Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Finanzmarktstabilität
Ursache und Wirkung vertauscht

Lange Zeit seien die Finanzmärkte ein Indikator für die realwirtschaftliche Entwicklung gewesen, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Gustav Horn. Doch inzwischen hätte sich das Verhältnis umgekehrt: Deswegen berge der jüngste Börsencrash auch ein Risiko für Wachstum und vor allem Beschäftigung.

Von Manfred Götzke | 07.02.2018
    Minus 4,6 Prozent beim Dow Jones, Minus 2,3 beim Dax: Wie crashanfällig die internationalen Finanzmärkte momentan sind, haben die vergangenen Tage gezeigt. Massive Kursverluste, die von den guten Bedingungen in der Realwirtschaft losgelöst sind - wieder einmal, sagt Gustav Horn, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, kurz IMK.
    "Man darf ja nur daran erinnern, dass die letzten beiden Rezessionen nicht nach dem früher ausgelösten Muster ausgelöst wurden, wo in der Realwirtschaft irgendwelche Tendenzen waren, die in eine Rezession geführt haben, sondern dass die Ursache der Rezession auf den Finanzmärkten lag. Finanzmarktturbulenzen, Crashs können Rezessionen auslösen und damit Wachstum und vor allem Beschäftigung kosten."
    Ursache und Wirkung vertauscht
    Ursache und Wirkung hätten sich in den vergangen Jahren also umgekehrt, sagt Horn. Auch wenn es momentan nicht nach einem Komplettzusammenbruch der Märkte wie 2008 aussehe, die Risiken dafür seien derzeit da.
    "In unserem Bericht steht noch drin, dass die Risikoprämien sehr niedrig sind, dass eine Korrektur zu erwarten ist - schon passiert. Sobald sich eine solche Überzeugung festsetzt, geht es mit rasanter Geschwindigkeit. Und wenn es anders, als es jetzt scheint, weitergeht, dann haben wir genau den Effekt da, den wir 2008 und 2000 hatten, dass diese Unsicherheit von den Finanzmärkten auf die Realwirtschaft auswirkt. Das kann dann verheerende Konsequenzen haben."
    Deregulierung als Risiko
    Horn und seine Kollegen sehen aktuell zahlreiche Risiken, international sei weiterhin die hohe Staatsverschuldung ein Problem, vor allem in China. Noch gefährlicher ist aber etwas anderes. Der Geist der Deregulierung sei wieder aus der Flasche gekrochen - in den USA unter Trump.
    "Man fängt an, wieder Bremsen auszubauen aus dem System, was in einer Situation, wo die Unsicherheit wieder wächst, sich als verheerend erweisen könnte. Man schafft wieder den Humus dafür, dass eine Finanzkrise leichter entstehen kann als zuvor."
    Zinsänderungsrisiken im deutschen Bankensystem
    In Deutschland sieht Horn zwei Hauptrisiken: ein sehr hoch bewerteter Aktienmarkt, der sich von der Wirtschaftsentwicklung entkoppelt habe. In den Kursen spiegelt sich ein stärkeres Wachstum wieder, als wir realwirtschaftlich haben. Risiko Nummer zwei: der Immobilienmarkt. Die enorm gestiegenen Preise für Boden und Bauten deuten auf eine Korrektur hin.
    "Und wenn diese Korrektur auf eine Situation trifft, wo viele verschuldet sind und Kredite nicht mehr bedient werden können, dann haben wir diese Unsicherheitskonstellation, die gefährlich ist."
    Das könnte vor allem zu einem Problem für die Banken werden, sollten die Zinsen wieder steigen. Derzeit haben Banken langfristige Kredite zu niedrigen Zinsen gewährt. Was derzeit gut funktioniert, da sie sich kurzfristig zu sehr niedrigen Zinsen refinanzieren.
    "Wenn die Zinsen steigen, dann wird die Refinanzierung teurer. Und wenn dann kein genügendes Eigenkapitalpolster da ist, dann droht den Banken Gefahr. Wir sehen hier substanzielle Zinsänderungsrisiken im deutschen Bankensystem."
    Nicht von der Momentaufnahme täuschen lassen
    Aus all diesen Parametern hat das IMK einen Indikator für die Finanzmarktstabilität errechnet, der sei mit 13 Prozent noch relativ moderat, die beiden letzten Tage konnten die Forscher da allerdings noch nicht miteinbeziehen.
    "Lassen wir uns nicht täuschen von der Momentaufnahme. Die ist okay, aber das kann sich beim Aufkommen einer Panikwelle ganz schnell und drastisch ändern. Exakt vorhersagen kann ich das nicht, denn wenn ich es könnte, wäre ich sicherlich nicht hier."