Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Finanzkrise
Donald Tusk gerät in Bedrängnis

Die Affäre um die Danziger Schattenbank Amber Gold kostete 2012 Tausende Anleger ihr Vermögen. Polens damaliger Ministerpräsident Donald Tusk gerät seitdem immer wieder in die Kritik. Sein Sohn Michal arbeitete damals für eine Amber-Gold-Tochter, er muss nun vor einem Untersuchungsausschuss aussagen.

Von Florian Kellermann | 21.06.2017
    EU-Ratspräsident Donald Tusk spricht bei einem Versammlung des Europäischen Parlaments in Straßburg.
    Ein Finanzskandal von 2012 macht Donald Tusk weiterhin zu schaffen (AFP / Patrick Hertzog)
    Ein uraltes Wirtschaftsverbrechen: Finanzpyramiden täuschen Anlegern hohe Renditen vor, um sie dann zu betrügen. Auch rund 19.000 Polen sind 2012 einer solchen Struktur zum Opfer gefallen. Die Danziger Schattenbank "Amber Gold" versprach: Das Anlagekapital sei sicher, dafür sorgten ihre Goldreserven. Das Besondere an dem Fall: Nicht nur die Anleger nahmen Schaden, sondern auch das Ansehen der damaligen polnischen Regierungspartei, der rechtsliberalen "Bürgerplattform" (PO). Auch der damalige Ministerpräsident Donald Tusk, heute EU-Ratspräsident, verhielt sich damals alles andere als souverän.
    Daraus schlägt die amtierende Regierungspartei, die rechtskonservative PiS, politisches Kapital: Sie hat einen Untersuchungsausschuss des Parlaments eingesetzt. Er wird heute Michal Tusk, den Sohn des EU-Ratspräsidenten, verhören. Er arbeitete damals für eine Tochterfirma von Amber Gold – ein Umstand, der für Donald Tusk besonders unangenehm ist.
    Skandal um Donald Tusk
    Der Untersuchungsausschuss tagt öffentlich, die Sitzungen werden live im öffentlichen Fernsehen übertragen. Die Vorsitzende Malgorzata Wassermann von der Regierungspartei PiS gibt sich unerbittlich. Den ehemaligen Transportminister Slawomir Neumann fasste sie besonders hart an: Sie untersagte ihm, bei seinem Eingangsstatement vom Blatt abzulesen. Die PiS-Politikerin Wassermann ist überzeugt, dass die damalige polnische Regierung die Verantwortung für den Finanzskandal trägt: "Es ist offensichtlich, dass Donald Tusk mit dem Skandal verbunden ist. Schon allein dadurch, dass er damals Ministerpräsident war. Er war verantwortlich für die Funktionäre, die heute bei den Ausschüssen Rede und Antwort stehen. Wir haben erfahren, dass in der Finanzaufsichtsbehörde fast täglich über Amber Gold gesprochen wurde. Ich kann nicht verstehen, wie das an Tusk vorbeigehen konnte, er war der Vorgesetzte der Behörde."
    Donald Tusk, der heutige EU-Ratspräsident, war bis 2014 polnischer Ministerpräsident. Als die Schattenbank Amber Gold und deren schmutzige Geschäfte aufflogen, verhinderte er die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Ein Verhalten, das ihm viel Kritik einbrachte. Denn zwischen Tusk und der Schattenbank gibt es auch eine persönliche Verbindung: Sein Sohn Michal arbeitete für die Billigfluglinie OLT, die Amber Gold gehörte. Schon vor fünf Jahren erklärte deshalb der heutige Verteidigungsminister Antoni Macierewicz im Parlament, als er sich an Tusk richtete: "Sie haben in Danzig eine Mafiastruktur geschaffen, die es unmöglich gemacht hat, Gerechtigkeit walten zu lassen. Das Hohe Haus sollte sich dieses Foto ansehen: Die ganze lokale Führungsriege der Bürgerplattform zieht an einem Flugzeug von OLT, als Reklame. Das ist diese Mafiastruktur, die dazu führte, dass so lange niemand dem Chef von Amber Gold das Handwerk legte."
    Warnung vor der Schattenbank
    Tatsache ist, dass damals zahlreiche Behörden, die der Regierung unterstehen, versagten. Die Finanzaufsichtsbehörde KNF warnte früh vor den Machenschaften der Schattenbank. Aber lange Zeit schritt weder die Verbraucherschutzbehörde ein, noch der Inlandsgeheimdienst, noch die Staatsanwaltschaft. Auch die Billigfluglinie OLT, die mit der Schattenbank unterging, wurde praktisch nicht kontrolliert, wie der laufende Untersuchungsausschuss feststellte.
    Doch mit Korruption habe dieses Versagen nichts zu tun, meint Slawomir Neumann von Tusks Partei "Bürgerplattform": "Mit den Vorgängen beschäftigen sich die Staatsanwälte und Gerichte. Ich erinnere daran, dass die Staatsanwaltschaft heute komplett der Regierung unterliegt, genauer: Justizminister Zbigniew Ziobro. Er kann Einfluss nehmen auf Ermittlungsverfahren. Wie die Ermittler trotzdem nichts gefunden haben, was beweisen würde, dass hier Politiker ihre Finger im Spiel hatten, dann gibt es da auch nichts."
    Politischer Kampf gegen Tusk
    Dennoch wird ein schwerer Vorwurf an Donald Tusk erhoben: Er könnte schon lange vor dem Konkurs der Schattenbank gewusst haben, dass es sich um eine Finanzpyramide handelte. Der Inlandsgeheimdienst ABW sandte eine dahin gehende Notiz an die Regierung. Der Ministerpräsident könnte also versucht haben, die Affäre unter den Tisch zu kehren, auch aus Rücksicht auf seinen Sohn.
    Tusk räumte ein, dass er seinen Sohn vor der Arbeit bei OLT warnte. Allerdings habe er den Rat als Vater erteilt, nicht als Regierungschef. Er habe zu dem Zeitpunkt über keine geheimen Informationen verfügt: "Ich bin daran interessiert, dass jedes Detail der damaligen Vorgänge aufgeklärt wird. Aber ich habe keinen Zweifel daran, dass dem Ausschuss gar nicht darum geht. Er ist ein Instrument im politischen Kampf gegen mich, es geht hier weder um Aufklärung, noch um Prävention."
    Führende PiS-Politiker haben immer wieder klar gemacht, dass sie Tusk vor einem Strafgericht sehen möchten. Die heutigen Aussagen von Sohn Michal könnten weitere Belastungsmomente ans Tageslicht bringen.