Freitag, 19. April 2024

Archiv

Fischerei
Ist der Bodensee zu sauber?

Der Bodensee gilt nicht nur als größter Trinkwasserspeicher Europas, sondern auch als einer der saubersten Binnenseen. Teure Kläranlagen tragen dazu bei, dass das Wasser so sauber ist wie seit 100 Jahren nicht. Doch die Berufsfischer klagen über drastische Fangrückgänge - und es gibt schon einen Lösungsvorschlag.

Von Thomas Wagner | 21.10.2016
    Ein Segelboot fährt am 11.10.2013 vor Meersburg (Baden-Württemberg) kurz vor Sonnenuntergang auf dem Bodensee, während im Hintergrund die Schweizer Alpen zu sehen sind.
    Bodensee: im Hintergrund die Schweizer Alpen (picture alliance / dpa / Felix Kästle)
    Der Bodensee: Nie war er so sauber wie heute. Peter Hauk, baden-württembergischer Landwirtschaftsminister:
    "Wir haben einen Erfolg der Gewässerreinhaltung. Das muss man mal einfach sagen: Wir haben vor 40 Jahren mit Gewässerschutz begonnen und ernten jetzt die Früchte einer erfolgreichen Gewässerschutzpolitik."
    Der Bodensee: Selten zuvor wurden so wenige Fische gefangen wie derzeit. Martin Meichle, Vorsitzender der Badischen Berufsfischer:
    "Innerhalb der letzten zehn Jahre sind die Fangerträge am Bodensee um die 1000 Tonnen auf 250 Tonnen Fisch abgesackt. Das hat damit zu tun, dass der Nährstoffgehalt immer mehr herausgefiltert wird und die Fische dadurch keine Nahrung mehr finden."
    Bedeutet konkret: Des Politikers Freud ist des Fischers Leid. Noch in den 70er-Jahren wurden im Bodensee bis zu 90 Milligramm pro Kubikmeter Wasser gemessen. Heute, nach milliardenschweren Investitionen in den Kläranlagenbau, liegt der Phosphatgehalt bei weniger als einem Zehntel davon. Folge: Nährstoffmangel für die Kleinalgen, die als Nahrungsgrundlage für die Fische gelten und damit Fangerträge, die so niedrig sind wie seit 100 Jahren nicht mehr. Die Berufsfischer fordern daher, so Martin Meichle, schon seit geraumer Zeit,
    "... dass man den Nährstoffgehalt, den Phosphatgehalt wieder leicht anhebt, auf einen Wert zwischen zehn und 15 Milligramm pro Kubikmeter Wasser."
    Im Klartext bedeutet das: Ein ganz klein wenig schmutziger soll der Bodensee wieder werden, damit die Fische endlich wieder etwas mehr Nahrung zwischen die Kiemen bekommen. Dass allerdings ist politisch nicht einmal ansatzweise durchsetzbar, betont der baden-württembergische CDU-Agrarminister Peter Hauk:
    "Es gibt unterschiedliche Vorschläge. Es gibt Vorschläge: So, und jetzt schmeißen wir ein bisschen Phosphor rein. Andere sagen: Jetzt ist Schluss mit der Reinhaltung. Davon halte ich eigentlich wenig. Denn ein natürliches Gewässer ist ein natürliches Gewässer."
    Für die Berufsfischer ein unbefriedigender Zustand, weil damit der Nährstoffgehalt und damit die Fangerträge weiter zurückgehen. Ihr stetiges Klagen darüber findet nun auch bei der grün-schwarzen Landesregierung in Baden-Württemberg Gehör. Die hat einen neuen Lösungsvorschlag in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Agrarminister Peter Hauk:
    "Wir haben in der Koalitionsvereinbarung niedergeschrieben, dass wir auch das Prinzip der Aquakulturen verstärkt prüfen müssen. Aquakulturen ist keine Erfindung in Baden-Württemberg. Die gibt es in anderen Teilen der Welt, auch in Fischfangnationen wie in Norwegen. Der Lachs ist bekannt dafür, dass er in Aquakulturen gehalten wird."
    Aquakulturen sind umstritten
    Und was in Norwegen funktioniere, könne sich auch am Bodensee bewähren, glaubt Agrarminister Peter Hauk. Aquakulturen – das sind mit Netzen abgetrennte Bereiche in Ufernähe des Bodensees, in denen die Fische gezüchtet werden, erklärt Martin Meichle aus Hagnau, Vorsitzender der Badischen Berufsfischer:
    "Am praktischsten und sinnvollsten wären Netzgehege im See, so ähnlich wie Lachsgehege. Die sind dann zwischen 50 und 100 Meter im Durchmesser und bis zu 50 Meter tief, diese Netzgehege. Da können die Fische frei drin rumschwimmen, können ihr Schwarmverhalten ausleben. Da sind denn Futterautomaten, Futterspender da, dass die Fische sich ihre Nahrung holen können."
    Klingt plausibel, stößt aber bei den Berufsfischern nicht auf uneingeschränkte Begeisterung:
    "Es gibt sicher unterschiedliche Stimmen. Weil Voraussetzung dafür, dass man sich beteiligen kann, ist, dass man eine Genossenschaft bildet. Und viele sagen: Ich bin in dem Alter, ich habe keinen Betriebsnachfolger, ich mache da nicht mehr mit."
    Ein ernstzunehmender Einwand, findet Martin Meichle, der allerdings selbst der Idee mit den Aquakulturen etwas Gutes abgewinnen kann:
    "So junge Fischer wie ich, wir brauchen eine Alternative. Weil zwei, drei so schlechte Jahre wie 2015, dann gibt es weniger Fischer. Durch diese Aquakultur wäre eben eine Sicherheit da, dass eine gewisse Grundsicherung an Felchen produziert wird. Warum sollte das nicht funktionieren?"
    Ob und wann das funktioniert, steht aber noch in den Sternen. Denn: Fischereifragen am Bodensee müssen von allen Bodensee-Anrainerstaaten einvernehmlich geregelt werden. Und dazu gehören neben Baden-Württemberg auch Bayern, Österreich sowie die Schweiz. Dort aber herrscht noch einiges an Skepsis gegenüber der Idee mit den Aquakulturen. Und so wird es wohl noch Jahre dauern, bis möglicherweise die ersten Zuchtfische aus dem Bodensee auf den Teller kommen.