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Ilse Aigner
Die Oberbayern-Chefin

Markus Söder wird Nachfolger von Horst Seehofer als bayerischer Ministerpräsident - und Ilse Aigner weigert sich, als Verliererin dazustehen. Immerhin ist die Wirtschaftsministerin auch Vorsitzende des mächtigen CSU-Bezirksverbands Oberbayern. Kommt nach der Landtagswahl im Herbst doch noch ihre Chance, Regierungschefin zu werden?

Von Michael Watzke | 07.12.2017
    Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU)
    Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) (picture alliance/ dpa/ Sven Hoppe)
    Donnerstagmorgen um neun in der Gaststätte des bayerischen Landtags. Ilse Aigner trinkt jetzt erstmal ein Gläschen:
    "Ja, jetzt trink' ich a Glasl Sekt. Könnt' mer a Glasl Sekt haben? Oder drei?"
    Huch! Ist das Frust-Prosecco? Was hätte die schärfste Söder-Kontrahentin in der CSU in diesen Tagen denn zu feiern?
    "Ich feier' heute Geburtstag. Und da kann man sich auch mal zu früher Morgenstunde ein Glas Sekt genehmigen."
    Ilse Aigner wird heute 53. Sie strahlt wie 35. So sieht keine Politikerin aus, die nach einer wilden Fahrt im Personalkarussell ihrer Partei schwindelig aussteigt und erstmal eine Pause braucht.
    "Nein, ich würde jetzt nicht in diesen Kategorien denken. Wir können nur gemeinsam gewinnen oder verlieren bei der Landtagswahl 2018. Davor ist übrigens noch eine kleine Entscheidung in Berlin zu klären. Das hängt ja auch noch in der Schwebe, wie es da weitergeht. Das wird auch Auswirkungen haben auf die Landtagswahl. Und deshalb hab' ich mich ja auch dafür eingesetzt, dass der Horst Seehofer für uns da nochmal verhandeln kann. Der hat die größte Erfahrung. Und das unterstütze ich auch mit meinem Bezirksverband."
    Appell an die CSU-Alphamännchen
    Mein Bezirksverband. Auf ihn weist Ilse Aigner in diesen Tagen häufig hin. Die bayerische Wirtschaftsministerin ist nämlich Chefin des CSU-Bezirks Oberbayern - des mächtigsten und einflussreichsten Bezirksverbandes der Partei. Ohne die Unterstützung der Oberbayern hat der Franke Markus Söder bei der nächsten Landtagswahl nicht den Hauch einer Chance auf die absolute Mehrheit.
    "Oberbayern ist mit München der größte Regierungsbezirk, hier lebt ein Drittel der bayerischen Bevölkerung. Und hier ist ganz entscheidend, wie die Liste der CSU abschneiden wird. Und da werde ich Verantwortung tragen."
    Soll heißen: Ilse Aigner ist die Oberbayern-Chefin. Nicht Horst Seehofer, der auch aus Oberbayern kommt. Auch nicht Alexander Dobrindt, der CSU-Landesgruppen-Chef und ebenfalls ein Oberbayer. All diesen starken Männern der CSU macht Ilse Aigner noch am Tag der Söder-Festspiele klar: ohne mich geht nichts. Während Markus Söder seine erste Pressekonferenz als Ministerpräsident in spe abhielt und verkündete, man werde in München nun "neue Wege gehen", gab Ilse Aigner im Landtag zeitgleich nur 20 Meter entfernt TV-Interviews. Sie appellierte an die frisch befreundeten Alphamännchen Seehofer und Söder, sich von nun an zusammenzuraufen:
    "Das ist die Verantwortung von den beiden, das auch zu leben und zu praktizieren. Und das wird mitentscheidend sein."
    Horst Seehofer (Ministerpräsident Bayern und CSU-Vorsitzender) mit Markus Söder (Finanzminister Bayern) im Gespräch auf dem CSU-Parteitag 2015 in München
    Horst Seehofer und Markus Söder sind die Alpha-Männchen in der CSU, von denen Ilse Aigner verlangt, sich zusammenzuraufen (imago / Sven Simon)
    Warum nicht die freundliche Ilse Aigner?
