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Firmenporträt
Eine runde Sache

Die Welt wird im baden-württembergischen Krauchenwies erschaffen. Zumindest im Kleinen: Dort ist seit 1993 der Sitz der nach eigenen Angaben weltweit ältesten Globus-Manufaktur.

Von Thomas Wagner | 17.01.2014
    Torsten Oestergaard, Geschäftsführer der Columbus GmbH, steht hinter drei Globen.
    Der Herr der Welten: Torsten Oestergaard, Geschäftsführer der Columbus GmbH. (picture alliance - Patrick Seeger)
    "Der eine oder andere bezeichnet mich auch als den 'Herrn der Welten' oder 'Globen-Player' oder der Weltenmacher. Hin und wieder kommt auch eine Schlagzeile: Gott brauchte für die Erschaffung der Welt sieben Tage, Herr Oestergard nur einen."
    Wenn Torsten Oestergard über sein Familienunternehmen spricht, das er bereits in vierter Generation führt, legt sich ein dezentes Schmunzeln auf sein Gesicht. Seine Besucher empfängt er gerne im "Globus-Häusle", dem Ausstellungsraum der Columbus-GmbH, dem nach eigenen Angaben weltweit führenden Globus-Hersteller:
    "Hier ganz im Eck steht der Martin-Beheim-Globus, der so genannte 'Erdapfel'. Mein Großvater hatte damals ein Faksimile anfertigen lassen. Das Original steht im germanischen Museum in Nürnberg. Dieser Globus ist von 1492. Und das Interessante darauf ist, dass die Kontinente Nordamerika und Südamerika noch gar nicht vorhanden sind."
    Ganz im Gegensatz zu jenen Globen, die in den riesigen Hallen gegenüber dem stillgelegten Bahnhof der baden-württembergischen Gemeinde Krauchenwies entstehen. Eine riesige Druckmaschine speit unermüdlich Folien mit kreisrunden Aufdrucken aus, die beim näheren Hinsehen ein eigenartig verzerrtes Abbild der Erdoberfläche ergeben:
    "Jetzt haben wir hier einmal die Nordhalbkugel und die Südhalbkugel. Ich darf ja noch behaupten, die Erde sei eine Scheibe, da ich im Flachdrucke hier alles drucke. Und erst, wenn alles tiefgezogen wird, die Kontinente ihre richtige Form erhalten."
    Tatsächlich: Im ersten Arbeitsschritt zieht Druckereimeister Michael Hascher, einer der 60 Columbus-Mitarbeiter, die scheibenförmigen Abbilder der Erdoberfläche, ausgedruckt auf einer Kunststofffolie, aus der Maschine. Erst durch das sogenannte Tiefziehen, wenn die kreisrunden Folien jeweils am Nord- und am Südpol nach unten gezogen werden, entstehen aus den scheibenförmigen Flächen Halbkugeln mit dem aufgedruckten Kartenmaterial.
    Zwei solcher Halbkugeln ergeben, wenn sie erst einmal zusammengefügt sind, jeweils einen Globus. Zwar prägen moderne Produktionsroboter das Bild in den Hallen der Columbus GmbH. In manchen Abschnitten halten Mitarbeiter aber sorgfältig Kugeln in die Höhe, als ob sie ein rohes Ei in der Hand hätten: Dort entstehen, wenn man so will, 'Globen de luxe', erklärt Firmenchef Torsten Oestergaard:
    "Weg von der maschinellen Technik, kommen hier jetzt in die Handkaschierung. Das heißt: Hier sind wir dort, wo jeder einzelne Globus in liebevoller Handarbeit zusammengebaut wird, auf mundgeblasene Kristallglas-Kugeln. Und darauf werden die einzelnen Segmente aufkaschiert, jeweils zwölf Segmente für eine Kugel."
    Und das ist das Erfolgsrezept der Columbus-GmbH in Krauchenwies: Das Sortiment umfasst Kindergloben zu 39 Euro pro Stück bis hin zu jenen kostbaren Dekorationsstücken mit Durchmessern von bis zu einem halben Meter, die in edlen, vergoldeten Gestellen die Wohnzimmer so mancher gut betuchten Zeitgenossen zieren. Kostenpunkt: um die 13000 Euro. Rund 10000 Globen pro Monat verlassen die Werkhallen in Krauchenwies, werden in alle Welt ausgeliefert. Dabei macht die Globus-Entwicklung auch nicht halt vor der digitalen Welt.
