Aus den Feuilletons

Viel Geld und heiße Rhythmen

Die schwedische Popgruppe Abba im Jahr 1978 bei einem Auftritt in der deutschen Fernsehshow "Am laufenden Band".
Abba im Jahr 1978 © dpa
Von Ulrike Timm · 27.04.2018
Geld und Musik regieren an diesem Sonnabend die Feuilletons. Da geht es um Marx, um eine reichlich hohe Teilnahmegebühr für ein Galeristentreffen und passend dazu auch um ABBA. Denn: "The Winner Takes It All" lautet die Klammer für all das.
Mamma mia, alte Schweden, neue Liebe! – Jeder, der in den 1970ern Teenie war, kennt ABBA, die schwedische Popgruppe, die der TAGESSPIEGEL als "zehn Jahre lang ungemein kreativ und legendär effizient" beschreibt. Das "ungemein kreativ" mag viele zwicken, die ABBA gern als seichten Mainstream-Pop abtun, legendär effizient aber, das beweisen 360 Millionen verkaufte Tonträger.
Abba gilt als zweiterfolgreichste Band nach den Beatles, deutlich vor Led Zeppelin und Pink Floyd. Und – alte Schweden, neue Liebe – sie haben wieder Lust auf Musik miteinander, nach über 35 Jahren Pause und zwei Scheidungen reicht es für immerhin zwei neue Songs, einer mit dem sinnigen Titel "I still have faith in you", "Ich vertraue Dir noch immer".
Die vier Musiker, inzwischen 68 und 73 Jahre alt, schwärmen von einer "extrem erfreulichen Erfahrung" und wollen sogar wieder auftreten – als Avatare. Was jetzt, alte Schweden, zwei junge Lieder und dazu Diskogehoppel mit dem Aussehen von anno dunnemals, als Projektion? Nein, weiß die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Aus dem Alter scheint die Band keinen Hehl machen zu wollen. Denn für die "Avatare" seien die Körper der Musiker in ihrem heutigen Zustand vermessen worden."
Was viel Raum für Assoziationen lässt, würdevoll gealtertes Winkfleisch oder jugendliche Projektionen, die "in heute vermessenem Zustand", also ein wenig voller wohl vor allem, als Lichtgestalten durch die angedachte BBC-Show fluten? ABBA, au Backe?!
Thomas Steinfeld, der Skandinavienexperte der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, bricht eine musikalische Lanze für ABBA , "die Quelle ihrer Musik liegt nicht im Blues, sondern in der schwedischen Volksmusik", der protestantische Choral sei drin genauso wie die Polka und die Kochwurst, die zu jedem schwedischen Dorffest gehöre. Fazit der SÜDDEUTSCHEN: "Eigentlich keine große Überraschung, dass es diese Gruppe nun wieder geben soll: Denn in mancherlei Hinsicht war sie schon immer erwachsen genug, um nicht nur zurück, sondern auch nach vorn blicken."

Ein Marx aus der Maske

Ob da auch "The Winner Takes it all" zu neuen Ehren kommt? Passt doch wie Arsch auf Töpfchen in die Marxsche Kapitalismuskritik, die kurz vor dem Großkampftag der Arbeiterklasse und dem 200. Geburtstag von Karl Marx vielfache Feuilleton-Urständ feiert. Mario Adorf jedenfalls "ging in die Maske – und kam nach zweieinhalb Stunden als Karl Marx wieder raus" schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in Anerkennung für die Maskenbildner, die den wunderbarst sich kringelnden Rauschebart hingekriegt haben, der sich denken lässt.
Es ist, als gucke Marx-Adorf bestbesorgt auf die legendäre Effizienz von Abba… So richtig gut weg kommt der Film nicht, in "Karl Marx – der deutsche Prophet" darf Adorf den Revolutionär als gut gelaunten Großvater spielen", mosert die SÜDDEUTSCHE. "Alles sieht ein bisschen zu sehr so aus, wie es eben auszusehen hat", haut die Neue Zürcher Zeitung in die gleiche Kerbe und rechnet vor: "Überragt wird der Film von seinem Hauptdarsteller Mario Adorf, der mit seinen 87 Jahren fast ein Vierteljahrhundert älter ist, als es Marx jemals wurde."

Für Galeristen ist schon ein Arbeitstreffen eine hohe Investition

Allein, was würde Marx wohl zu einer Summe von zweitausend Dollar sagen? - "die ungefähr 1600 Euro entspricht und an vieles denken lässt: So wenig bringt manch ein Job knapp über dem Mindestlohn, so viel kann die Monatsmiete einer Einzimmerwohnung in Manhattan kosten".
Diese Summe, 2000 Dollar, ist laut TAZ die Teilnahmegebühr für eine Konferenz von Galeristen, Sammlern, der Kunstszene in Berlin – man will über den schweren Stand der kleinen und mittleren Galerien diskutieren, die, angesichts der Eintrittsgebühr, auf der illustren Tagung kaum vertreten sein werden. Die Künstler – durchschnittliches Jahreseinkommen 9600 Euro – wohl noch weniger. "Wofür Geld da ist – und wofür nicht", so salomonisch überschreibt die TAZ ihren Artikel - von dem man eigentlich direkt zur NZZ überschwenken könnte - mit hinzugefügtem Fragezeichen, "Marx macht mobil" (?). Und Mario Adorf, mit Rauschebart, guckt ganz erschrocken…
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