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Fliegende Zitteraale
Pferd fängt Fisch – oder andersherum?

Vor gut 150 Jahren Alexander beobachtete Alexander von Humboldt, dass sich Zitteraale auch mit lebendigen Pferden fangen lassen. Zitteraale lähmen ihre Beute mit schmerzhaften Stromstößen. Eine aktuelle Studie liefert nun neue Anhaltspunkte dafür, dass Humboldts Geschichte tatsächlich so geschehen sein könnte.

Von Tomma Schröder | 08.06.2016
    Nahaufnahme von einem Zitteraal. Er hat einen langen wulstigen Körper mit unzähligen kleinen Mulden. Zitteraale werden bis zu 2,3 Meter lang.
    Zitteraale (Electrophorus electricus) können bis zu 2,3 Meter lang werden. (imago stock&people)
    "Wie viele andere Forscher zu der Zeit auch, wollte Alexander von Humboldt Zitteraale fangen, um mehr über Elektrizität zu lernen. Er begegnete damals einigen Fischern, die behaupteten, sie könnten Zitteraale mit Pferden fangen. Das irritierte ihn und seine Begleiter ziemlich, und sie wussten nicht, was damit gemeint war. Aber eine Weile später kamen die Fischer mit ungefähr dreißig Pferden und Maultieren zurück und scheuchten sie in einen flachen Tümpel, in dem sich Zitteraale befanden."
    Sagt Kenneth Catania von der Vanderbilt University in Nashville. Humbolt beschreibt das Ganze so:
    "Der ungewohnte Lärm vom Stampfen der Rosse treibt die Fische aus dem Schlamm hervor und reizt sie zum Angriff. Die schwärzlich und gelbgefärbten Aale drängen sich unter den Bauch der Pferde Die Aale verteidigen sich durch wiederholte Entladung ihrer elektrischen Batterien. Mehrere Pferde erliegen den unsichtbaren Schlägen. Ganz allmählich nimmt die Hitze des ungleichen Kampfes ab. Die Zitteraale kamen scheu ans Ufer des Teichs geschwommen, und hier fing man sie. "
    Was er in seinem Buch "Reise in die Äquinoktialgegenden des Neuen Kontinents" schreibt, klingt, als wäre ihm die Hitze am Amazonas zu Kopfe gestiegen. Zitteraale, die aus dem Wasser schießen, große Pferde angreifen und töten, anstatt das Weite zu suchen? Auch Kenneth Catania von der Vanderbilt University in Nashville war skeptisch bis er eine zufällige Beobachtung machte:
    "Ich habe für ganz andere Experimente ein Netz mit einem Rahmen und Griff aus Metall verwendet. Und ich sah, wie die Zitteraale sich sofort zum Netz wendeten, an diesem Griff emporschossen und dabei starke Stromstöße abgaben.
    Es dauerte ein Weile, bis Kenneth Catania verstand, warum sich die Fische so merkwürdig verhielten: Ähnlich wie die kleinen Versuchsbecken bieten ihnen die flachen Tümpel, in denen sie während der Trockenzeit oft leben, wenig Schutz vor hungrigen Krokodilen oder anderen Raubtieren. Die geringe Elektrizität, die sie ins Wasser abgeben, wird potentielle Fressfeinde kaum abschrecken können. Wenn sie aber emporschnellen und ihren Kopf direkt auf den Angreifer richten, verteilt sich der Strom nicht im Wasser, sondern fließt direkt durch den Körper des Angreifers zurück ins Wasser und wird dadurch ungleich stärker:
    "Normalerweise würde der Strom durch das Wasser vom Kopf bis zum Schwanz fließen. Aber wenn der Zitteraal ein bisschen aus dem Wasser kommt, wird der Widerstand größer. Und er wird immer größer, je weiter der Zitteraal aus dem Wasser kommt. Und das ermöglicht es dem Zitteraal, eine höhere Spannung direkt auf das Ziel zu richten."
    Dass das Ziel in diesem Fall kein hungriges Krokodil war, sondern ein schlichter Metallrahmen, liegt daran, dass die Zitteraale die Umgebung mit Hilfe ihrer elektrischen Sinnesorgane wahrnehmen. Sie gehen davon aus, dass ein großer leitfähiger Gegenstand ein potentieller Feind sein muss und versuchen, diesen zu vertreiben. Eine Strategie, die sehr gut aufgeht, wie Kenneth Catania aus einigen schmerzhaften Begegnungen mit den Tieren weiß:
    "Es ist eine sehr gute Abschreckung! Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Das ist ähnlich wie bei einem elektrischen Zaun. Das möchte man sicher nicht wiederholen!"