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Flucht aus der Eurokrise

Ob Post oder Telekom, schon viele hochfliegende Pläne deutscher Unternehmen für Amerika sind gescheitert. In letzter Zeit aber zieht es deutsche Dax Konzerne wieder häufiger gen USA. Ob SAP oder Linde, um US-Firmen zu übernehmen oder neue Standorte aufzubauen, werden Milliardensummen in die Hand genommen.

Von Heike Wipperfürth | 06.07.2012
    Für Experten wie Adam Emmerich, für Fusionen zuständiger Partner bei Wachtel, Lipton, Rosen & Katz, einer Rechtsanwaltskanzlei in Manhattan, signalisieren solche Milliarden-Summen eine Flucht der Konzerne aus der Eurokrise:

    "Ich kann mir gut vorstellen, dass sich deutsche Firmen derart große Sorgen über die Zukunft der Eurozone und Investitionen in schwache Mitgliedsstaaten machen, dass eine Ausweitung Richtung USA durchaus von Vorteil für sie wäre."

    Einen Nutzen versprechen sich die Konzerne aber nicht nur von einer Diversifikation ihrer Engagements. Gelockt werden sie auch von niedrigen Energiepreisen, günstigen Personalkosten, hoch qualifizierten Forschern, neuen Technologien und - nicht zuletzt - von guten Absatzchancen in den USA. Dabei sind Übernahmen und Fusionen in der Vergangenheit oft misslungen.

    Erst kürzlich hat der Kosmetikkonzern Coty sein Ziel verfehlt. Sein Übernahmeangebot platzte, weil dem US-Kosmetikkonzern Avon der Preis zu niedrig war – Avon ließ die letzte Frist nach einem erhöhten Angebot verstreichen. Und auch der Verkauf der US Tochter der Telekom sowie die Megafusion zwischen der Deutschen Börse und der New York Stock Exchange sind gescheitert. Adam Emmerich:

    "Wir waren an beiden Transaktionen beteiligt. Sie sind aus kartellrechtlichen Gründen fehlgeschlagen. Der Mobilfunkdeal der Telekom wurde in den USA abgelehnt. Die Fusion der Deutschen Börse mit der NYSE wurde in Europa abgewiesen, nachdem die USA ihr schon zugestimmt hatten."

    Doch Emmerich warnt davor, vom Scheitern dieser Vorhaben auf das Fehlschlagen neuer Investitionen zu schließen. Es gäbe schließlich auch vorzeigbare Erfolge. Der Bau neuer Fabriken deutscher Autobauer in den Südstaaten beispielsweise. Volkswagen hat voriges Jahr ein neues Werk in Tennessee eröffnet und verkauft in diesem Jahr in den USA so viele Autos wie schon lange nicht mehr.

    In Zukunft sind weitere Investitionen deutscher Firmen in den USA zu erwarten. Laut Presseberichten prüft Volkswagen derzeit einen Einstieg beim US Lastwagenbauer Navistar - der Autobauer müsste sich im Ernstfall gegen Rivalen wie Fiat durchsetzen.

    Hinzu kommt, dass immer mehr US Staaten um die Gunst deutscher Investoren werben. Jan Brewer, die Gouverneurin von Arizona, flog kürzlich nach Berlin und München, um sich mit deutschen Firmen-Chefs zu treffen und sie nach Arizona zu locken.