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Fischbestände in der Ostsee
Die Rückkehr des Dorsches

Lange Zeit waren die Bestände des Dorsches in der Ostsee rückläufig. Doch jetzt scheinen sie sich deutlich zu erholen. Die genaue Ursache dafür ist noch ungewiss - aber Fachleute haben verschiedene plausible Erklärungen parat.

Von Lutz Reidt | 10.07.2017
    Hobbyangler Jens Thamm mit stolzen Dorsch-Fängen in der Gegend vor Wismar.
    Über mehrere Jahre konnten die Ostseefischer ihre Dorschquoten nicht erfüllen - das könnte sich bald ändern. (Deutschlandradio / Silke Hasselmann)
    Alles läuft nach Plan, Roberto Brandt ist zufrieden. Im Morgengrauen ist der Strandfischer von Baabe auf seinem knapp sieben Meter langen Boot raus auf die Ostsee getuckert und hat in Sichtweite der Ostküste von Rügen seine Stellnetze ausgebracht. Jetzt steht er entspannt am Strand von Baabe und schaut über sein blau gestrichenes Boot, hinaus auf die spiegelglatte Ostsee. Rote Positionsmarken am Horizont zeigen ihm, wo seine Stellnetze auf dem Meeresgrund stehen.
    Steinbutt will er fangen, vielleicht auch etwas Dorsch. Aber das ist ungewiss. Dem Dorsch in der Ostsee geht es zurzeit noch schlecht. Und das merken auch die Fischer in ihrer Genossenschaft, der ZAG:
    "Wir sind ja hier zusammengeschlossen in der ZAG Rügenfang. Und die ZAG Rügenfang, die hat schon bestimmt sieben oder acht Jahre lang ihre Dorschquote nicht erfüllt - weil eben kein Dorsch da war."
    Die "Nachwuchsprobleme" des Dorsches
    Ursache dafür waren massive Nachwuchsprobleme, die über Jahre hinweg den Bestand des Dorsches in der westlichen Ostsee, also westlich von Bornholm, schrumpfen ließen.
    Der Fischereibiologe Christopher Zimmermann vom Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock sieht aber jetzt ein Licht am Ende des Tunnels:
    "Nun, in diesem Jahr stellen wir fest, dass ... wunderbarerweise der 2016er Jahrgang weit überdurchschnittlich ist. Die Erholung dieses Bestandes kann viel schneller erfolgen, aufgrund dieses einen starken Jahrgangs; und wenn alles wirklich gut geht, dann kann der Bestand 2019 zum Jahresanfang wieder im grünen Bereich sein."
    Verlängerung der Laichschonzeit
    Den letzten vergleichbar starken Dorsch-Jahrgang gab es laut Statistik im Jahr 2003. Die Gründe dafür, warum sich in der westlichen Ostsee auf einmal der stärkste Jahrgang seit mehr als zehn Jahren entwickelt, können die Fischereibiologen noch nicht eindeutig benennen. Christopher Zimmermann hat aber eine schlüssige Erklärung parat:
    "2016 wurde die Laichschonzeit um 50 Prozent verlängert und nach vorn gezogen, sodass von Mitte Februar bis Ende März keine Fischerei stattfindet. Das könnte einen positiven Effekt gehabt haben, aber es ist natürlich nur ein einziger Datenpunkt. Wenn es nun drei, vier weitere starke Jahrgänge gibt, jetzt, wo die Laichschonzeit an der richtigen Zeit liegt, dann wäre das ein starker Hinweis darauf, dass das tatsächlich was bringt."
    Aber auch bestimmte Bereiche in der Ostsee scheinen den Fischbeständen zu nützen, obwohl sie überhaupt nicht zu ihrem Schutz eingerichtet worden sind. Das gilt vor allem für die unter Naturschützern hoch umstrittenen Offshore-Windparks, die für die Fischerei vollständig geschlossen sind.
    Offshore-Windparks als Rückzugsgebiete
    Ein Beispiel nennt Günter Grothe, Vorsitzender des Landesverbandes der Kutter- und Küstenfischer Mecklenburg-Vorpommern in Saßnitz:
    "Das war mit Baltic 1, in dem Windmühlengebiet: Man stellte dort fest, dass überraschend viel Fisch da drinnen ist. Warum wohl? Der Fisch hat ja auch Kopf und Schwanz; und es reichte aus, um letztlich da ein Rückzugsgebiet zu haben."
    Baltic 1 ist ein 700 Hektar großer Windpark, wenige Kilometer vor der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst.
    Erhöhung der Fangquoten in Sicht
    Die Forscher um Christopher Zimmermann haben bei ihren Forschungsfahrten auf der Ostsee auch feststellen können, dass die Jungdorsche aus dem 2016er Jahrgang offenbar extrem schnell gewachsen sind. 22 bis 27 Zentimeter Länge - für gut einjährige Dorsche sei das ungewöhnlich. Als fangreif gelten Dorsche ab 35 Zentimeter Länge:
    "Wir müssen nun sehen, wie viele von diesen Tieren tatsächlich erwachsen werden und in der Fischerei auftauchen; eine Verdopplung der Quoten für 2019 erscheint möglich. Wichtig ist aber: für 2018 noch nicht. Also für das, was wir jetzt empfehlen und vorhersagen, da ist nach wie vor nur der 2014er und 2015er Jahrgang befischbar; der 14er ist fast ausgefischt, der 15er Jahrgang sehr, sehr schwach."
    Zwei Jahre müssen Fischfreunde also noch warten, dann zappeln wieder mehr Dorsche in den Netzen. Darüber würden sich auch die Fischer auf Rügen freuen. Schließlich dürften dann wohl auch die Fangquoten deutlich erhöht werden, mindestens wieder verdoppelt werden. Abnehmer für den Dorsch finden sich immer, bekräftigt Strandfischer Roberto Brandt:
    "Das ist für mich kein Problem. Wenn ich eine Tonne habe und später dann mal wieder drei oder vier Tonnen, das kriege ich hier spielend abgesetzt. Das ist kein Problem."