Donnerstag, 28. März 2024

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Flüchtlinge in Seenot
"Handelsboote fahren vorbei"

Der Sozialwissenschaftler Helmut Dietrich beklagt, dass Flüchtlingsbooten im Mittelmeer häufig nicht geholfen wird, wenn sie einen Notruf absetzen. Seine Initiative "Watch The Med" versucht, mit einem "Alarm Phone" Abhilfe zu schaffen. Es gebe allerdings zu wenige Schiffe, die überhaupt retten könnten, sagte Dietrich im DLF.

Helmut Dietrich im Gespräch mit Kathrin Hondl | 07.06.2015
    Eine Aufnahme zeigt 105 Flüchtlinge, die in einem Schlauchboot vor der italienische Insel Lampedusa darauf warten, gerettet zu werden.
    Viele Menschen versuchen, in Schlauchbooten das Mittelmeer zu überqueren. (dpa / picture-alliance / Darrin Zammit Lupi)
    Die Initiative "Watch The Med" dokumentiert nach Dietrichs Angaben seit 2011, ob Flüchtlingsbooten in Seenot geholfen wird. Zu diesem Zweck betreibt sie auch ein "Alarm Phone": "Der erste Notruf der Schiffe geht an die Küstenwache. Wenn der zweite an uns geht, können wir dokumentieren, ob tatsächlich gerettet wird", erklärte Dietrich, der als Sozialwissenschaftler in der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration tätig ist. Sei das nicht der Fall, schlage "Watch The Med" Alarm und versuche, über öffentlichen Druck die Küstenwache zur Reaktion zu bewegen. "Tausende von Menschen haben inzwischen das Alarmphone angerufen", so Dietrich, "zum Schluss wurde gerettet".
    Viele Kapitäne von Frachtschiffen würden Flüchtlingen nicht helfen aus Angst vor negativen Konsequenzen, sagte Dietrich. In den vergangenen Jahren seien einige von ihnen wegen Förderung der illegalen Einreise vor Gericht gelandet. Das habe sich inzwischen verändert. Das Problem sei vielmehr, dass es viel zu wenige Schiffe der Küstenwache oder von Reedereien in der Region zwischen Libyen und Süditalien unterwegs seien, die überhaupt Flüchtlinge in Seenot retten könnten. "Es ist vorprogrammiert, dass immer wieder Flüchtlingsboote untergehen werden", so Dietrich.