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Finanzexperte: Definition der Geschäftsfelder ist nicht so einfach

Hans-Peter Burghof hält eine Trennung von Kreditgeschäft und Investmentbanking bei Geldinstituten für schwierig. Es gebe Geschäfte, "die miteinander verknüpft seien", so der Professor für Banken- und Finanzwirtschaft der Uni Hohenheim.

Hans-Peter Burghof im Gespräch mit Peter Kapern | 17.10.2011
    Peter Kapern: In allen Rankings bilden Politiker, Politessen und Journalisten den Bodensatz derjenigen Berufsgruppen mit der geringsten Reputation. Und wenn die Zeichen der Zeit nicht trügen, kann man den Bankern jetzt zurufen, "willkommen im Club". Weltweit wird gegen die Macht der Banken demonstriert, gegen die Nadelstreifenanzugträger mit den vermeintlich düsteren Absichten. Eine Stimmung, die sich auch in unserer Sendung "Kontrovers" heute früh hier im Deutschlandfunk niederschlug, in der sich Hörer zu Wort meldeten.

    "Endlich wird da mal protestiert, hoffentlich nicht allzu gewalttätig. Das ist halt das Ende der Kapitalisierungslüge, was sich langsam abzeichnet." - "Ich würde gerne darauf hinweisen, dass ja Banken zu niedrigsten Zinsen das Material zur Verfügung gestellt bekommen von der Notenbank, womit sie arbeiten. Jeder Industriebetrieb in Deutschland würde sich natürlich die Finger danach lecken, wenn er kostenlos das Material bekäme. Und Banken können trotzdem in Gesetzgebungsverfahren maßgeblich ihre Vorlagen durchbringen, sie diktieren die Gesetze, die letztendlich die Regierung zugunsten der Finanzmärkte oft macht." - "Es ist nicht nur die Macht der Finanzmärkte, sondern die Bereitwilligkeit der Politik, sich dieser Macht zu unterwerfen, und zwar schon seit Jahrzehnten, oder sogar seit Gründung der Bundesrepublik."

    Kapern: Hörer, die sich heute früh in unserer Sendung "Kontrovers" zu Wort gemeldet haben. - Wenn das die Stimmung korrekt wiedergibt, dann stellt sich die Frage, ob es der Politik ausschließlich um die Beilegung der akuten Krise geht, oder ob sie nicht auch versucht ist, aus dieser Stimmung Stimmen zu schlagen.

    Unmittelbar vor der Sendung habe ich Hans-Peter Burghof, Professor für Banken- und Finanzwissenschaft an der Uni Hohenheim, gefragt, was er von einer Trennung des Investmentbankings vom Geschäftsbanking hält.

    Hans-Peter Burghof: Ja, also zunächst mal: Das funktioniert natürlich dadurch, dass man zunächst mal erst überhaupt definieren müsste, was Investmentbanking und was Geschäftsbanking ist. Das ist vielleicht gar nicht mehr so einfach, wie vielleicht noch zu der Zeit, als man das in den USA eingeführt hat.

    Kapern: Warum ist das nicht so einfach?

    Burghof: Ja weil es natürlich Geschäfte gibt, die miteinander verknüpft sind, und dann muss man schauen, was ist was. Das wäre dann ein Katalog, den müsste man halt verfassen und dann müsste man genau herausfinden, wer was ist, und dann müsste man das auseinanderhalten. Das ist das eine.

    Das zweite ist: Dann müsste man halt diese Unternehmen trennen. Wahrscheinlich müsste man auch unterschiedliche Eigentümerschaft festlegen. Man müsste also auch Banken dafür eigentlich zerschlagen. Denn die Idee, dass man das voneinander trennt, von der Haftung her aber dann eine übergeordnete Geschäftsleitung darüber macht, also etwa eine Holding, die halte ich für illusorisch, weil am Ende wird so eine Holding-Leitung auch immer ihre Meinungen und ihre Positionen in beiden Banken durchsetzen. Das heißt, man müsste dann wirklich Bankkonzerne zerschlagen in Deutschland, damit man das erreichen kann.

    Kapern: Und was halten Sie von der Idee?

