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Filmkritik "Manuscripts don't burn"
Im Dienst der iranischen Regierung

Ein Profikiller erhält den Auftrag, ein Manuskript zu besorgen, mit dem ein staatlicher Zensor erpresst wird. In seinem neuen Film erzeugt Mohammad Rasoulof ein intensives Gefühl der Ausweglosigkeit - und symbolisiert damit auch seine eigene Zerrissenheit: Im Iran bleiben oder gehen?

Von Patrick Wellinski | 09.08.2015
    Der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof während eines Fototermins für seinen Film "Dast Neveshtehaa Nemisoosand" (Manuscripts Don't Burn) auf dem Filmfestival in Cannes, am 24.05.2013.
    Der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof. (picture alliance / dpa / Sebastien Nogier)
    Zwei Auftragskiller in Teheran. Morteza wartet im Auto, während Khosrow in einem verlassenen Gebäude den schmutzigen Teil des Jobs erledigt. Doch es geht etwas schief. Ein unerwarteter Dritter taucht auf. Die beiden Killer fliehen. Dann folgt die Kamera in "Manuscripts don't burn" Khosrow nach Hause. Sein kleiner Sohn ist sterbenskrank. Das Geld, das der Vater für die routinierten Auftragsmorde erhält, soll die notwendige Operation bezahlen. Aber das Konto bleibt leer. Der Auftraggeber zahlt nicht. Khosrows Frau wird mit dem Kind aus dem Krankenhaus geworfen. Am Abend gucken Vater und Sohn Fernsehen, dann bekommt der kleine Junge einen Anfall.
    Am nächsten Tag beauftragt ein staatlicher Zensor Khosrow und Morteza damit, einen Schriftsteller zu entführen und von ihm ein belastendes Manuskript zu erpressen. Es protokolliert einen durch den Staat geplanten Anschlag auf 20 Intellektuelle in den 90er-Jahren, die in einem Bus verunglücken sollten. Aber alle überlebten. Der Busfahrer damals war Khosrow.
    Ein erbarmungsloser Thriller
    Das ist das Konfliktfeld dieses erbarmungslosen Thrillers. Wie in einem Dostojevski-Roman sind Täter und Opfer nicht klar zu unterscheiden. Jeder verfolgt seine eigenen Interessen. Spannend und doppelbödig inszeniert Regisseur Rasoulof das Ganze mit dem Blick auf die regimekritischen Intellektuellen.
    Da ist der zornige Dialog zwischen dem rollstuhlfahrenden Autor Forouzandeh und seinem Dichterfreund Kasra. Er will Farouzadandeh davon abbringen, seinen vom Zensor verbotenen Roman zu veröffentlichen. Der wiederum wirft Kasra Resignation und Zynismus vor, ohne zu wissen, dass dieser versucht, seine alten Weggefährten vor den Auftragskillern zu schützen.
    Auch der alte und kranke Autor Kiran, der das gesuchte Manuskript verfasst hat, besitzt einen Plan. Er erpresst den Zensor mit dem Manuskript, will ausreisen zu seiner Tochter nach Frankreich, um sich im Ausland behandeln zu lassen.
    Eng und klaustrophobisch sind diese Bilder und in ein kaltes, bläuliches Licht getaucht. Das Atmen fällt allen Figuren schwer. So erzeugt der Regisseur ein intensives Klima der Ausweglosigkeit. Iran erscheint wie ein Gefängnis. Mit einer bedrückenden Ruhe und Geduld seziert Rasoulof vor unseren Augen die perfiden Droh- und Überwachungsmechanismen des Gottesstaates, zu denen Folter und Mord ganz selbstverständlich dazu gehören.
    Anprangerung der Missstände im Iran
    Wie konnte so ein pessimistischer Film überhaupt entstehen. Klar und deutlich prangert er die Missstände des Regimes an. Es gibt keinen Abspann. Zum Schutz der Schauspieler und aller Beteiligten sollen keine Namen genannt werden. Gedreht wurde angeblich heimlich, bei Nacht, ohne offizielle Dreherlaubnis. Das markiert im Schaffen von Regisseur Rasoulofs eine Kehrtwende.
    Zwar hat er mit seinen frühen allegorischen Spielfilmen wie "Iron Island" und "The White Meadows" schon klar die Repressionen des Gottesstaates angeklagt, doch waren das noch Filme, die die Zensur des Landes durchgewunken hat. Erst durch einen Dokumentarfilm, der den Satellitenschüsselgebrauch der Iraner als Sehnsucht nach der westlichen Welt identifizierte, bekam Rasoulof Ärger mit den offiziellen Stellen. Er durfte nicht ausreisen und drehte trotzdem weiter. Daraufhin wurde er zu sechs Jahren Haft verurteilt, wie sein Regiekollege Jafar Panahi.
    "Manuscripts don't burn" ist die bildgewordene Wut, die dieses Urteil ausgelöst hat. Sie ist spür- und hörbar in jeder Dialogzeile. Der Streit der Intellektuellen symbolisiert die innere Zerrissenheit des Regisseurs, der sich über seine eigene Zukunft nicht im Klaren ist. Gehen oder bleiben?