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Fiskalpakt für Katalonien

Katalonien steht mit 42 Milliarden Euro vor dem höchsten Schuldenberg aller spanischen Regionen. Dabei war es lange der wirtschaftliche Motor des ganzen Landes. Schuld seien die Transferleistungen in die schwächeren Regionen, behauptet der katalanische Präsident Artur Más im Vorfeld der Verhandlungen mit Ministerpräsident Mariano Rajoy über einen neuen Fiskalpakt.

Von Julia Macher | 20.09.2012
    Die Ziffern auf dem Handydisplay rasen. Ein Klick auf den Bildschirm. Und die Zähluhr stoppt, bei 11 Milliarden 722 Millionen: Auf so viel Geld musste Katalonien im laufenden Jahr bis dato zugunsten der anderen spanischen Regionen verzichten. Die Applikation, die jeder auf sein Handy laden kann, hat die der Regionalregierung nahestehende Stiftung CatDem entwickelt. Sie soll illustrieren, wie Spanien Katalonien - so wörtlich - "ausplündert". 16 Milliarden Euro fließen pro Jahr in strukturschwächere Regionen wie zum Beispiel Extremadura; Katalonien selbst, innerhalb Spaniens beim Einkommen auf Platz drei rutscht aber durch den Finanzausgleich auf Platz acht. Der Fiskalpakt soll Abhilfe schaffen.

    "Wir wollen den Schlüssel zur Kasse, also hier die Steuern eintreiben, Spanien für die Dienstleistungen, die es uns noch liefert, bezahlen und eine Solidaritätsquote beisteuern. Wir wollen das System, das das Baskenland bereits hat","

    sagt Mónica Sabata von der Stiftung CatDem.

    ""Wenn die Zentralregierung das richtig verstehen würde, wäre das doch auch ein Gewinn für Gesamtspanien - weil wir weiterhin die strukurschwächeren Regionen unterstützen würden. Scheitert der Fiskalpakt, weiß niemand, was passiert. Langfristig könnte Spanien 21 Prozent seines Bruttosozialprodukts verlieren."

    21 Prozent, so viel trägt die wirtschaftsstarke Region zum spanischen Bruttosozialprodukt bei. Das Szenario, auf das Sabata anspielt, ist das eines unabhängigen Kataloniens.

    Auch wenn die politischen Chancen für die Eigenständigkeit mittelfristig gering sind, ist der Druck dennoch gestiegen. Die Tatsache, dass am katalanischen Nationalfeiertag in Barcelona anderthalb Millionen Menschen für einen "neuen Staat innerhalb Europas" demonstrierten, hat die Politik unter Zugzwang gesetzt, zuvorderst die katalanische. Ministerpräsident Artur Más beeilte sich zu versichern, dass er die Steuerhoheit lediglich als ersten Schritt für eine politische Souveränität betrachte. Eine klare Konzession an die katalanische Unabhängigkeitsbewegung, die den Fiskalpakt ohnehin nur als finanzpatriotisches Manöver ohne reale Chancen betrachtet. Andreu Porta, Sprecher der Unabhängigkeitsbewegung Assamblea Nacional Catalana, die die Großdemonstration mitorganisiert hat, blickt Mas' Besuch in Madrid skeptisch entgegen.

    "Ich verstehe, dass der Präsident eine bestimmte Marschroute und einen Auftrag des Parlaments hat. Aber er hat auch uns gesagt, dass Katalonien staatliche Strukturen braucht - und diese Äußerungen interpretiere ich als ersten Schritt zu einem unabhängigen Staat. Wenn er bei föderalistischen Lösungen bleibt, dann wäre das ein Verrat. Die Leute möchten keinen Föderalismus, sondern einen eigenen Staat."

    Auch in Madrid reagiert man inzwischen auf die schärferen Töne aus Katalonien. Per Internet-Blog schaltete sich König Juan Carlos in die Debatte ein und rief zur Einheit auf. Ministerpräsident Mariano Rajoy hat sich bisher von den katalanischen Drohgebärden nicht beeindrucken lassen und die Steuerhoheit für Katalonien ausgeschlossen. Zunächst. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, wenn er in letzter Minute doch noch zurückrudert.