    Burghof: Eigentlich sehr wenig. Wir beziehen uns hier auf Erfahrungen aus den USA, die wir dann auf Deutschland übertragen. Nur Deutschland hat eine andere Bankgeschichte, hat andere Erfahrungen mit dem Bankgeschäft gemacht, und eigentlich lief unser Universalbanksystem sehr, sehr gut, wo beide Geschäftsmöglichkeiten miteinander verbunden waren, zumindest so lange, bis wir dann das amerikanische Geschäftsmodell übernommen haben. Ich glaube nicht, dass Deutschland so viel davon profitieren kann. Das ist einfach eine Erfahrung aus den USA.

    Kapern: Gibt es auch rechtliche Hürden, denn eine Zerschlagung von Banken ist ja doch auch ein gravierender Eingriff in Eigentumsrechte?

    Burghof: Ja, das mag sein. Das ist auch so. Andererseits muss man dazu sagen, das Bankensystem als Ganzes gefährdet natürlich die Wirtschaft, und ich nehme mal an, dass vor einem Gericht, wenn man beweisen oder nachweisen kann, dass tatsächlich dieser Gefährdung dadurch abgeholfen werden kann, dass dann das natürlich das höhere Gut ist.

    Kapern: Das heißt also, wenn es um Banken geht, die das Etikett tragen "to big, to fail", dann hätte auch ein deutsches Gericht nichts gegen eine Zerschlagung?

    Burghof: Sie wissen, wie das ist vor Gericht und auf hoher See: Man ist in Gottes Hand. Also was da herauskommt, weiß ich nicht. Aber meine persönliche Position wäre ja, wenn das denn notwendig wäre und wenn das aus bankaufsichtlicher Perspektive sinnvoll wäre, dann müsste ein Gericht dem eigentlich zustimmen. Denn einerseits werden dadurch Eigentumsrechte beeinträchtigt, andererseits durch die Krise werden natürlich Eigentumsrechte in noch viel größerem Ausmaß gefährdet.

    Kapern: Nun steckt ja hinter der Forderung nach der Trennung des Investmentgeschäfts vom normalen Geschäftsbanking die Auffassung, dass Investmentbanking des Teufels ist. Ist das so?

    Burghof: Nein, natürlich nicht. Investmentbanking ist auch eine Sache, die richtig gemacht sehr viel Nutzen stiften kann. Der Kern des Investmentbankings ist im Grunde genommen, dass die Banken den Unternehmen den Weg zum Kapitalmarkt ermöglichen, das heißt also ihnen ermöglichen, weltweit und von einer großen Anlegerschaft Mittel aufzunehmen. Das hat große Vorteile, weil man dann nämlich zum Beispiel nicht von dem "Daumen hoch" oder "Daumen runter" eines einzelnen Bankberaters und Kreditentscheiders abhängig ist. Also so einfach und pauschal geht das nicht. Es gibt sehr, sehr unterschiedliche Investmentbankinggeschäfte mit ganz unterschiedlichem Risikogehalt, von relativ geringem Risiko bis sehr, sehr hoch. So undifferenziert, wie das jetzt vorgeschlagen wird, ist das sicher etwas, was so nicht Erfolg versprechend ist.

    Kapern: Aber ist das Investmentbanking nicht auch jenes Spielfeld, auf dem sich die Spekulanten und Hasardeure tummeln?

    Burghof: Das ist richtig und deswegen muss man das in den Griff bekommen, aber natürlich nicht, indem man das Kind mit dem Bade ausschüttet und sagt, wir dürfen jetzt also das Investmentbanking nicht mehr betreiben, oder wenn, dann nur zu Konditionen, die es vollkommen unattraktiv machen. Das ist jetzt das Problem natürlich in der Krise, das allgemeine Interesse für diese Themen führt natürlich auch dazu, dass man dann sehr zu Schnellschüssen und Patentrezepten neigt, weil man eben sich politisch positionieren will, weil man vielleicht auch so ein bisschen auf der "Occupy Wall-Street"-Bewegung mitreiten möchte. Nur um das mal so ein bisschen einzuordnen: Bisher haben sich in Deutschland vor allem für das getrennte Bankensystem im amerikanischen Sinne starkgemacht die Gruppen um Zepp-LaRouche, und ich nehme an, Sie wissen, wie das einzuschätzen ist.

    Kapern: Sagen Sie es uns!

    Burghof: Das sind also eigentlich aus dem Amerikanischen kommende politische Sektierer, ist vielleicht zu böse gesagt, aber Leute, die sehr merkwürdige Ideen vertreten ansonsten und die immer wieder solche Ideen reiten. Wir bewegen uns hier ganz am Rande des Meinungsspektrums normalerweise. In der Krise rückt der natürlich ein bisschen mehr in die Mitte.

