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Flagschiff wechselt den Reeder

Die Probleme des Zeitungsgewerbes führen zu überraschenden Volten. US-Journalisten bewerten den Verkauf der "Washington Post" positiv, denn so habe das seit sieben Jahre defizitäre Blatt eine Chance. Einzelpersonen hätten oft eine Vision und seien nicht auf schnellen Profit aus.

Von Gunnar Schultz-Burkel | 10.08.2013
    "Klar war das ein Schock",

    meint die Washington Post-Redakteurin Mary Jordan,

    "aber auf der anderen Seite ist es auch aufregend, dass ein Mann, der Amazon aus dem Nichts aufbaute, unsere Branche retten will. Es ist ja kein Geheimnis, dass das Zeitungsgewerbe schon lange riesige Probleme hat."

    Und wie. Das machte auch Donald Graham klar, Vorstandsvorsitzender des Washington Post Medienkonzerns. Er fädelte den Deal mit Jeff Bezos erst vor wenigen Wochen ein.

    "2013 ist das siebte Jahr in Folge, dass die Zeitung Verlust macht. Wir hatten schon viel verändert, um das Blatt moderner zu machen. Meine Familie wusste, dass wir die "Post" am Leben erhalten könnten, aber wir wollten mehr."

    Es sollte jemand sein, der ein Zukunftskonzept für die Post hat. Und das war Bezos. Für die Grahamfamilie, die die Zeitung seit vier Generationen besaß, war es wichtig, dass nicht ein Unternehmen - in diesem Fall Amazon - sondern eine Einzelperson das Blatt kauft.

    "Eine Firma könnte nur auf den kurzfristigen Gewinn für die Aktionäre gucken",

    meint Tom Rosenstiel vom American Press Institute.

    "Einzelpersonen, die ihr eigenes Geld in ein Projekt pumpen, haben meistens eine Vision und sind nicht unbedingt auf schnellen Profit aus."

    Bezos ist ja nicht allein. John Henry, Eigentümer des Baseballvereins "Boston Red Sox", kaufte gerade dem New York Times Verlag die renommierte Zeitung "Boston Globe" ab. Erin Kuschner, ein weiterer Internetmogul, besitzt das Blatt "Orange County Register" in Kalifornien.

    Euphorie also allerorten. Aber kaum jemand - vermutlich nicht mal Bezos - weiß, wie man aus der Post ein Medium machen kann, das nicht nur journalistisch top bleibt, sondern auch Gewinn einfährt. Sie ist ja nicht nur eine Lokalzeitung, sondern auch ein überregionales Blatt, das Leser außerhalb Washingtons vor allem über das politische Geschehen in der Hauptstadt informiert. Keine andere Zeitung hat mehr Reporter auf den Präsidenten und das Parlament angesetzt, als die Post. Aber wie die meisten anderen Redaktionen - von ABC TV bis zur New York Times - hat man im Laufe der letzten Jahre die investigativen Ressorts verkleinert oder ganz geschlossen. Der Grund: Recherchen dauern lange, die Ergebnisse sind nicht sofort zu sehen und die Kosten für so eine Abteilung sind hoch.
    Der ehemalige "Washington Post"- Reporter Carl Bernstein, der zusammen mit Bob Woodward die Watergateaffäre aufdeckte hofft, dass ein Mann wie Bezos den investigativen Journalismus kräftig unterstützt.

    "Wir brauchen jemanden, der genug Geld hat, um eine Zeitung im Internetzeitalter voranzubringen und guten Journalismus finanziert. Denn guter Journalismus ist rar geworden. Es gibt so viele gute Geschichten, die nicht erzählt werden. Weder von der "Washington Post", noch von der New York Times."

    Sein Ex-Kollege Woodward, der immer noch Starreporter der "Post" ist, hat zwar auch noch keine Ahnung, wie sich das Blatt ändern wird, aber auch er ist positiv gestimmt.

    "Jeder in unserem Gewerbe weiß doch inzwischen, dass nicht mehr genug nachgebohrt wird und Bezos wird den investigativen Journalismus wieder beleben."

    Ob die "Post" in den nächsten Jahren immer noch zweigleisig - sprich als Papier und digital - gelesen, oder nur noch übers Internet angeboten wird, mag niemand vorhersagen. Das Onlinemagazin "Huffington Post", das gerade mit dem Focusmagazin in München eine Kooperation eingegangen ist, könnte ein Vorbild sein, mein Howard Fineman. Er ist Autor der "Huffington Post".

    "Wir haben keine Druckereien und wir haben keine LKW, um eine Zeitung an die Kioske zu bringen, dadurch werden Kosten rapide reduziert. Bezos wird sich wohl an uns orientieren. Nachrichten sind keine Einbahnstraße mehr. Wenn die Post und die New York Times eine Geschichte drucken, dann ist das bereits das Ende. Wenn wir eine Story bringen, dann ist das der Beginn einer Diskussion. Es gibt sofort Reaktionen, Blogs und so weiter. Und eines kann Bezos, dank Amazon: Der weiß, wie man Kunden erreicht."