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Flüchtlingsansturm
Wartelisten für Integrationskurse

Der Deutsche Volkshochschul-Verband spricht von einem "Ansturm" der Flüchtlinge auf die Integrationskurse: Lange Schlangen bei der Kursanmeldung und monatelange Wartelisten für einzelne Kurse zeugten davon, dass die Volkshochschulen die ständig steigende Nachfrage nach ihren Angeboten nicht mehr bewältigen könnten. Der Verband bittet nun Bund und Länder um Hilfe.

Von Henning Hübert | 05.10.2015
    Eine Lehrerin unterrichtet Migrantenkinder in Deutsch
    Eine Lehrerin unterrichtet Migrantenkinder in Deutsch (imago/Sämmer)
    Die Bewerber stehen Schlange im zweiten Stock der Volkshochschule Bonn. Menschen aus 140 Nationen lernen hier schon. Die Neuen warten auf ihren Termin zur Sprachberatung. Für die VHS-Leiterin Ingrid Schöll dreht sich zurzeit fast alles rund ums Kurssystem "Deutsch als Fremdsprache":
    "Die Nachfrage ist riesig. Unsere Deutschkurse sind auf 99,5 Prozent ausgebucht. Wir führen jetzt schon Wartelisten für die Integrationskurse. Die laufen mit Beginn des Semesters sofort voll. Wir merken einfach, dass da viel ran rollt."
    Sie rechnet für diesen Herbst mit 2.000 neuen Teilnehmern – Asylbewerber, die in Bonn gelandet sind. Leicht wird das nicht: Zum einen gilt der Lehrerjob an den Volkshochschulen als unattraktiv. Bezahlt wird auf Honorarbasis pro Stunde – normal sind etwa 25 Euro. Zum anderen ist der Deutsch-Unterricht eine echte Herausforderung:
    "Das eine Problem: Wir haben zunehmend traumatisierte Menschen in den Kursen. Haben keinerlei sozialpädagogische Betreuung. Ich hoffe einfach dringlichst, dass man die Volkshochschulen dabei nicht vergisst. Wir brauchen Menschen, die uns helfen, wenn traumatisierte Teilnehmende da sind. Und wir hoffen, dass wir Lehrkräfte finden. Der Markt ist ganz schnell leer gefegt worden. Wir müssen jetzt schauen, dass wir unseren Bedarf mit Honorarlehrkräften decken."
    Ressourcen reichen nicht aus
    Allerdings lautet die Linie vieler Kommunen: Bloß keine Honorarlehrkraft mit mehr als 19 Wochenstunden beschäftigen – ansonsten könnte sie sich ja einklagen und eine Festanstellung verlangen. Beim Deutschen Volkshochschul-Verband bestätigt Verbandsdirektor Ulrich Aengenvoort, dass es bundesweit an Lehrkräften und geeigneten Seminarräumen mangele. Schon jetzt, für die aktuell 185.000 Teilnehmer in den Integrationskursen der unterschiedlichsten Träger:
    "Wir verzeichnen seit mehreren Monaten eine starke Abwanderung von unseren Fachlehrkräften in andere Bildungsbereiche in die Schulen, Hochschulen, teilweise auch in die Wirtschaft. Weil dort einfach besser bezahlt wird. Wir haben teilweise auch die Situation, dass wir vor Ort keine Räume mehr haben. Wir müssen Räume anmieten. Auch dafür reichen die Ressourcen nicht aus. Sodass man im Grunde genommen die Rahmenbedingungen der Integrationskurse zeitgleich mit der Ausweitung für spezielle Zielgruppen auch deutlich verbessern muss."
    Damit meint er die geplante Öffnung der Integrationskurse für Flüchtlinge aus bestimmten Herkunftsländern ab dem 1. November dieses Jahres.
    "Fünf sind angesprochen damit: Syrien, Iran, Irak, Eritrea und Afghanistan. Die Prognosen lauten, dass es ungefähr 100.000 Menschen sein werden, die zusätzlich in die Kurse kommen in den nächsten Monaten."
    Fast 2.400 Euro pro zusätzlichem Kursplatz
    Die Rechnung, die der VHS-Dachverband daher für das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – BAMF - aufmacht: Es müsse fast 2400 Euro pro zusätzlichem Kursplatz zahlen. Und außerdem den Zuschuss für die bisherigen Kurse um mehr als 20 Prozent erhöhen. In der Bonner Volkshochschule wartet Ingrid Schöll schon ungeduldig auf die zusätzlichen Gelder, damit eine frühzeitige Integration über den Erwerb der deutschen Sprache überhaupt möglich wird:
    "Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge macht die Preise und das Bundesamt ist sicherlich im Moment auch überrascht worden von all dem, was passiert ist. Die Hälfte und mehr der Integrationskurse werden über Volkshochschulen gemacht. Dass man an der Stelle auch den Kommunen hilft, die Situation zu meistern. Wenn der Bund schon mal direkt mit den Kommunen kooperiert, muss er ein verlässlicher Partner sein. Deshalb hoffe ich, dass sich beim BAMF was bewegt."