    Nein, Ilse Aigner weigert sich, als Verliererin dazustehen wie Manfred Weber oder Joachim Herrmann, die ebenfalls heiß gehandelt wurden für die Spitzenjobs der Partei. Lieber vermittelt sie das Bild einer Frau, die jene testosterongesteuerten Machtspiele der Parteimänner kopfschüttelnd betrachtet und dann ihre Sacharbeit im Wirtschaftsministerium fortsetzt.
    "Sie hat sich keine neuen Feinde gemacht, sondern ist aufrecht aus dem ganzen Spektakel gegangen", sagt Christian Deutschländer, Landespolitik-Korrespondent des Münchner Merkur. "Ich glaube, Ilse Aigner kann eine zweite Chance bekommen. Und zwar schon perspektivisch im Oktober 2018. Wenn die Landtagswahl für die CSU komplett in die Binsen geht, wenn es 38 Prozent oder sowas sind, dann ist denkbar, dass Horst Seehofer als Vorsitzender die Koalitionsverhandlungen führt – und der Koalitionspartner, der in Frage kommt, sagt: Gern, aber nicht mit Söder! Dann sucht man auf einmal einen neuen Ministerpräsidenten. Warum nicht die verbindliche, freundliche, koalitionserfahrene Ilse Aigner?"
    Die freundliche Frau Aigner ist in vielem das genaue Gegenteil zum ruppigen Herrn Söder. Sie ist Team-Spielerin, er ein Einzelkämpfer. Sie gleicht aus, er greift zu. "Der Ilse fehlt der Machtinstinkt", hat Edmund Stoiber gesagt, die weißgraue Eminenz der CSU. Aigner lächelt – und trinkt noch einen Schluck Sekt.
    Die CSU sei diesmal noch nicht reif gewesen für eine Ministerpräsidentin, hat Aigner neulich in einem Interview gesagt. Dabei hatte Horst Seehofer 2011 in der CSU das "Jahr der Frau" ausgerufen. Sechs Jahre später ist davon nicht viel übrig geblieben.
    "Bei der CSU müssen wir insgesamt noch ein bisserl daran arbeiten, dass wir mehr Mandatsträgerinnen kriegen. Und die auch unterstützen. Das wäre zumindest mein Wunsch."
    Und Markus Söder? Dessen Lager brachte neulich das Amt der Landtagspräsidentin für Ilse Aigner ins Gespräch. Schon wieder so ein kleines Foulspiel, sagt Christian Deutschländer:
    "Sie auf den Posten der Landtagspräsidentin abzuschieben, wäre böse. Das ist ein rein repräsentativer Posten. Wenn man den nicht - wie Barbara Stamm – mit dem Parteiamt kombiniert, ist da nicht viel draus zu machen."
    Guter Ruf als Wirtschaftsministerin
    Aigner selbst kommentiert Personal-Spekulationen nicht. Ihr Umfeld allerdings deutet an, dass die Wirtschaftsministerin ihr Ressort behalten und um wichtige Themenfelder erweitern will. Etwa Infrastruktur und Landesentwicklung. Aigner hat sich im Wirtschaftsministerium einen guten Ruf erarbeitet – und die bayerische Wirtschaft läuft im Rekordtempo. Überhaupt möchte Ilse Aigner am liebsten über Inhalte sprechen, zum Beispiel über Verkehrspolitik:
    "Weil Verkehrspolitik ein Wirtschaftsthema ist. Es hilft ja nichts, wenn ich den schönsten Arbeitsplatz habe, aber ich komme nicht mehr g‘scheit hin und stehe ewig im Stau. Und deshalb sind die anstehenden Entscheidungen – etwa zur zweiten Stammstrecke – gerade für das Münchner Umland eminent wichtig. Das ist ja nicht nur für Münchner wichtig, sondern auch für die, die täglich pendeln müssen. Und da brennt's den Menschen wirklich unter den Nägeln."
    In einer Woche trifft sich die CSU zum Parteitag in Nürnberg. Die 1.000 Delegierten werden Markus Söder feiern und Horst Seehofer mit einem ordentlichen Wahlergebnis als CSU-Chef bestätigen. Ilse Aigner wird die Inszenierung in vorderster Reihe verfolgen. Lächelnd, ohne Groll – aber jederzeit bereit zum Sprung.