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Flüchtlinge
"Wir brauchen eine menschenwürdige Unterbringung"

Er hatte es in der Zeitung gelesen, dass die Stadt Duisburg Flüchtlinge in einem Zeltlager unterbringen wollte. Für Pater Oliver, Leiter das Sozialpastoralen Zentrums "Petershof" in Duisburg-Marxloh Anlass, auf Unterbringungsmöglichkeiten in seiner Gemeinde hinzuweisen. In der Marxloher Gemeinde St. Paul fanden daraufhin zwei Familien aus Bosnien und Mazedonien eine Notunterkunft. "Wir wollten alles, was möglich ist, tun, sagte Pater Oliver im Deutschlandfunk.

Pater Oliver im Gespräch mit Thielko Grieß | 01.10.2014
    Alltag im Flüchtlingsheim Essen im Herbst 2014
    Alltag im Flüchtlingsheim Essen im Herbst 2014 (picture-alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    Bisher habe er nicht den Eindruck, dass die Stadt an weiteren Angeboten der Gemeinden oder Gesprächen Interesse zeige. Unverständlich sei, warum die Stadt solche Kapazitäten nicht in Betracht ziehe und stattdessen ein Zeltlager plane. Gerade für Familien, die eine leidvolle Flucht hinter sich hätten, sei eine Unterbringung in einer kleinen Einheit wichtig. Ruhe, Hilfe bei Behördengängen, eine adäquate ärztliche Versorgung seien so leichter zu gewährleisten.
    "Wir haben doch andere Möglichkeiten", betonte Pater Oliver im Interview und verlangte eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen. Das Argument, man sei von der Flüchtlingswelle überrollt worden, ließ er so nicht gelten. Seit geraumer Zeit sei absehbar, dass die Flüchtlingsströme gerade aus Syrien und jüngst dem Irak so schnell nicht abreißen würden.
    Mit Blick auf die Misshandlungsvorwürfe vonseiten des Wachspersonals in Flüchtlingsunterbringungen forderte Pater Oliver, die Leute auch in kultureller Hinsicht zu schulen. "In solchen Zentren ballt sich alles." Ein Wachdienst, der sonst die U-Bahn kontrolliere, müsse entsprechend geschult werden.

    Lesen Sie hier das vollständige Interview:
    Thielko Grieß: Es musste wohl schnell gehen in einigen der Sammelunterkünfte im Land Nordrhein-Westfalen. Die Unterkünfte für Asylbewerber und Flüchtlinge mussten schnell geöffnet und organisiert werden, und dabei ist auf die Auswahl derer, die dort für Sicherheit sorgen sollten und sollen, offenkundig nicht immer großer Wert gelegt worden, jedenfalls nicht in drei Unterkünften in NRW. Es hat Misshandlungen gegeben, das wissen wir seit Sonntag, und seitdem läuft auch die politische Debatte in NRW über Verantwortung und Verantwortlichkeit. Die Landesregierung hat Konsequenzen angekündigt.
    Der gerade von ihr genannte Pater ist jetzt am Telefon. Ich begrüße Pater Oliver, den Leiter des Petershofes. Das ist ein kirchliches Zentrum in Duisburg, im Stadtteil Duisburg-Marxloh. Einen schönen guten Morgen!
    Pater Oliver: Guten Morgen, Herr Grieß.
    Grieß: Sie haben sich ja selbst persönlich auch entschieden, Flüchtlingen zu helfen bei Ihnen in Duisburg-Marxloh. Was tun Sie?
    Pater Oliver: Ja. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass die Stadt Duisburg geplant hat, ein Zeltlager für Flüchtlinge einzurichten, und hatte mir gedacht, eine Großstadt in Deutschland mit so vielen Einwohnern hat doch sicher was Besseres zu bieten als ein Zeltlager, und habe daraufhin unser Gästehaus zur Verfügung gestellt in einem ersten Anlauf dann zwei Familien aufgenommen, die wir jetzt betreuen.
    Grieß: Zwei Familien mit wie vielen Menschen?
