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Film "Tulpenfieber"
Die Mutter aller Spekulationsblasen

Der aktuelle Film "Tulpenfieber" spielt Anfang des 17. Jahrhunderts und thematisiert die erste gut dokumentierte Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte. Diese zeigt, dass nicht der Spekulationsgegenstand ausschlaggebend für eine Blase ist, sondern die Höhe der Kredite.

Von Michael Braun | 24.08.2017
    Tulpenblüte in Holland
    Die Spekulation mit der Tulpe führte im 17. Jahrhundert zu einer der ersten Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte (picture alliance / dpa / Chad Ehlers)
    Es geht heilig, kirchlich, klösterlich zu, wie meist, wenn sich Mann und Frau das Ja-Wort geben. Im Film ist es das Ja-Wort zwischen einem alten reichen Händler und einer jungen Frau. Der Händler sei schnell reich geworden, sagt die Filmerzählerin, und zwar durch Tulpen: "Im Jahre 1634 war Amsterdam im Bann einer Blume: der Tulpe. Arm und Reich spekulierten darauf, dass ihre Tulpen eine Sensation wären."
    Tulpen waren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in die Niederlande gekommen, avancierten zum Blickfang in den Gärten des reichen Bildungsbürgertums. Von den 1630er Jahren an trieb der kommerzielle Handel mit Tulpenzwiebeln die Preise so, dass man ein hübsches Amsterdamer Grachtenhaus zum Preis einer Zwiebel kaufen konnte, auch wenn es eine "Semper Augustus" sein musste.
    Die Tulpenmanie schien auch die Rettung für einen jungen Porträtmaler. Der und die junge Frau des reichen Händlers hatten eine leidenschaftliche Affäre - und mit Hilfe der Tulpe sollte mehr draus werden: "Der Tulpenhandel - das ist die Lösung für meine Probleme. Wenn ich reich wäre, könnten wir beide weggehen." - "Er würde uns finden. Er gäbe nicht auf. Es sei denn, ich wär‘ tot."
    Wie es ausging, zeigt "Tulpenfieber". Krisen haben Konjunktur im Kino. Auch in Filmen wird die Krise aufgearbeitet, die mit der Pleite der Lehman-Bank im Herbst 2008 die Finanzwelt erschütterte. Oliver Stones Filme "Wall Street. Geld schläft nicht" rührten zunächst und entsetzten dann das Publikum, das Einblick in die Köpfe von Investmentbankern bekam. "Der große Crash" (2011) und "The Big Short" (2015) setzten noch eins drauf. Jetzt also "Tulpenfieber". Die Geschichte spielt Anfang des 17. Jahrhunderts und beschreibt, natürlich in die Liebesgeschichte verpackt, die erste Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte.
    Bei einer Krise sind auch Banken existenzgefährdet
    Darüber gibt es viel historisches Material. Das hat die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel mit einem Team junger Forscher angezogen. Insgesamt 23 Krisen der vergangenen rund 400 Jahre haben sie sich näher angeschaut. Es ging neben Tulpen um Eisenbahnen, Gewürze, Rüstungsgüter, Internetaktien und natürlich um Immobilien: "Wir haben festgestellt, dass es weniger um den Vermögensgegenstand geht, der also der Krise zugrunde liegt, der Blase zugrunde liegt."
    Ob also früher Tulpen oder Zucker und heute Aktien oder Immobilien - der Spekulationsgegenstand ist nicht wichtig. Es kommt vor allem darauf an, wie viel gepumptes Geld in der Blase steckt: "Das heißt: Wenn eine Blase kreditfinanziert ist und dann vor allem auch Banken in diese Finanzierung eingebunden sind, kommt es sehr häufig zu sehr schweren Krisen." Denn sollte dann die Blase platzen, wäre nicht nur der Tulpen- oder der Zucker- oder der Markt für Internetaktien kaputt, sondern auch die Existenz der Banken bedroht.
    In der letzten, vor zehn Jahren ausgebrochenen Finanzkrise, war das so: Staaten, auch der deutsche, haben mit hohen Milliardenbeträgen Banken gerettet, damit diese, selbst klamm, nicht Kredite von Unternehmen einforderten. Diese hätten die Firmen so in die Enge oder gar die Pleite getrieben, dass Massenarbeitslosigkeit die Folge gewesen wäre.
    Film kann Immobilieninteressenten anregen
    Ist jetzt alles gut? Die Vizepräsidentin der Bundesbank, Claudia Buch, zeigte sich zuletzt vorsichtig: "Es sind natürlich auch im Moment alle Bewertungen recht hoch: die Preise für unterschiedliche Wertanlagen, Finanzanlagen. Immobilien gucken wir uns natürlich besonders genau an. Und das heißt: Wir alle miteinander können möglicherweise die Risiken für zukünftige Entwicklungen etwas unterschätzen. Und das kann durchaus ein Problem sein für die Stabilität, wenn wir uns alle sozusagen in Sicherheit wiegen."
    Das sollen wir wohl nicht. Das "Tulpenfieber" kann zumindest Immobilieninteressenten anregen. Ist der billige Kredit wirklich Argument genug, die angebotene teure Immobilie zu erwerben? Bejahen das viele, ist die nächste Krise nicht fern.