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Filmkritik
Maps to the Stars - Das Leben in der Traumfabrik

Regisseur David Cronenbergs Protagonisten auf der Suche nach einer neuen Bewusstseinsebene, kämpfen mit Angstzuständen oder tragen selbstzerstörerische Züge in sich. In seinem neuen Film "Maps to the Stars" wirft der Kanadier einen satirischen Blick auf Hollywood. Regisseur David Cronenbergs Protagonisten kämpfen mit Angstzuständen oder tragen selbstzerstörerische Züge in sich. In seinem neuen Film "Maps to the Stars" wirft der Kanadier einen satirischen Blick auf Hollywood. Außerdem kommen neu ins Kino: das Spielfilmdebüt von Hisham Zaman "Der Junge Siyar" und Michael Oberts "Song from the Forest".

Von Jörg Albrecht | 10.09.2014
    Der Hollywood-Schriftzug in Los Angeles
    Regisseur David Cronenberg nimmt Hollywood in seinem Film "Maps to the Stars" auf den Arm (Jan-Martin Altgeld)
    Die meisten Erfolgreichen in Hollywood seien als Menschen Versager. Das hat Marlon Brando einmal gesagt. Und nirgendwo auf der Welt ist der Graben zwischen Schein und Sein wohl tiefer als in den Hollywood Hills. Dort leben sie: Menschen, wie die von einer großartigen Julianne Moore verkörperte Havana. Die Schauspielerin hofft auf eine Rolle, die ihre Karriere ankurbeln soll. Pikanterweise müsste sie in dem Film ihre eigene Mutter spielen – eine verstorbene Hollywood-Berühmtheit, die wie ein übergroßer Schatten über Havana thront.
    "Nicht Mama!"
    "Tu mir bitte nicht so weh!"
    "Tu mir bitte nicht mehr so weh!"
    "Komm nicht mehr in mein Zimmer!"
    "Ich werde jetzt mal hier auf deinen Vergangenheits-Punkt drücken. Alles sammelt sich im Oberschenkel. ..."
    Zu Havanas Vorbereitung gehören die Sitzungen bei ihrem von John Cusack gespielten Psychotherapeuten. Der hat ganz persönliche Erfahrungen mit den Schattenseiten des Ruhms gesammelt. Sohn Benji ist ein angesagter Kinderstar, der mit seinen 13 Jahren bereits auf eine Drogenkarriere zurückblicken kann. Und die ältere Tochter Agatha hat vor Jahren ihr Elternhaus angesteckt, woraufhin sie in der Psychiatrie gelandet ist. Jetzt ist Agatha nach L.A. zurückgekehrt.
    "Es geht mir schon viel besser. ... Wieso habt ihr mich niemals besucht?"
    "Das ist eine Opfer-Frage. ... Andere umbringen zu wollen, ist nicht gerade das Verhalten, das belohnt werden sollte."
    "Ich habe mich geändert. Ich wollte euch sagen, wie leid es mir tut. ... Entschuldigung angenommen."
    Nun will "Maps to the Stars" nicht so sehr zwischenmenschliches Drama sein als vielmehr ein bissiger Rundumschlag auf das Sündenbabel Hollywood mit seinen nach Ruhm und Anerkennung gierenden Akteuren. Doch den satirischen Momenten, die Autor Bruce Wagner und Regisseur David Cronenberg eingestreut haben, fehlt es an Biss, Sarkasmus und auch an Timing. Die Lacher vor allem durch Namedropping zu generieren, also dadurch, dass die fiktiven Figuren immer wieder echte Namen ins Spiel bringen, ist dann doch zu billig.
    " ... Weißt du, wer meine Mutter spielt, als sie jung war?"
    "Anne Hathaway. – Das geht aber gar nicht."
    Von den wirklich großartigen Innenansichten von Hollywood, wie sie Robert Altmans "The Player" und Billy Wilders "Boulevard der Dämmerung" geliefert haben, ist dieser Film ein ganzes Stück entfernt.
    "Maps to the Stars": zwiespältig.
    "Entschuldigung, wo geht es zur Autobahn nach Istanbul?"
    " Was willst du in Istanbul?"
    "Meine Schwester suchen. ..."
    Um die Familienehre wiederherzustellen, glaubt Siyar nur eine einzige Möglichkeit zu haben: Er muss seine Schwester finden und töten. Am Tag vor ihrer arrangierten Hochzeit hat Nermin die Flucht ergriffen. Zusammen mit dem Mann, den sie liebt. Und so bricht der 16-jährige Kurde, der seit dem Tod des Vaters die Rolle des Familienoberhaupts übernommen hat, zu einer ungewissen Reise auf. Im Innern eines Tanklasters überquert Siyar die Grenze zur Türkei. Nermin soll sich in Istanbul aufhalten. Dort wird er sie auch aufspüren.
    "Nermin, mach auf! Los!"
    "Geh weg! Geh!"
    "Ich wusste, dass ich dich finde. Jetzt mach auf!"
    "Du verstehst das nicht. ... Ich bring dich um. Ich schwöre es."
    Nermin gelingt es erneut zu fliehen, und für Siyar geht seine Odyssee quer durch Europa weiter. Er wird ein Straßenmädchen treffen, das sich ihm anschließt. Er wird es beschützen und sich mit Schleppern anlegen. Am Ende ist der Jäger selbst ein Gejagter.
    "Der Junge Siyar" ist das exzellent fotografierte Spielfilmdebüt von Hisham Zaman, der an keiner Stelle in seinem Film seinen Protagonisten verurteilt. Siyar – selbst fast noch ein Kind – folgt tradierten Verhaltensmustern. Orient und Okzident kollidieren in einem traurigen und spannenden Film – inszeniert mit großartigen Laiendarstellern.
    "Der Junge Siyar": empfehlenswert.
    Zwei Welten treffen auch in der Dokumentation "Song from the Forest" aufeinander. Vor 25 Jahren hat der US-amerikanische Musikwissenschaftler Louis Sarno im Radio eine Musik gehört, die ihn nie wieder loslassen sollte. Es ist der polyfone Gesang der Bayaka-Pygmänen gewesen. Sarno ist diesem Gesang in den zentralafrikanischen Regenwald gefolgt und dort geblieben.
    Der Wald, die Atmosphäre, die Musik, der er hier höre. Erzählt Sarno. Das Glück der Menschen um ihn herum. Er fühle sich privilegiert, in dieser Welt leben zu dürfen.
    Der Journalist und Filmemacher Michael Obert hat Louis Sarno in seiner Wahlheimat besucht und ihn bei einer Reise zurück in die USA begleitet. Denn Sarno hatte seinem 13-jährigen Sohn Samedi versprochen, ihm eines Tages die Welt zu zeigen, aus der er gekommen ist. So unterschiedlich diese Kulturen auch sind: Michael Obert schafft in seiner kontemplativen Dokumentation eine Symbiose zwischen afrikanischem Urwald und New Yorker Großstadtdschungel. Eine Symbiose, die tief berührt.

    "Song from the Forest": empfehlenswert.