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Finanzbranche bleibt skeptisch

In Griechenland ist passiert, worauf viele vor allem im Ausland gehofft hatten: Konservative und Sozialisten haben sich auf eine Koalitionsregierung geeinigt. Ende gut alles gut, weil jetzt Euro- und Reformbefürworter an der Macht sind? Die deutsche Finanzbranche bleibt skeptisch.

Von Brigitte Scholtes | 20.06.2012
    Nur kurz währte am Montag die Erleichterung an den Finanzmärkten nach der Wahl in Griechenland. Doch ob das Land auch mit einer gemäßigten Regierung in der Eurozone bleiben kann, das bezweifeln sie immer noch. So sagt Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse der Baader Bank:

    "Das Beste, was eine neue griechische Regierung jetzt in die Wege leiten kann, ist ihr eigener Austritt. Das ist das Beste für Griechenland. Sie bekommen wieder eine Perspektive über eine Währungsabwertung, und die Eurozone schließt ihre empfindliche Flanke im Südosten Europas. Von daher hoffe ich, dass wir spätestens im Herbst klare Fakten haben, dass die Griechen rausgehen. Sie haben in der Eurozone keine Überlebenschance, im Gegenteil: Durch ihre Probleme wird die gesamte Eurozone immer nervöser. "

    Auch Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbands der Volksbanken und Raiffeisenbanken, zeigt sich skeptisch:

    "Ich wünsche es uns, dass Griechenland die Kurve bekommt, den Weg zur Konsolidierung und zur Strukturveränderung auch wirklich glaubwürdig zu gehen. Allein: Mir fehlt momentan der Glaube."

    Der Austritt hätte auch etwas Gutes, meint Fröhlich: Spanien und Italien würden dadurch angespornt, ihre Haushalte schneller zu sanieren. Je eher die Griechen nun ausstiegen, desto besser, meint auch die Deutsche Bank. Georg Schuh, Chefanlagestratege von deren institutioneller Vermögensverwaltungssparte DB Advisors, warnte gestern schon, der Euro sei erst dann gerettet, wenn die Märkte wieder Vertrauen in Italien und Spanien fassten. Und das, so die immer vernehmlicher zu hörende Meinung, sei mit Griechenland kaum möglich. Es gibt zwar auch mahnende Stimmen, die vor den Folgen eines Austritts warnen – vor allem für die deutsche Exportindustrie. Denn die Angst vor Ansteckungsgefahren ist groß bei einem möglichen Austritt der Hellenen. Die lässt Robert Halver nicht gelten:

    "Wir sollten die Ansteckungsgefahren nicht als Alibi nehmen, dass wir nicht klare Schritte in puncto Griechenland und vor allen Dingen in puncto Austritt Griechenlands unternehmen. Den Dominoeffekt –klar, diese Gefahr ist real, die will ich nicht kleinreden. Aber dafür gibt es geeignete Instrumente. Mein Instrument dazu ist nach wie vor die EZB. Sie kann dafür sorgen, dass die Renditen gerade von anderen gefährdeten Ländern – Spanien, Italien – nicht so stark steigen werden. Sie kann verhindern, dass es zum Dominoeffekt kommt."

    Noch wehrt sich die Europäische Zentralbank, ihr Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen wieder aufzunehmen. Doch wenn andere Mittel nicht helfen sollten, wie die Senkung des Leitzinses, die für Anfang Juli erwartet wird, oder eine weitere Flutung des Marktes mit billigem Geld, dann könnte sie doch dazu bereit sein, hoffen einige Anleger an den Finanzmärkten. Eile sei jedenfalls geboten, jede zeitliche Streckung, die die griechische Regierung für ihre Reformen wünsche, sei verlorene Zeit, sagt Kapitalmarktanalyst Halver von der Baader-Bank:

    "Es macht keinen Sinn, die Griechen in der Eurozone zu lassen, mit ihrer auch Radikalisierungstendenz bei einer zukünftigen Wahl ist klar, dass der Außenposten der Eurozone in hohem Maße gefährdet ist. Und dann kommt es erst wirklich zu diesen dramatischen Effekten auf die gesamte Eurozone, weil die Finanzmärkte uns immer ganz klar sagen: "Wenn ihr Griechenland nicht befrieden könnt – wie wollt ihr das bei Italien und Spanien schaffen?"

    Der ungeordnete Ausstieg ist mit der Wahl zwar vermieden worden. Die Märkte aber setzen jetzt auf einen geordneten Austritt Griechenlands.