    "Ja ich habe hier ein Audio, ein Think-Stift in der Hand. Und wenn ich diesen Think-Stift anmache, dann ertönt dieses Signal. Und dann brauche ich mich damit nur der Oberfläche des Globus nähern. Und schon bekomme ich Informationen: "China hat eine Fläche von 9 472 519 Quadratkilometern, in welcher 1,2 Milliarden Menschen leben."
    Darüber hinaus glaubt Columbus-Chef Torsten Oestergaard mit der Entwicklung einer eigenen Globus-App für I-Phones das Ei des Columbus gefunden zu haben.
    "Wenn man sich diese App runterlädt, dann kann man sich mit seinem iPhone und seinem iPad über die Globusoberfläche bewegen. Und dann kann man verschiedene Themen anwählen wie zum Beispiel das Wetter, der Blick ins Erdinnere oder die Sehenswürdigkeiten. Und die erscheinen dann auf dieser Globus-Oberfläche – je nachdem, wo man sich gerade befindet."
    Trotz aller digitalen Technologie: Im Mittelpunkt steht nach wie vor der Globus als dekoratives Abbild der Erdhalbkugel. Und je mehr Informationen aus der digitalen Welt auf die Gesellschaft einströmen, desto höher die Nachfrage nach den Globen aus Krauchenwies.
    "Es ist so, dass die Welt gerade durch diese Medien ins Wohnzimmer kommt. Wenn Sie heute Fernsehen schauen oder durchs Internet betrachten, haben Sie immer Informationen aus aller Welt. Und gerade da gehört natürlich ein Globus ins Wohnzimmer hinein. Das ist die eine, die informative Aufgabe. Und das andere ist natürlich auch die dekorative Aufgabe: So ein Globus strahlt natürlich auch aus. Der lädt Sie ein, Weltreisen zu machen oder neue Länder zu entdecken. Und ich garantiere Ihnen: Wenn Sie einen Globus zu Hause haben, und es kommen Freunde zu Besuch: Das erste, wo Sie hinlaufen, ist an den Globus!"
    Und so spricht Torsten Oestergaard von steigenden Absatzzahlen, obwohl das Unternehmen über Umsatz und Gewinn keine Angaben macht. Im Jahre 1913 in Berlin gegründet, führt Oestergaard das Familienunternehmen bereits in der vierten Generation. Allerdings: In der Unternehmensgeschichte lief es in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer rund.:
    "Ja in der Tat, die deutsche Einheit, worüber sich die Familie Oestergaard sehr gefreut hat, 1989, hatte natürlich die Situation hervorgerufen, dass unsere Globen von einem zum anderen Tag keine Gültigkeit mehr hatten. Denn in unserem politischen Kartenbild war überall das Kürzel DDR vorhanden. Das heißt: Alle unsere Kunden haben ihre Bestellungen storniert, haben die Lagerware eingepackt, zurückgeschickt und haben gesagt: Ihr könnt uns wieder Globen schicken, wenn ihr aktuelle Ware habt. Und am Ende war's dann so, dass die Umsatzzahlen drastisch eingebrochen sind und wir einen neuen Standort suchen mussten. Und den haben wir seit 1993 in Krauchenwies gefunden und führen uns sehr wohl."
    Zumal sich seit Ende der 90er-Jahre, nach den Konflikten auf dem Balkan, nationale Grenzen nicht mehr allzu häufig verschoben haben. Das ist gut fürs Globus-Geschäft. Und dass das kleine Örtchen Krauchenwies irgendwo im Süden Baden-Württembergs so gut wie nie auf den Columbus-Globen auftaucht, hat der Bekanntheit des Familienunternehmens in aller Welt nicht geschadet.
    "Also hier stehen wir gerade im Versand. Wir verpacken jetzt gerade die letzten Globen für eine Sendung nach Moskau, zu unserem Kunden Itar-Tass. Das ist die nationale Presseagentur dort. Und nun ist es so, dass dieser Globus für alle Büros weltweit einen blauen Saphir hat, eingesetzt – und für Moskau einen Rubin!"
    Und damit wird dieser Globus aus Baden-Württemberg, so viel steht jetzt schon fest, in den Augen der russischen Itar-Tass-Mitarbeiter ein wahres Juwel sein.