    Kapern: Sigmar Gabriel, der SPD-Chef, hat vorgeschlagen, das Investmentbanking auf einen bestimmten geringen Anteil des Eigenkapitals zu limitieren. Wäre das ein gangbarer Weg?

    Burghof: Das wäre ein gangbarer Weg, natürlich. Man müsste das aber allerdings sinnvoll in das deutsche Bankaufsichtssystem integrieren. Wir haben Eigenkapitalnormen und offenkundig - das sagen uns die Erfahrungen aus der Krise - haben die für bestimmte Investmentbankinggeschäfte viel zu geringe Eigenkapitalanforderungen definiert. Das heißt also beim Investmentbanking: Bestimmte Handelsgeschäfte wurden als besonders risikoarm interpretiert gegenüber dem normalen Kreditgeschäft, weil das ja besonders liquide Papiere seien. Offenkundig ist das nicht so, denn diese Papiere sind halt nur so lange liquide, wie nichts schiefgeht. Genau in dem Augenblick, wo was schiefgeht, wenn es also darauf ankommt, sind sie es eben nicht mehr, und das müsste man in den Eigenkapitalnormen berücksichtigen. Nur das ist natürlich eine ganz, ganz große Feinarbeit, dazu braucht man eine sehr starke, sehr kompetente Bankenaufsicht, die sich da heranmacht. Da kommen sie mit solchen Hauruck-Vorschlägen nicht sehr weit.

    Kapern: Stichwort Eigenkapitalanforderungen. Da steht ja im Raum die Forderung nach einer Rekapitalisierung der Banken, und die wehren sich dagegen wie der Teufel gegen das Weihwasser. Steckt dahinter mehr als die Angst vor schrumpfenden Renditen?

    Burghof: Ja, natürlich, weil das wird halt mit dem Rasenmäher im Moment alles gemacht. Die Politik ist im Grunde genommen panisch. Das kommt aus der Staatskrise und der Angst, dass man im Grunde genommen keine Reserven mehr hat, um der Krise dann wirksam zu begegnen. Das ist auch sehr verständlich, aber Panik hilft uns hier nicht weiter. Je nach Geschäftsmodell ist halt der Bedarf an Eigenkapital bei Banken sehr, sehr unterschiedlich und wenn man da mit dem Rasenmäher rübergeht und sagt, jetzt brauchen alle das gleiche, dann hat man das Problem, dass man besonders riskante Geschäftsmodelle belohnt, weil die gar nicht so viel dann brauchen, gemessen daran, wie riskant sie wirklich sind, und dass man besonders risikoarme Geschäftsmodelle im Grunde genommen bestraft. Man hat zumindest das Risiko, dass man nachher genau das Gegenteil herausbekommt von dem, was man eigentlich haben wollte.

    Kapern: Dürfen Staaten Banken Geld aufzwingen, gegen deren Willen?

    Burghof: Das dürfen sie. Das dürfen sie in der Krise, wenn halt die Allgemeinheit durch die Bankenkrise bedroht ist. Man muss genau gucken, ob dieser Fall eintritt und aber auch bezogen auf die einzelne Bank eintritt. Aber im Prinzip natürlich: Die Bedrohung, die aus dem Bankensystem kommt, ist so fundamental für unsere Wirtschaft, und deswegen darf das der Staat.

    Kapern: Das heißt, auch in diesem Bereich gilt der Grundsatz, das Bankengewerbe ist vielleicht so gefährlich für das große Ganze, für das gesellschaftliche Allgemeine, dass auch da Eingriffe ins Eigentumsrecht vorgenommen werden dürfen?

    Burghof: Genau so ist es. Das ist möglich und das muss man auch möglich halten, sonst gefährdet man halt die Rechte vieler anderer Menschen. Das ist ja immer eine Abwägung von unterschiedlichen Rechten. Nur das ist jetzt keine ganz neue Erkenntnis, das wissen wir eigentlich seit vielen, vielen Jahren, deswegen haben wir auch eine Bankenaufsicht mit einem abgestuften Eingriffskatalog, wo man genau gucken kann, wie intensiv sie in welcher Situation eingreifen sollte.

    Kapern: Hans-Peter Burghof war das, Professor für Banken- und Finanzwirtschaft an der Universität in Hohenheim. Herr Burghof, danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Burghof: Danke schön! Tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.