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Finanzwissenschaftler
"Die EZB tut tatsächlich alles, um den Euro zu retten"

Es sei leider zu erwarten gewesen, dass das Bundesverfassungsgericht das Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank billige, sagte der Finanzwissenschaftler Aloys Prinz von der Uni Münster im DLF. Damit habe die EZB mehrfach den Euro gerettet, da die Politik dazu nicht in der Lage gewesen sei. Dies gehe allerdings zu Lasten des EZB-Mandats, bedauerte Prinz.

Aloys Prinz im Gespräch mit Rainer Brandes | 21.06.2016
    Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Zweiten Senats und Präsident des Bundesverfassungsgerichts, verkündet das Urteil zu den EZB-Anleihenkäufen.
    Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Zweiten Senats und Präsident des Bundesverfassungsgerichts, verkündet das Urteil zu den EZB-Anleihenkäufen. (dpa-Bildfunk / Uli Deck)
    Rainer Brandes: Einer, der von Anfang an sehr skeptisch gegenüber diesem Programm war, ist Aloys Prinz. Er ist Professor für Finanzwissenschaft an der Uni Münster. Schönen guten Abend!
    Aloys Prinz: Guten Abend!
    Brandes: Herr Prinz, in mehreren Büchern haben Sie die Notenbanken dafür kritisiert, dass sie verschuldete Staaten stützen - auch die EZB. Ich nehme mal an, Sie können nicht zufrieden sein mit dem Richterspruch heute?
    Prinz: Nun, sagen wir mal so: Es war zu erwarten, dass das so ausgeht. Nachdem der Europäische Gerichtshof ja schon vorweg die Vorlage des Bundesverfassungsgerichtes eigentlich abschlägig beurteilt hatte, war zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht keinen Streit mit dem Europäischen Gerichtshof anfängt. Insofern war das Urteil zu erwarten. Leider ist es ein weiterer Schritt in die Richtung, in die man meiner Ansicht nach gehen sollte, nämlich zu einer monetären Staatsfinanzierung über die Zentralbank.
    Brandes: Aber was wäre denn die Alternative gewesen, die Euroländer kaputtspekulieren lassen und die verschuldeten Staaten Pleite gehen lassen?
    Prinz: Nein! Man hätte frühzeitiger dafür sorgen müssen, dass eine so hohe Staatsverschuldung in den entsprechenden Ländern gar nicht erst entsteht beziehungsweise dort, wo die Verschuldung gar nicht so hoch war, wie zum Beispiel in Spanien, das trotzdem in die Krise gerutscht ist, hätte man vorzeitig sehen müssen, dass der Kapitalzufluss anders verwendet wird, als das der Fall war.
    "Politik macht ihre Hausaufgaben immer noch nicht"
    Brandes: Nun hatte man das aber nicht getan und die EZB stand vor einem Problem.
    Prinz: Genau. Die EZB hat durch ihre Politik tatsächlich den Euro gerettet, und zwar mehrfach, wobei die Politik dazu nicht in der Lage war. Das muss man so sagen. Das Zweite ist, dass die Politik immer noch nicht in der Lage ist, scheinbar ihre Hausaufgaben zu machen, was die Staatsverschuldung angeht. Das wiederum bedeutet, dass die EZB auch weiterhin intervenieren muss und die einzige Institution auf europäischer Ebene ist, die das auch kann und auch direkt tut, zu Lasten eigentlich ihres Mandates, dass sie nämlich eigentlich zur Staatsfinanzierung nichts beitragen darf.
    Brandes: Jetzt sagt die EZB und heute ja auch die Verfassungsrichter aber, dieses Ankaufprogramm ist letztlich vom Mandat gedeckt, denn schließlich sorgt ein stabiler Euro für stabile Preise und genau das ist das Ziel der EZB.
