Freitag, 29. März 2024

Archiv

Finanzpolitik in Luxemburg
Unter europäischer Beobachtung

EU-Kommissionspräsident Juncker muss sich im EU-Parlament einem Misstrauensvotum stellen. Grund dafür sind Steuervorteile für Großunternehmen in Luxemburg während Junckers Zeit als Finanzminister und Regierungschef. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf Luxemburgs neue Erleichterungen für Vermögende.

Von Tonia Koch | 27.11.2014
    Jean-Claude Juncker im Europaparlament
    Jean-Claude Juncker muss sich im EU-Parlament einem Misstrauensvotum stellen. (AFP / FREDERICK FLORIN)
    Der Misstrauensantrag gegen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werde scheitern, ist der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn überzeugt. Denn die Parteien, die den Antrag eingebracht hätten, darunter vor allem rechte Gruppierungen, hätten anderes im Sinn, als nur Juncker zu stürzen.
    "Das ist ihr Ziel, sie wollen Europa im Kern treffen, um Europa kaputt zu machen."
    Das Parlament werde Juncker und seiner Kommission daher den Rücken stärken und dies mit dem Auftrag verbinden, intransparente Steuerpraktiken in den Mitgliedstaaten der EU zu unterbinden. Luxemburg stehe dabei aber nicht allein am Pranger.
    "Ich glaube, dass intelligente Menschen wissen, dass Luxemburger a) keine Messdiener sind, aber b) nicht die ganze Last dieser Mechanismen auf seinen Schultern tragen können und Drittens, wenn Luxemburg zeigt, dass die Kompetenz unseres Finanzplatzes nicht auf krummen Sachen beruht, und wir nach vorne gehen wollen in der OECD und der EU, dann wird sich das schnell ändern."
    Erleichterungen abschaffen
    Heerscharen findiger Anwälte haben es gemeinsam mit der luxemburgischen Steuerverwaltung vermocht, die gesetzlichen Regelungen über Jahre so auszulegen, dass international tätige Konzerne am Ende lächerlich wenig Steuern zahlten. Tax-Rulings, Steuervorabsprachen, nennt man diese Praktiken bei denen Gewinne, Zinsen, Kredite zwischen weltweit agierenden Tochterfirmen solange hin und her geschoben werden, bis die Steuerlast gegen Null geht. Das soll sich nun ändern, sagt Jean Asselborn.
    "Wenn übertrieben wurde, dann muss man das abschalten."
    Das sei die Regierung im Übrigen auch ihren Bürgern schuldig. Die haben zwar kein Verständnis dafür, dass mit dem Finger nur auf Luxemburg gezeigt wird, aber sie fragen sich zunehmend, worauf ihr Wohlstand fußt.
    "Ich würde es begrüßen, wenn es Regelungen europaweit geben würde, damit nicht immer nur Luxemburg allein dasteht, es gibt ja auch andere Länder, das wissen wir ja, das ist ja kein Geheimnis. Für mich ist klar, dass wir als Luxemburger nicht auf Kosten anderer Leben sollten. Geht es uns vielleicht besser, weil es anderen nicht so gut geht? Diese Frage stelle ich mir, ja."
    Die Veröffentlichungen über die gängigen Steuerpraktiken hätten die Bevölkerung mobilisiert, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im luxemburgischen Parlament, Viviane Loschetter.
    Ruf nach mehr Gerechtigkeit
    "Es gibt in der Gesellschaft einen Ruck, einen Wachkuss, einen Dornröschenwachkuss, die Leute sagen, so nicht."
    Die Luxemburger sind ziemlich unsanft aus ihrem Dornröschenschlaf geholt worden Und für die Dreierkoalition aus Liberalen, Sozialisten und Grünen, die seit einem Jahr im Amt ist, kam der Weckruf eindeutig zu früh. Ein Gesetzentwurf über eine neue Tax-Ruling-Praxis liegt schon seit Monaten auf dem Tisch und soll noch vor Weihnachten verabschiedet werden.
    "Wir waren uns einig alle drei, dass wir Klarheit schaffen mussten, in der Praxis der Rulings und dass wir mit dieser eigenen Dynamik aufräumen mussten."
    Bislang waren Steuervorabsprachen reines Verwaltungshandeln, das sich jeglicher Kontrolle entzog, mit einem gesetzlichen Rahmen soll sich das ändern. Aber die Details fehlen noch. Und die Frage, wie viel Steuerkontrolle verträgt das Land, wird sich erst beantworten lassen, wenn die Luxemburger wissen, welche Effekte ihre Großzügigkeit gegenüber Unternehmen tatsächlich ausgelöst hat, wie viel Arbeitsplätze und wie viel Wachstum dadurch geschaffen wurden.
    Das nächste Instrument ist auf dem Weg
    "Es wurde nie gerechnet in Luxemburg, weil es keinen Anlass gab zu rechnen in Luxemburg."
    Jetzt schon, und zwar unter den Augen einer breiten, einer europäischen Öffentlichkeit. Und dieser dürfte nicht entgangen sein, dass die Luxemburger im Begriff sind, ein neues Finanzinstrument auf die Schiene zu setzen, ein privates Stiftungsmodell. Es richtet sich ganz gezielt an die Vermögenden innerhalb und außerhalb des Landes, die ihr Geld zusammenhalten und vermehren möchten. Die geistigen Väter des Stiftungsgesetzes sind in den Reihen von Junckers Christsozialen, der CSV, zu suchen.
    Das Gesetz hat aber auch starke Befürworter in den Reihen der regierenden Liberalen. Zum Stiftungsgesetz, das Vorbilder in anderen Ländern hat und bald verabschiedet werden soll, wollen sich weder die CSV noch die Liberalen äußern. Die Befürworter ahnen wohl, dass es zum falschen Zeitpunkt kommt und erneut Diskussionen auslösen wird. Und die Grünen, sie hadern mit sich, dem Gesetz und dem Koalitionsvertrag, der sie bindet. Sie handeln nach dem Motto: Augen zu und durch. Viviane Loschetter.
    "Verhindern werden wir es nicht, nein."