    Pater Oliver: Das sind drei Erwachsene und drei kleinere Kinder.
    Grieß: Im Gästehaus. Wäre noch Platz für mehr Menschen?
    Pater Oliver: Es ist noch Platz für mehr Menschen. Es ist gestern noch mal ein Anruf gekommen, dass wir eventuell noch weitere Leute aufnehmen. Das ist aber noch nicht konkret. Es ist insgesamt Platz für zwölf Leute.
    Grieß: Sie würden auch noch für mehr Menschen Ihre Pforten und Tore öffnen?
    Pater Oliver: Ja, alles was möglich ist. Klar!
    Grieß: Gibt es noch mehr Kirchenzentren, Gemeindezentren, von denen Sie wissen, die ähnlich handeln wie Sie?
    Kein Interesse anderer Kirchengemeinschaften
    Pater Oliver: Ja. Ich hatte der Stadt Duisburg angeboten, dass ich mich bereit erkläre, genau diese Frage zu klären und genau darüber noch mal mit den anderen Gemeinden ins Gespräch zu kommen, auch zu versuchen, Moschee-Gemeinden mit ins Boot zu holen, aber da ist bis jetzt noch kein Interesse da gewesen, das zu tun. Ich weiß, dass es Gemeinden gibt, die Kapazitäten haben, die mir das auch signalisiert haben. Ich glaube, dass wir da schon eine Unterbringungssituation schaffen können, dass wir dort mehr Leute unterbringen können.
    Grieß: Sie haben versucht, auf die Stadt Duisburg zuzugehen und zu sagen, kommen Sie, wir setzen uns gemeinsam an einen Tisch und versuchen, mit den Herausforderungen fertig zu werden, aber es kam wenig Antwort bislang. Woran liegt das?
    Pater Oliver: Ich höre immer, dass von der Stadt gesagt wird, keiner kommt mit ins Boot. Angesprochen hat uns niemand. Wir können ja nur mitrudern, wenn wir auch im gleichen Boot sitzen. Den Ball kann ich nur zurückgeben.
    Grieß: Das klingt erst einmal plausibel. - Sie haben die Zeltstadt angesprochen, Notunterkünfte, Zelte. Von denen hatten wir auch vorher bei uns im Programm schon einmal gehört in Duisburg. Ist das eine Notmaßnahme? Weiß die Stadt, wissen die Verantwortlichen bei Ihnen in Duisburg einfach anders nicht mehr weiter?
    Pater Oliver: Die Stadt hat ja so argumentiert, dass das der absolute Notstand ist und es überhaupt keine andere Möglichkeit gibt, Menschen unterzubringen. Als sie das gesagt hat, ist allerdings mit uns noch nie gesprochen worden.
    Grieß: Sprechen wir, Pater Oliver, noch einmal über die zwei Familien, die bei Ihnen jetzt untergekommen sind. Wo kommen die Menschen her, die Flüchtlinge?
    Pater Oliver: Das ist eine Familie aus Mazedonien und eine aus Bosnien.
    Grieß: Also aus Europa. Es geht noch gar nicht um syrische Flüchtlinge, von denen ja so viel die Rede ist?
    Pater Oliver: Wir sollten erst eine Gruppe aus Somalia aufnehmen, hatten alles vorbereitet, und das ist dann kurz vorher gecancelt worden und dann ist das so entschieden worden.
    Flüchtlinge haben eine Odyssee hinter sich
    Grieß: Was für Erfahrungen machen Sie? Welche Schwierigkeiten tauchen auf, wenn Sie zwei Familien unterbringen?
    Pater Oliver: Die Leute, die kommen, haben ja eine Odyssee hinter sich. Die möchte ich nicht erlebt haben. Da sind ja auch Kinder dabei und wir versuchen jetzt erst mal, so ein bisschen die ankommen zu lassen, ein bisschen Ruhe zu schaffen, ein bisschen ein gutes Umfeld zu schaffen. Viele Leute aus meiner Gemeinde helfen da ganz fantastisch mit, kümmern sich um die Kinder. Dann haben wir Situationen: Die sprechen kein Deutsch. Dann kommt ein Brief von der Stadtverwaltung, dass sie sich dann irgendwann im zehn Kilometer entfernten Rathaus einzufinden haben und einen Dolmetscher mitbringen müssen, und dann versuchen wir, gerade solche Sachen zu organisieren und zu regeln, dass da irgendwie eine glückliche Situation da ist. Dann gucken wir, dass wir eine ärztliche Versorgung haben und so was alles.
