Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Flüchtlinge
Technische Universitäten wollen Potenziale besser nutzen

Die Technischen Universitäten in Deutschland wollen verstärkt auf die Integration von Flüchtlingen setzen. Mentoren, spezielle Programme und Führungen sollen ihnen helfen, schnell akademische Kontakte aufzubauen. An der TU Darmstadt haben nun die ersten 20 Flüchtlinge offiziell den Status eines Gasthörers.

Von Ludger Fittkau | 03.11.2015
    Rotes Schild mit der Aufschrift "Technische Universität Darmstadt" vor einem großen Gebäude.
    Technische Universität Darmstadt (dpa/picture alliance/Frank May)
    Nadia El Nokraschi ist Deutsche mit ägyptischen Wurzeln. Sie koordiniert beim AStA der Technischen Universität Darmstadt studentische Tutoren, die nun auch Flüchtlingen helfen, in den Studienbetrieb hineinzukommen. Die Studierenden, die die Neuankömmlinge bei Bibliotheksführungen und anderen ersten Schritten an der Uni unterstützen, kommen teilweise aus denselben Kulturräumen wie die Flüchtlinge, so Nadia El Nokraschi:
    "Arabischsprechende sind viele da. Die Afghanen, Pakistaner, Inder, die sind auch sehr groß vertreten. Mit ihrer Sprache helfen die dann auch so als Zwischenperson, weil die meisten Flüchtlinge ja noch kein Deutsch können."
    Etwa ein Jahr lang mit intensivem Sprachkurs dauert es laut Nadia El Nokraschi erfahrungsgemäß, bis jemand ohne Deutschkenntnisse in der Lage ist, ein Uniseminar in deutscher Sprache erfolgreich zu absolvieren. Die TU9, der Zusammenschluss der führenden deutschen Technischen Universitäten, sieht anschließend jedoch ein großes Potenzial bei den Flüchtlingen. Hans Jürgen Prömel, Präsident der TU Darmstadt sowie der TU9:
    "Bei denen, die in unser Land kommen, sind überraschend viele, die studienfähig sind und studieninteressiert sind, an Ingenieurwissenschaften interessiert. Sodass wir erwarten, noch lässt sich das ja nur bedingt abschätzen, dass von denen sich viele bei Technischen Universitäten bewerben und integrieren wollen."
    An der TU Darmstadt haben nun die ersten 20 Flüchtlinge offiziell den Status eines Gasthörers. Vor wenigen Tagen war eine gemeinsame Bibliotheksführung das erste Highlight für die Neuankömmlinge. Regina Sonntag-Krupp, Dezernentin für Internationales hat die Gruppe kennengelernt:
    "Das hat mich riesig gefreut! Wir bieten diese Führungen jetzt regelmäßig an, man kann sich übers Internet dafür bewerben. Und es waren etwa 20 junge Leute, nicht nur Syrien und Eritrea und Afghanistan da, die mit ganz großem Interesse und ganz großer Freude, auch mal wieder in einem akademischen Umfeld zu sein, gekommen sind."
    Brückenbauer AStA
    Damit der Kontakt zum neuen akademischen Umfeld leichter wird, sind die studentischen Tutoren des AStAs eine große Unterstützung. Die TU9 erhofft sich, dass aus diesen Kontakten auch langfristige Studiengemeinschaften entstehen. TU9-Präsident Hans Jürgen Prömel:
    "Ja, wir versuchen eine Art 'Buddy-Prinzip' zu machen, so eine Art studentischen Mentor an die Seite gestellt zu bekommen, um so die Integration zu ermöglichen. Wir werden mit Sicherheit das Potenzial der internationalen Studierenden, die wir haben versuchen, an der Stelle auszuschöpfen."
    Bisher zu wenig Deutschkurse
    Nadia El Nokraschi vom AStA wird dabei aktiv helfen. Noch gäbe es an den meisten Unis jedoch zu wenig Deutschkurse für Flüchtlinge, da müsse schnell gehandelt werden. Ebenso bei der Beschaffung von Wohnraum für Neuankömmlinge.
    Die Lage am studentischen Wohnungsmarkt in vielen Regionen sei schon für internationale Studierende ohne Flüchtlingsstatus ist ein großes Integrationshindernis, so Nadia El Nokraschi. Auch im Rhein-Main-Raum und speziell in Darmstadt. Dazu kommen nun die Flüchtlinge, die studieren wollen:
    "Da hoffen wir, dass die Stadt was tut. Es ist ja für die internationalen Studierenden, die hier her kommen eine Qual, etwas zu finden, das in das Budget passt. Es wäre schon schön, wenn da schneller und unbürokratischer was zustande kommt."
    Dauerthema Integration
    Die neun führenden Technischen Universitäten Deutschlands haben nun die Integration der Flüchtlinge zu einem Dauerthema gemacht. Neue Gremien brauchte man dazu nicht, so TU9-Präsident Hans-Jürgen Prömel:
    "Man lernt voneinander, man sieht, was andere Universitäten tun. Das funktioniert unter TU9-Universitäten sehr gut. Weil das zu anderen Themen einfach eingeübt ist. Die Personen kennen sich. Und so verstehen wir im Moment auch die Kooperation unter TU9."
    Mit gemeinsamer Website, Austausch über Erfahrungen mit Sprachkursen oder Bibliotheksführungen - und in Zukunft vielleicht sogar mit Studierendenaustausch, wenn die Flüchtlinge Deutsch gelernt haben und mit dem Studium loslegen können. In etwa einem Jahr.