergangs zur Freiheit einfangen. Mit seinem nachdenklich-philosophischen, trotz bekanntem Ausgang hoch spannenden Film lässt er die beklemmend-faszinierende Atmosphäre im Pariser "Hotel Meurice", einem Hauptquartier der Deutschen wieder auferstehen.