    Grieß: Für wie wichtig halten Sie es, dass Flüchtlingsfamilien in kleineren Gruppen oder als Familie untergebracht werden können und nicht in großen Sammelunterkünften?
    Pater Oliver: Ich weiß nicht, ob Sie Kinder haben. Aber wenn Sie sich vorstellen, mit Ihrer Familie in einem Zeltlager oder in einer Turnhalle mit 100 anderen unterzukommen, dann können Sie sich die Frage auch beantworten. Das ist kein menschenwürdiger Zustand. Wir haben doch hier andere Möglichkeiten und wir haben doch auch eine andere Vorstellung davon, wie wir mit Menschen umgehen. Das ist doch das, was eigentlich mich auch immer so bewegt dabei.
    Unterbringung durch Spenden finanziert
    Grieß: Wir müssen kurz über das Geld sprechen. Wie bezahlen Sie Ihre Hilfe? Wer hilft Ihnen?
    Pater Oliver: Im Moment über Spenden. Wir kriegen selbst nichts.
    Grieß: Nichts von der Kommune oder vom Land, oder wie auch immer die Geldströme organisiert sind?
    Pater Oliver: Nein. Einen Topf gibt es für Betriebskosten, aber da habe ich noch keine Antwort. Das machen wir im Moment selber und ich halten das für eine Selbstverständlichkeit.
    Grieß: Jetzt haben wir in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Tagen viel darüber gesprochen, dass Sicherheitspersonal sich fehlverhalten hat. Es soll Misshandlungen gegeben haben. Es fehlen wohl Kontrollen hier und da. Was denken Sie mit Ihren Erfahrungen, wenn Sie von diesen Fällen hören?
    Wachpersonal muss geschult sein
    Pater Oliver: Es ballt sich natürlich in solchen Zentren alles. Das ist ja so eine wirklich kumulierte Problemlage. Da kommen Menschen aus unterschiedlichen Richtungen, aus unterschiedlichen Lebensbiografien und unterschiedlich traumatisiert. Dann haben sie einen Wachdienst. Zum Beispiel der Wachdienst für diese Zeltlagerstadt, ich war da vor Ort, das wären die gewesen, die sonst die U-Bahn kontrolliert hätten. Da ist es sicherlich auch sinnvoll, die noch mal ein bisschen zu schulen und auch ein bisschen kultursensibel zu schulen.
    Grieß: Da sagen ja Verantwortliche, uns fehlt da einfach die Zeit. Es kommen jetzt so viele Asylbewerber und Flüchtlinge auf einen Schlag, dass wir schnell reagieren müssen, und da fehlt die Zeit für Ausbildung.
    Pater Oliver: Ja. Aber dass es in Syrien einen Konflikt gibt, der sich immer weiter zuspitzt, das habe ich in der Zeitung gelesen.
    Grieß: Wird bei Ihnen eigentlich auch kontrolliert? Interessiert sich von den Behörden jemand dafür, ob Sie hygienische Vorschriften und so weiter einhalten?
    Pater Oliver: Gesehen habe ich noch keinen.
    Grieß: Aber Sie würden ihn reinlassen, oder sie?
    Pater Oliver: Ja sicher. Natürlich! Selbstverständlich!
    Grieß: Gut! ..., sagt Pater Oliver vom kirchlichen Zentrum in Duisburg-Marxloh, ein sozialpastorales Zentrum, und er ist Leiter des Petershofes. Pater Oliver, vielen Dank für das Gespräch heute, Mittwochmorgen.
    Pater Oliver: Gerne, Herr Grieß.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.