    Prinz: Nun, der Euro ist momentan nicht wirklich stabil, wie man ja sehen kann. Der Wechselkurs des Euro gegenüber den wichtigen Währungen ist ja abgewertet, was mit dazu beiträgt, dass die Eurozone sich auseinanderentwickelt. Das heißt, es ist ja gar nicht so, dass die Eurozone insgesamt dadurch stabilisiert wird. Wir sehen ja, dass sie sich auseinanderentwickelt. Vom niedrigen Euro profitieren die Länder, die eh schon stark im Export sind. Die anderen Länder profitieren längst nicht so stark davon. Und zum Zweiten haben wir auch schon wieder gesehen, dass die Anstrengungen der Politik, die nationalen Haushalte in Ordnung zu bringen, wieder zurückgegangen sind. Wenn man sich das in Portugal und Spanien anschaut, ist das wohl so. Italien und Frankreich weisen hier auch nicht allzu gute Daten auf und insofern zeigt sich, dass die Geldpolitik, wie sie ja immer sagt, versucht, Zeit zu kaufen für die Staaten, damit sie das hinbekommen, könnte man auch so akzeptieren zunächst einmal, nur es fehlen die entsprechenden Aktionen auf der nationalen Ebene, dem auch dann nachzukommen.
    Brandes: Aber kann man das der EZB vorwerfen, wenn sie ihren Part ja erfüllt?
    Prinz: Jein, würde ich dazu sagen. Die EZB tut tatsächlich alles, um den Euro zu retten. Das ist zunächst einmal zu akzeptieren, das ist ihre Aufgabe auch. Nur dass jetzt juristisch gesagt wird, dass sie innerhalb ihres Mandates handelt, heißt noch lange nicht, dass sie ökonomisch keine Staatsfinanzierung betreibt. Das muss man einfach sehen. Wenn sie massiv auf dem Sekundärmarkt Staatstitel aufkauft, und zwar in sehr, sehr großen Mengen momentan, übrigens außerhalb des sogenannten OMT-Programms, um das es ja in dem Urteil ging, …
    Brandes: Das sie ja nie angewendet hat letztlich.
    "Richter haben die Konfrontation mit dem Europäischen Gerichtshof gescheut"
    Prinz: …, das sie nie angewendet hat und vermutlich auch nie in dieser Form anwenden wird. Sie hat längst einen Weg gefunden, wie man das anders machen kann, was praktisch zum selben Ergebnis führt, weil das juristisch akzeptiert wird, nämlich dass sie auf dem Sekundärmarkt die entsprechenden Titel kauft und damit natürlich auch enorme Werte in die Bilanz lagert, wobei man dann nur hoffen kann, falls die Konjunkturen und ähnliche Dinge sich wieder stabilisieren, dass sie dann auch wieder in der Lage ist, das Geld, das sie damit geschaffen hat, auch wieder zurückzunehmen.
    Brandes: Die Verfassungsrichter haben heute ja sehr deutlich gesagt, dass sie eigentlich weiterhin sehr skeptisch gegenüber diesem Anleihekauf-Programm sind. Heißt das, dass die Richter wirklich so unabhängig sind, wie wir immer glauben, oder haben sie in diesem Fall nicht einfach dann doch die Konfrontation mit der Politik gescheut?
    Prinz: Ich denke, sie haben in erster Linie die Konfrontation mit dem Europäischen Gerichtshof gescheut, und das kann ich nachvollziehen. Innerhalb des Europarechts ist der EuGH die letzte Instanz und nicht das Bundesverfassungsgericht, und das erkennt das Bundesverfassungsgericht an. Die Skepsis des Verfassungsgerichts gegenüber der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes konnte man, denke ich, schon heraushören. Im Endeffekt hat sich das Verfassungsgericht wahrscheinlich Europa untergeordnet und wollte nicht noch einen weiteren Konfliktherd dort stärken. Europa hat ja momentan mehr als genug Probleme.
    Brandes: Glauben Sie, dass die Politik jetzt aber diesen Warnschuss sozusagen vom Verfassungsgericht verstanden hat und in Zukunft dann doch vorausschauendere Finanzpolitik macht?
    Prinz: Nun, was wir sehen ist, dass auf einigen Ebenen ja eine ganze Menge passiert ist im Euroraum. Wenn man sich anschaut, was in der Bankunion passiert ist, welche Hilfsprogramme es gibt für Staaten, die in Notlagen kommen, das ist alles gut und schön. Aber wir haben ein riesiges Problem und das ist die Souveränität der Entscheidungen der Einzelstaaten über ihre Staatsverschuldung und dort sehe ich nicht, dass wir sehr viel weitergekommen sind. Trotz der institutionellen Veränderungen, die es dort gab, gibt es bisher keinen wirklichen Mechanismus, kein wirkliches Instrument, mit dem man verhindern könnte, dass Staaten sich übermäßig verschulden.
    Brandes: … sagt der Finanzwissenschaftler Aloys Prinz. Wir haben das Gespräch am Abend aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.