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Filmheld ohne Fehl und Tadel

Der Albaner Arben hat seine Freundin geschwängert und muss nun, um die Schande reinzuwaschen, 10.000 Euro Brautgeld aufbringen, damit er die Liebe seines Lebens auch heiraten darf. Als illegaler Tagelöhner macht er sich auf nach Deutschland - und gerät dort auf kriminelle Abwege.

Von Rüdiger Suchsland | 24.07.2011
    Das Leben ist schön in Albanien, dem Land der Skipetaren, pittoresk - und die Gefühle sind groß und ehrlich. Auf den ersten Blick zumindest. So scheint dieser Film zu beginnen - als Idylle aus der Welt der Schafshirten. Doch bald wird alles anders, das Geld, der große Veränderungsgenerator, der Staaten schaffen und Charaktere zerstören kann, entfaltet seine Macht auch hier in Albanien, dem nach wie vor ärmsten Land Europas.

    Und 10.000 Euro sind eine ganze Menge Geld. Vor allem für einen wie Arben. Der ist nur einer von sehr vielen in diesem Land, das seit jeher dem Vergessen anheimgefallen zu sein scheint.

    Am Anfang lernt man ihn kennen, im kurzen Glück mit Etleva, der Liebe seines Lebens. Dann ist Etleva schwanger, und diese Schande muss mit einer ordentlichen Hochzeit und vor allem mit viel Geld wieder abgewaschen werden. Genau 10.000 Euro hoch ist das Brautgeld - unbezahlbar für den jungen Albaner, der sein karges Einkommen nur manchmal mit schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs jenseits der albanisch-griechischen Grenze aufbessert. Darum bricht er ohne Visum in den Westen auf, nach Deutschland, wo er glaubt, er könne sein Glück machen.

    "Arbeit ist gut. Aber für Geld"

    "Für Geld. Mein Albaner."

    Doch das scheinbar "Gelobte Land" hat seine eigenen Gesetze: Arben ist keineswegs willkommen, er reiht sich vielmehr ein ins riesige Heer der unsichtbaren Illegalen. Immer weiter stürzt er ab, wird gnadenlos ausgebeutet, und wird um den wenigen Lohn auch noch betrogen. Mit den Minijobs, die ihm gerade noch bleiben, kann er die benötigte Summe nie im Leben zusammensparen. Also lässt er sich auf gefährlichere Dinge ein. Der Zufall scheint ihm zur Hilfe zu kommen:

    "Zlatko hat mir erzählt, Du brauchst Geld. Wie viel?"

    "10.000. Für Heiraten."

    "Ich hab da vielleicht was für Euch. Ist nicht ganz ungefährlich."

    So gerät Arben auf kriminelle Abwege, ist nun als Mitglied einer Schlepperbande selbst Teil der Maschinerie, die Illegale ausbeutet. Und dazu tritt die Ungewissheit, was gerade zuhause passiert. Denn in seinem Dorf gibt es kein Telefon. Arben bleibt ein grundguter Charakter, ein echter klassischer Filmheld, wie er im Leben und in neueren Film kaum jemals vorkommt: Ohne Fehl und Tadel tut er alles nur aus Liebe und die schlechten Dinge auch nur, weil ihn die Verhältnisse dazu zwingen. Immer wieder verfällt "Der Albaner" auch in die Klischees des Einwandererdramas.

    Johannes Nabers Film reflektiert auf spannende Weise die harten Seiten der Migration. Er erzählt vom schmalen Grat zwischen Hoffnung und Risiko und wird so zu einer moralischen Erzählung über die Natur und über den Preis des Glücks. Dabei hilft ihm mit dem jungen Nik Xhelilaj ein glänzender Hauptdarsteller.

    Der 40-jährige Regisseur Johannes Naber selbst wurde in Ludwigsburg als Dokumentarfilmer ausgebildet. Das sieht man dem Film immer wieder in einzelnen Momenten einer sehr dichten Darstellung an. Zugleich hat seine Auffassung einer Spielfilmregie aber unübersehbare konventionelle Seiten. Dafür steht die unablässig elegisch die Freiheit des Zuschauerblicks zuschmierende so pathetische wie kitschige Filmmusik von Oli Biehler.

    Wirklich brisant wird es immer nur dann, wenn der Film die Schattenseiten des Lebens in Deutschland ins Visier nimmt. Naber porträtiert Deutschland als ein Land ohne moralische Integrität, politisches Konzept oder rechtstaatliche Unschuld - zumindest für all jene Menschen, die hier nicht als nützlich und vernutzbar gelten, die also nicht willkommen sind.

    "Der Albaner" ist also ein guter Film, aber auch stilistisch sehr konventionell und in erwartbaren Bahnen erzählt, der am Ende vor den entscheidenden politischen oder ethischen Konsequenzen seiner Geschichte zurückscheut und ins Privatistische flieht.

    Das vor allem dürfte ihm im Januar auch den Max-Ophüls-Preis beim Filmfestival von Saarbrücken eingetragen haben - denn dies ist am Ende ein Konsensfilm, auf den sich eine Jury einigen kann, weil er, wie man so sagt: "wichtig" ist, zugleich aber angenehm unanstößig bleibt. Denn alles wird hier im Zweifel moralisierend und niemals politisch behandelt. Einwanderung ist damit also kein politisches Problem, und illegale Ausländer sind, wie sie uns eben erscheinen: Eine Wolfsgesellschaft, schmutzig und gefährlich, in der am Ende jeder sich selbst der Nächste ist und mit der man am besten nichts zu tun haben möchte. Etwas darüber Hinausgehendes, und vielleicht auch etwas überraschendere Feststellungen würde man sich auch oder sogar gerade von einem Debütfilm dann aber doch erhoffen.