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Flüchtlinge in Deutschland
Ein neues Zuhause für Familie Ali aus Syrien

Tausende Syrer sind in den letzten Monaten nach Deutschland geflohen. Einige leben bei Angehörigen, die für alle Kosten bürgen mussten. Nach Monaten auf engstem Raum kann die sechsköpfige Familie Ali nun eine eigene Wohnung in Münster beziehen. Doch ist es nicht der Staat, der ihnen dabei geholfen hat.

Von Nicole Albers | 22.12.2014
    "Timo wohnt in Münster, wo wohnt Timo? Timo wohnt in Münster."
    Sie sind mit Feuereifer dabei – Refat und seine Schwestern Silwa und Solaf – die Jugendlichen möchten so schnell wie möglich Deutsch lernen. Seit einigen Wochen schon gehen sie in Münster zur Schule, Sonntags bekommen sie aber noch zusätzlich Unterricht – kostenlos von Margret Schumacher.
    "Es ist ja wichtig und notwendig, dass nach den Schicksalen die irgendwo ankommen und Hilfe erfahren, alleine können die nicht zurechtkommen, nicht erfolgreich."
    Als die Lehrerin von Familie Ali hörte, zögerte sie keine Sekunde und bot ihre Hilfe an. Genauso wie viele andere, denn in den vergangenen Wochen meldeten sich immer wieder Menschen, brachten Kleider, Decken, Geschirr, spendeten Geld. Doch die größte Sorge blieb die Unterkunft.
    Im Wechsel wohnten die Sechs mal bei dem einen Bruder und seiner Familie, dann wieder bei dem anderen. Wochenlang zu acht auf 45 Quadratmeter, irgendwann lagen bei allen die Nerven blank, erzählt Bankien Ali, einer der hier lebenden Brüder:
    Ein älteres Ehepaar mietete eine Wohnung an
    "Das kann man sich nicht vorstellen, die Kinder müssen alle früh aufstehen, in den Kindergarten gehen, in die Schule gehen, Bad besetzt, Toilette besetzt, das geht nicht."
    Auf eigene Kosten eine Wohnung anzumieten, das konnte die Familie nicht stemmen. Ein älteres Ehepaar aus Münster aber setzte alle Hebel in Bewegung und mietete schließlich eine Wohnung an. Diese Woche war es soweit: Der Verwalter gab Reder und seiner Frau Najah Ali die Schlüssel zu den ersten eigenen vier Wänden in Münster.
    "Das sind ab jetzt ihre Schlüssel und sie können sich hier einleben, bitteschön."
    Vier Zimmer, Küche, Bad, ein geräumiger Flur – Vater Reder Ali findet kaum Worte:
    "Ich kann es kaum fassen, ich bin froh und dankbar, es fühlt sich an wie frisch verheiratet, unbeschreiblich."
    "Guten Morgen, ich wollte die Sachen abholen – wunderbar, einmal den Kassenbon."
    Bankien Ali steht mit einem Umzugswagen vor einem Bettenladen – vier Lattenroste und vier Matratzen haben Spender für sie hier eingekauft. Ein paar Kilometer weiter steht eine gebrauchte Waschmaschine für sie bereit.
    Währenddessen fährt ein Mann mit einem Anhänger zur neuen Wohnung, darin Schränke, Stühle, Bettzeug – Bankien und Reder Ali rennen zwischen Anhänger und neuer Wohnung hin und her, immer die Arme voll.
    "Wir haben die Einrichtung von Freiwilligen, wir sind glücklich, wir haben jetzt eine Wohnung und wir freuen uns auf jedes Möbelstück."
    Ärger über Politik, die Flüchtlinge allein lässt
    Stunde um Stunde geht das so weiter, die Zimmer füllen sich zusehends. Mit leuchtenden Augen wühlen die Kinder in den Kartons, probieren Lampen aus, und können es kaum erwarten, endlich ihre eigenen Zimmer einzurichten.
    "Hier schlafen ich und meine Schwester, und da schlafen die Brüder. Viele Menschen helfen meiner Familie. Ich will vielen Dank sagen an die Menschen hier in Deutschland, alles ist gut hier in Deutschland."
    Wer die Spender sind? Manche von ihnen ärgern sich über eine Politik, die Flüchtlinge wie die Alis quasi allein lässt. Häufig aber handelt es sich um ältere Spender mit eigenen Kriegs- und Fluchterfahrungen, die sehr gut nachvollziehen können, was die Alis erlebt haben und wissen, wie hart ein Neustart in der Fremde ist. Allen gemeinsam ist, dass sie inkognito bleiben wollen. Auch das Ehepaar, das die Wohnung für die Alis angemietet hat. Nur ein kurzer Satz zum Beweggrund:
    "Weil ich auch sehe, was da in Syrien läuft, und da haben wir uns entschlossen zu helfen und ja, man muss sein Geld gut anlegen."