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Finanzkrise
Junge Griechen in Polen

Für die jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Griechenland ist Polen ein attraktives Pflaster - auch wenn die Bezahlung gering ist. Ein Wunder, wenn man bedenkt, dass über zwei Millionen Polen im Ausland leben und in den letzten Jahren über 600.000 polnische Staatsbürger nach Großbritannien ausgewandert sind.

Von Marta Kupiec | 04.04.2014
    Ein riesiges Poster am Hauptbahnhof von Warschau empfängt Fußballfans aus ganz Europa zur Europameisterschaft 2012. Das Plakat trägt den Schriftzug "Feel like at home" und zeigt Menschen, die ihre Gesichter mit den Nationalflaggen von Teilnehmerländern bemalt haben.
    "Feel like at home" - für viele Griechen ist Warschau wegen der Finanzkrise tatsächlich die neue Heimat geworden. (picture alliance / dpa / Rafal Guz)
    Eine Altbauwohnung am Rande von Krakau – nach seinem Schichtdienst entspannt sich Effi bei griechischer Musik. Ihr Blick fällt auf ein Familienfoto und andere Momentaufnahmen aus ihrer Heimat. Smaragdgrünes Meer, Strände und die Sonne – all das, was Effi liebt, liegt fast 2000 Kilometer entfernt. Nach einer kurzen Station in Amsterdam hat sich die junge Griechin einen Job im polnischen Krakau gesucht und will dort bleiben.
    "Ich würde jetzt nicht nach Griechenland zurückkehren wollen, vielleicht irgendwann einmal. Momentan würde es eine Art Selbstmord bedeuten. Es ist schön, hier unter Menschen zu sein, Geld zu verdienen, eine Krankenversicherung zu haben. Polen entwickelt sich, doch es ist anders als Griechenland und Westeuropa. Mir fehlen nur die griechische Küche und die Familie. Freunde habe ich auch hier gefunden."
    Einige davon arbeiten mit der 30-jährigen bei ihrem jetzigen Arbeitgeber – der amerikanischen Firma "Amway". Seit drei Jahren betreut Effi von Krakau aus griechische Kunden. Das bedeutet – acht Stunden lang Daten eintippen und viel telefonieren. Anspruchsvoll ist das für die Entwicklungsexpertin nicht, doch besser als dem griechischen Staat auf der Tasche zu liegen, sagt sie. Dass immer wieder ein neuer Grieche in ihrem Team auftaucht, wundert sie nicht.
    "Die Zahl der Griechen, die auf der Suche nach Arbeit ihr Land verlassen, wird immer größer. Keine Ahnung, ob es die Polen in Angst versetzt. Wir sind gut ausgebildet, haben einen Studienabschluss und sind dringend benötigter Nachwuchs für die Unternehmen. Oft wundern sich die Polen, was wir hier machen, zumal sie selbst ihr Land verlassen. Viele staunen, dass wir als Ausländer hier arbeiten wollen."
    Wie viele junge Griechen in Krakau arbeiten, weist keine Statistik aus. In ganz Polen leben und arbeiten derzeit etwa 2000 Griechen – Effi gehört dazu.
    Bei "Amway" verdient die 30-Jährige ungefähr 700 Euro monatlich - viel ist das nicht, zumal die Miete fast die Hälfte beträgt. Doch nur so hat sie das Gefühl, dass sie ihre Talente nicht ganz verschwendet.
    Giorgos geht es ganz ähnlich. Der 32 jährige aus Thessaloniki lebt seit zwei Jahren an der Weichsel. Er hat sogar an einer renommierten Filmhochschule studiert, doch auch für ihn endete die Arbeitssuche bei einem Outsourcingcenter, wo er Daten verwaltet.
    "Was den Arbeitsmarkt in Polen angeht, ist das gerade eine gute Zeit für Ausländer. Es gibt hier viele internationale Unternehmen, die Mitarbeiter mit Fremdsprachenkenntnissen suchen. Da Griechisch eher selten gesprochen wird, haben Griechen gute Chancen, hier zu arbeiten. Die Löhne sind zwar nicht auf westeuropäischem Niveau, doch dafür sind auch die Lebenshaltungskosten 30 bis 40 Prozent niedriger als in Griechenland."
    Auch die 33-jährige Journalistin Sophia gehört zu den vielen jungen Griechen, die ihr Glück in Polen versuchen. Im Alltag kommt sie mit Englisch zurecht, ihr Geld verdient sie als Griechisch-Lehrerin. Sie weiß, dass es unrealistisch ist, in Zukunft bei polnischen Medien arbeiten zu wollen.
    "Das wäre nicht möglich, ich spreche kein Polnisch. Und die Medien in Griechenland sind bankrott, sie können den Korrespondenten-Posten nicht bezahlen. Es gibt hier viele internationale Unternehmen - ich werde gucken, dass ich dort eine Arbeit finde, die Griechischkenntnisse erfordert - ich bin sehr optimistisch."
    Abends hört Sophia griechische Musik, tauscht die neusten Informationen mit Freunden auf Facebook aus. Diese sind überall auf der Welt verstreut.
    "Hier ist es besser für uns als in Griechenland. Mein Bruder lebt derzeit mit seiner Familie in Deutschland - meine Freunde sind in Holland, Großbritannien und in Gibraltar."
    Zurück will auch sie erst einmal nicht. Die Entwicklung in ihrer Heimat macht die junge Frau nach wie vor traurig.
    "Die Auswanderungswelle ist enorm, ich denke, 80 Prozent der jungen Griechen wandern aus – hauptsächlich in englischsprachige Länder, aber auch nach Deutschland. Sie sind qualifiziert, haben ein Diplom. Aber die Krise zwingt viele Menschen, ihre Heimat zu verlassen."