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Flüchtlinge
Großbritannien betrachtet sich nicht als zuständig

Großbritannien wehrt sich weiterhin gegen eine Quoten-Verteilung von Flüchtlingen in Europa. Die Schengen-Staaten müssten die Folgen ihrer Politik selbst tragen, heißt es in London. Einzig die Opposition spricht sich für die Mehraufnahme von Flüchtlingen aus - allerdings auch nur in Hoffnung auf Gegenleistungen der EU.

Von Friedbert Meurer | 01.09.2015
    Flüchtlinge sitzen in der Nähe der Autobahn A16 bei Calais und warten auf ihre Chance, über den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen.
    Flüchtlinge sitzen in der Nähe der Autobahn A16 bei Calais und warten auf ihre Chance, über den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen. (afp / Philippe Huguen)
    Flüchtlinge versuchen in Calais, die Zäune rund um den Eurotunnel zu überwinden. Wochenlang flimmern die Bilder über die britischen Bildschirme. Es ist ein tödliches Räuber- und Gendarm-Spiel - insgesamt zehn Flüchtlinge sterben vor oder im Eurotunnel. Die Antwort der britischen Regierung lautet: Die Zäune rund um Calais werden hochgezogen.
    Innenministerin Theresa May kündigt hier den Schleusern entschieden den Kampf an, den "kriminellen Banden von Calais". Sie beuten die hilflosen Flüchtlinge aus und nehmen keine Rücksicht auf ihr Leben.
    In Großbritannien, in Politik und Medien, findet sich viel Respekt für die Aufnahmebereitschaft Deutschlands, die Zahl 800.000 ist hier allgegenwärtig. Nur: Das Vereinigte Königreich will keine Flüchtlinge davon übernehmen.
    Die Begründung für die Absage lautet: Deutschland habe lange auf das Dublin-Abkommen gesetzt. Asylbewerber stellen den Antrag dort, wo sie in der EU ankommen. Damit habe Deutschland geglaubt, sich aus der Affäre ziehen zu können. Jetzt soll Deutschland aber bitteschön auch die Suppe auslöffeln. Will sagen: die Folgen der Politik der offenen Grenzen, des offenen Schengenraums, tragen.
    "Was mich und immer mehr Leute aufregt", meint Nigel Farage, der Chef der rechtspopulistischen UKIP: "Die Regierung tut so, als versuche sie die Einwanderung zu reduzieren. Ganz offen: Sie sind ohnmächtig. Als Mitglied der EU gilt für uns: Wir haben die Grenzen offen."
    Vier Prozent der Zuwanderer sind Asylbewerber
    Die Grenzen sind in Großbritannien offen, aber nur für EU-Bürger, nicht für Flüchtlinge. Die Zahlen sind auch so hoch genug und schreckten die Briten erst Ende letzter Woche auf: Die Netto-Zuwanderung beträgt 330.000, viele Bulgaren und Rumänen darunter.
    "Das sind sehr hohe Zahlen, die belegen, bei der Einwanderung von EU-Ausländern sind wir nicht auf Kurs", räumt Einwanderungsminister James Brokenshire ein. In Europa gebe es so viele Flüchtlinge wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg.
    Das Problem ist also erkannt, nur: Großbritannien sieht sich nicht zuständig, die Regierung zieht lieber die Schotten hoch gegen Flüchtlinge. Nur ganze vier Prozent der 330.000 Zuwanderer sind Asylbewerber. Dank der boomenden Wirtschaft in Großbritannien gibt es zwar Jobs für die meisten Einwanderer, aber die Bevölkerung klagt schon jetzt über extrem hohe Hauspreise, zu wenig Schulplätze und lange Wartezeiten beim Arztbesuch.
    Nur die Opposition fordert, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Der Kandidat für den Labour-Vorsitz Andy Burnham appelliert aber sicherheitshalber nicht allzu sehr an den Altruismus der Briten. Stattdessen möge man sehen: Wenn Großbritannien mehr Flüchtlinge von Europa aufnimmt, dann werde umgekehrt Europa auch Großbritannien bei der Reform der EU entgegenkommen.