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Flüchtlinge
Schweden plant Massenabschiebungen

Schweden plant die Abschiebung von bis zu 80.000 abgelehnten Asylbewerbern. Das sagte der schwedische Innenminister Anders Ygeman schwedischen Medien. Weil die Zahl so hoch ist, werden dafür extra Charterflugzeuge angemietet. Die Umsetzung wird sich wohl über mehrere Jahre hinziehen.

28.01.2016
    Schweden will bis zu 80.000 Flüchtlinge abschieben.
    Schweden will bis zu 80.000 Flüchtlinge abschieben. (dpa/picture alliance/TT NEWS AGENCY/Johan Nilsson)
    "Ich glaube, dass es sich auf jeden Fall um 60.000 Personen dreht, aber es können auch bis zu 80.000 werden", zitierte die Zeitung "Dagens Industri" Schwedens Innenminister Anders Ygeman. "Wir haben eine große Herausforderung vor uns", so Ygeman weiter. "Dafür müssen wir die Ressourcen erhöhen und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden verbessern." Zunächst wolle man gute Voraussetzungen für eine freiwillige Rückkehr der Asylbewerber schaffen. "Aber wenn wir das nicht schaffen, muss es eine Rückkehr mit Hilfe von Zwang geben", sagte er dem Bericht zufolge.
    Dem schwedischen Fernsehsender SVT sagte Ygeman, die Regierung habe die Polizei und die Einwanderungsbehörde angewiesen, diese Order umzusetzen. Normalerweise würden abgelehnte Ayslbewerber mit Linienflügen abgeschoben, angesichts der hohen Zahl nun würden aber Charterflugzeuge angemietet.
    Laut Regierung gebe es "ein bedeutendes Risiko", dass große Gruppen von Asylbewerbern in den Untergrund verschwinden. Darauf bereite sich die Polizei etwa mit dem Ausbau der Grenzpolizei und mehr Ausländerkontrollen im Land vor. Die Regierung verhandelt nach Angaben der Zeitung unter anderem mit Afghanistan und Marokko über die Rückkehr von Flüchtlingen aus diesen Ländern.
    EGMR auf Beschwerdewelle vorbereitet
    Migrationsminister Morgan Johansson sagte, die Abschiebungen würden sich vermutlich über mehrere Jahre hinziehen. Das bestätigte auch die schwedische Migrationsbehörde - die sieht bei der Umsetzung der Abschiebung große Probleme. Im schwedischen Radio sagte ein Sprecher der Behörde: "Grob gerechnet sind ein Drittel der abgelehnten Asylbewerber sogenannte schwere Fälle, wo man sich weigert, zu gehen, und bei denen keine ausreichenden Dokumente vorliegen, um die Ausweisung durchzuführen. Trägt eine Person keine Papiere bei sich, kann es sein, dass sich ihr Heimatland weigert, die Person aufzunehmen."
    Die Massenabschiebung könnte auch rechtlich problematisch sein: Betroffene Asylbewerber können sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wenden. Das Gericht sei auf eine mögliche Welle von Grundrechtsbeschwerden von Asylbewerbern vorbereitet, sagte Gerichtshofspräsident Guido Raimondi. Denn die Menschenrechtskonvention untersage Massenabschiebungen. Einzelfallentscheidungen allerdings nicht: "Es gibt kein Grundrecht auf den Verbleib in einem Land," so Raimondi. Der neue UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi mahnte derweil die korrekte Rückführung an. Er sagte, Abschiebungen von Asylsuchenden müssten "auf die korrekteste und humanste Weise" durchgeführt werden und unter "vollständiger Beachtung ihrer Rechte".
    Täglich kommen hundert Flüchtlinge in Schweden an
    Bis zum Jahresende 2015 hatten mehr als 160.000 Menschen Asyl in Schweden gesucht. Nach Schätzungen der Regierung würden rund 45 Prozent von ihnen abgelehnt, hieß es. Mittlerweile kämen täglich etwas hundert Flüchtlinge an, im Oktober waren es noch fast 10.000 pro Woche. 2015 kamen den Angaben zufolge rund 35.400 minderjährige Flüchtlinge ohne Begleitung in Schweden an. Das waren neun Mal so viele wie im Januar.
    (pg/cvo/stfr/fwa)