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Filmgeschichte
25 Jahre "Harry und Sally"

Die Szene, in der Meg Ryan in einem voll besetzten Restaurant in Manhattan vor Billy Crystal einen Orgasmus vortäuscht, zählt zu den berühmtesten Szenen der Filmgeschichte. Sie stammt aus "Harry und Sally". Rob Reiners Film war der Überraschungserfolg des Jahres 1989 und löste eine regelrechte Schwemme romantischer Komödien in Hollywood aus.

Von Jörg Albrecht | 21.07.2014
    Harry Burns (Billy Crystal) sitzt im Filmklassiker "Harry und Sally" von 1989 Sally Albright (Meg Ryan) im Restaurant gegenüber.
    Szene aus der romantischen Komödie "Harry und Sally" (dpa)
    "Männer und Frauen können nie Freunde sein. Der Sex kommt ihnen immer wieder dazwischen."
    Kein Film hat 1989 für mehr Gesprächsstoff gesorgt als "Harry und Sally". Über Harrys These, dass Männer und Frauen keine Freunde sein können, ist monatelang lebhaft in Wohnzimmern, Kneipen und Frisörsalons sowie in allen möglichen Magazinen diskutiert worden. Soziologen, Psychologen, ja selbst Biologen haben sich in die Diskussion eingeschaltet, haben über platonische Beziehungen und das Wesen von Frau und Mann fabuliert – am Beispiel von Harry Burns und Sally Albright.
    "Wie willst du das wissen? – Weil kein Mann nur mit einer Frau befreundet sein kann, die er attraktiv findet. Er wird immer mit ihr schlafen wollen."
    Nach ihrer ersten Begegnung – die beiden haben gerade ihren College-Abschluss bestanden – wird es noch viele Jahre und diverse Anläufe dauern, bis Harry und Sally erst zu Freunden werden, später dann im Bett landen und am Ende ein glückliches Ehepaar sind. Regisseur Rob Reiner und die 2012 verstorbene Drehbuchautorin Nora Ephron erinnern sich an die Anfänge des Projekts Mitte der 1980er-Jahre.
    Rob Reiner: "Ich habe damals die Idee zu einem Film gehabt, der die Szenen einer Freundschaft beschreiben sollte. Etwas Ähnliches wie Ingmar Bergmans "Szenen einer Ehe". Außerdem sollten meine Erfahrungen aus den letzten zehn Jahren als Single einfließen."
    Nora Ephron: "So war es ganz und gar nicht."
    Rob Reiner: "Wie denn dann?"
    Nora Ephron: "Du hast schon damals die Idee verfolgt, zwei Menschen zu zeigen, die zu Freunden werden, die beschließen, keinen Sex miteinander zu haben, weil das ihre Freundschaft ruinieren würde, und die es dann doch tun."
    Nora Ephron und Rob Reiner: "Und es ruiniert ihre Freundschaft."
    "Als wir uns das erste Mal begegnet sind, mochte ich dich nicht besonders. – Ich konnte dich auch nicht leiden. – Doch, doch, doch. Du warst damals nur zu blockiert. Heute bist du fraulicher."
    Mit seinen Dialogen und dem Wortwitz erinnert "Harry und Sally" an die Mainstream-Version einer Woody-Allen-Komödie. Ob der New Yorker seinem Paar allerdings auch ein Happy End vergönnt hätte, ist jedoch mehr als fraglich. Und auch Nora Ephron und Rob Reiner wollten die beiden Protagonisten zunächst nicht in die Ehe schlittern lassen.
    Durchbruch für Meg Ryan
    Nora Ephron: "Im ersten Drehbuchentwurf – sind die beiden nicht zusammen gekommen. Aber für mich – entschudlige – war das immer das wahrhaftigere Ende."
    Rob Reiner: "Für mich auch. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie sie jemals zusammenkommen sollten. Oder wie ein Mann überhaupt mit einer Frau zusammen kommen sollte. Es kam mir komisch vor. Aber ich wusste, dass ich es aus kommerzieller Sicht tun musste, obwohl es sich falsch angefühlt hat."
    Vor allem Meg Ryan, für die "Harry und Sally" der große Durchbruch war, sollte nicht mehr das Image von America's Sweetheart abschütteln können. "Schlaflos in Seattle", "French Kiss", "E-Mail für Dich": Die Neunziger werden zum Jahrzehnt der romantischen Komödien in Hollywood und Meg Ryan wird ihr größtes Zugpferd.
    "Ich liebe dich dafür, dass dir kalt ist, wenn draußen 25 Grad sind. Ich liebe dich dafür, dass du anderthalb Stunden brauchst, um ein Sandwich zu bestellen. Ich liebe dich dafür, dass du eine Falte über der Nase kriegst, wenn du mich so ansiehst."
    25 Jahre später ist nicht nur die Falte aufgrund diverser Schönheitsoperationen Geschichte. Die Karriere ist es auch. Nicht nur Meg Ryan – auch Billy Crystal ist heute weitgehend von der Leinwand verschwunden. Genau wie die geistreiche romantische Komödie, wie es sie vor allem in den 1930er-Jahren, den Fünfzigern und – dank "Harry und Sally" – in den Neunzigern gab.
    Hoffnungen auf eine Fortsetzung – die Silberne Hochzeit jetzt wäre ein perfekter Anlass gewesen – hat Rob Reiner schon vor drei Jahren eine Absage erteilt. In einem parodistischen Kurzfilm lässt er Sally sterben und der ergraute Harry darf sich neu verlieben: in Sharon, einem von Helen Mirren gespielten Vampir.
    Die legendäre Orgasmus-Szene ist – leicht variiert – natürlich auch hier der Höhepunkt. Das Amerikanische Filminstitut hat sie längst in die Liste der denkwürdigsten Filmzitate aller Zeiten aufgenommen. Wohl nicht in erster Linie wegen Meg Ryans überzeugendem Gestöhne...
    "Alles in Ordnung? - Oh Gott! Ja, ja, ja!"
    ... sondern vor allem wegen der perfekten und in den letzten 25 Jahren zu Tode zitierten Schlusspointe der Tischnachbarin, die übrigens von Rob Reiners Mutter Estelle gespielt wurde.
    "Ich will genau das, was sie hatte."