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Flüchtlinge aus dem Südsudan
Hungersnot beendet, Elend bleibt

Bürgerkrieg und Wirtschaftskrise - die Lage im Südsudan ist katastrophal. Hunderttausende verzweifelter Menschen fliehen über die Grenzen, vor allem nach Uganda. Das kleine Land hat mittlerweile die meisten Flüchtlinge in ganz Afrika aufgenommen und wird mit dem Zustrom alleine nicht mehr fertig.

Von Linda Staude | 24.06.2017
    Ein improvisiertes Flüchtlingslager (11.4.17) ugandischen Grenzübergang Ngom Oromo, wo binnen weniger Tage rund 6.000 Menschen aus dem Südsudan Zuflucht gesucht haben.
    In einem improvisierten Flüchtlingslager am ugandischen Grenzübergang Ngom Oromo suchten binnen weniger Tage rund 6.000 Menschen aus dem Südsudan Zuflucht. (dpa picture alliance / Onen Walter Solomon)
    "Es gibt nichts zu essen, jeder ist ständig in Panik. Nachts kann man nicht schlafen wegen der Kämpfe. Es ist sehr schwierig."
    Drei Tage war Betty Takalb unterwegs bis nach Uganda - zu Fuß, zusammen mit 15 Mitgliedern ihrer Familie. Ein harter Weg, vor allem für die Jüngsten.
    Getötet, ausgeraubt, vergewaltig
    Beatrice Ajonye hilft freiwillig bei der Registrierung der Flüchtlinge: "Die Beine sind geschwollen, die Kinder sind unternährt und hungrig, sie weinen dauernd."
    Seit Ausbruch der blutigen Kämpfe im Südsudan vor vier Jahren sind knapp zwei Millionen Menschen in die Nachbarländer geflüchtet, gut die Hälfte davon nach Uganda.
    Malish Bida hat es über die Grenze geschafft: "Die Menschen wurden getötet, ausgeraubt, vergewaltigt - besonders bei uns zu Hause in Yeyi. Das hat uns Angst gemacht, und wir konnten in dieser Situation nicht bleiben."
    Zwei Millionen Südsudanesen auf der Flucht
    Etwa zwei Millionen andere Südsudanesen sind im eigenen Land auf der Flucht vor einem Konflikt, der immer mehr zu einer blutigen Auseinandersetzung zwischen den Völkern der Dinka und der Nuer wird.
    "Was im Südsudan geschieht, ist eine der größten Tragödien unserer Zeit", sagt UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi: "Ich war zu Hause und in der Nacht haben sie meinen Mann geholt. Sie haben ihn regelrecht abgeschlachtet. Nicht mit einem Gewehr, mit Messern."
    Gairi ist schwer traumatisiert, wie viele der Flüchtlinge in Uganda. Password Okot musste mit ansehen, wie seine beiden Brüder erschossen wurden.
    "Ich stehe immer noch unter Schock, mein Herz ist schwer. Ich habe sogar daran gedacht, zurück zu gehen und mich auch umbringen zu lassen. Ich kann das einfach nicht ertragen."
    Alle zwei Monate ein neues Camp
    Die Flüchtlingslager platzen aus allen Nähten. Uganda hat seit Dezember etwa alle zwei Monate ein neues Camp aufgemacht.
    Lydia Wamala, die Sprecherin des Welternährungsprogramms WFP: "Im Moment kommen jeden Tag etwa 2.000 Menschen nach Uganda, und das WFP muss sie mit lebensrettenden Nahrungsmitteln versorgen. Wir brauchen 16 Millionen Dollar im Monat dafür. Aber für die nächsten sechs Monate fehlen uns 60 Millionen Dollar."
    Rose Kiden füllt einen großen, gelben Plastikkanister mit Wasser. Ein Tankwagen hat gerade eine frische Ladung gebracht. Das Rhino Camp hat keine eigene Quelle.
    "Ohne Wasser kannst Du nicht überleben. Aber wir bekommen nicht genug. Manchmal bleiben wir zwei oder drei Tage ohne Wasser."
    Die Grenzen der Belastbarkeit erreicht
    Auch Essen ist knapp. Das WFP musste die Getreiderationen für die Camps im vergangenen Monat auf die Hälfte zusammenkürzen. Aus Geldmangel.
    Landesdirektor Elkhidir Daloum: "Ugandas Regierung hat eine sehr großzügige Flüchtlingspolitik und heißt alle Brüder und Schwestern aus den Nachbarländern willkommen. Sie bekommen Ackerland, Arbeit, Bewegungsfreiheit. Es gibt den Flüchtlingen Hoffnung auf neue Chancen in diesem Land, die sie mit dem ugandischen Volk teilen."
    Aber Uganda hat die Grenzen der Belastbarkeit erreicht. Das relativ kleine Land hat mittlerweile die meisten Flüchtlinge in ganz Afrika aufgenommen und kann mit dem Zustrom alleine nicht mehr fertig werden.
    Spenden reichen nicht
    Das Geld reicht nicht einmal für das Nötigste, klagt Maria Lalum: "Wir haben riesige Probleme hier. Wir haben nicht das Material, um Unterkünfte zu bauen. Und stellen Sie sich vor, ich bekomme nur vier Kilo Maismehl pro Woche für acht Leute. Essen ist knapp. Es gibt nur Mehl, Bohnen und Öl zum Kochen."
    Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR braucht allein für die Versorgung der südsudanesischen Flüchtlinge in den sechs Nachbarländern von Äthiopien bis Uganda 1,4 Milliarden Dollar in diesem Jahr.
    Filippo Grandi: "Die Tatsache, dass unser Spendenaufruf nur 14 Prozent der nötigen Mittel eingebracht hat, sagt eine Menge darüber, wie wir die Flüchtlinge und ihre Gastländer im Stich lassen, wenn wir diese Unterstützung nicht hochfahren."