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Flüchtlingsdebatte an der CDU-Basis
Angenehme Sachlichkeit

1.800 CDU-Mitglieder aus Hessen, Baden-Württemberg, dem Saarland und aus Rheinland-Pfalz kamen in Darmstadt zusammen, um mit Bundeskanzlerin Merkel über die Flüchtlingsfrage zu debattieren. Die Basis sehnt sich nach Orientierung und pragmatischen Lösungen – und stellte sich letztlich hinter die Kanzlerin.

Von Lutger Fittkau | 03.11.2015
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht am 02.11.2015 in Darmstadt (Hessen) auf der abschließenden Zukunftskonferenz ihrer Partei.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich in Darmstadt der Parteibasis. (dpa / picture alliance / Alexander Heinl)
    Eine nachdenkliche "Zukunftskonferenz" der CDU in Darmstadt. Schon bevor Angela Merkel den Saal betritt, sind die Erwartungen klar formuliert. Die Basis sehnt sich nach Orientierung in der Flüchtlingsfrage:
    "Ich bin eher bei Merkel gewesen, muss ich ehrlich sagen. Aber die Bürger, die wollen Lösungen haben. Die wollen nicht ein Rumgeeiere haben, die wollen klare Lösungen haben."
    "Ich muss sagen, ich war teilweise dann doch etwas mehr bei Seehofer. Aber sie hat schon gemerkt, es kann auch nicht so weiter laufen, wie es bisher war. Wir leben nicht in einer idyllischen Welt und das geht leider nicht."
    Suche nach pragmatischen Lösungen. Angenehme Sachlichkeit. Merkel stellt die aktuellen Herausforderungen in den historischen Kontext und schlägt den Bogen von der deutschen Nachkriegszeit über die Wiedervereinigung bis zu Fluchtbewegungen heute.
    "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt nicht nur für Deutschland. Das gilt auch nicht nur für Europäer."
    Keine neue Botschaft
    Das ist das Leitmotiv ihrer Rede. Artikel 1 des Grundgesetzes gilt universell. Genauso wie das christliche Menschenbild, dem die CDU schon durch den Parteinamen verpflichtet ist. Das ist die Grundlage, auf der das Flüchtlingsthema bearbeitet werden muss.
    Ihr "Wir schaffen das" stellt Angela Merkel in einen internationalen Zusammenhang: von Hilfen für die Türkei über mögliche europäische Registrier-Zentren in Italien und Griechenland bis zur notwendigen zur stärkeren Umverteilung der Flüchtlinge in Europa.
    Merkels Botschaft ist nicht neu: Nur viele Stellschrauben, die gedreht werden, können etwas bewegen. Auch Transitzentren, wie sie CDU und CSU im Augenblick noch kontrovers mit der SPD diskutieren, sind kein Allheilmittel. Den meisten im Saal ist das klar.
    Sorgen der Kommunalpolitiker
    Merkel weiß, dass insbesondere die aktiven Kommunalpolitiker angesichts der Integrationsaufgaben, die auf sie zukommen, Sorgen haben.
    "Deshalb können wir auch nicht die Länder und Kommunen darauf sitzen lassen, dass sie die Asylbewerberleistungen zahlen müssen. Der Bund muss das übernehmen, damit die Länder und Kommunen andere Leistungen bringen können. "
    Doch die Sorgen bleiben, das zeigen die Wortmeldungen im Saal. Lehrer für Sprachkurse, zusätzliche Kita-Plätze für Flüchtlingskinder und Gebäude, in denen neue Integrationsangebote stattfinden können. Was bedeutet es, wenn dafür lokale Steuern erhöht werden müssen?
    "Ich weiß nicht, wie viel eine Gesundheitskarte wert ist. Aber wenn ich mal sage: 200 Euro pro Monat Krankenkassenbeitrag oder so, wäre also eine Gesundheitskarte rund 2500 Euro im Jahr wert. Wenn wir nächstes Jahr bei uns im Mühltal 400 Flüchtlinge haben, dann sind 400 mal 2500 eine Million. Und dieses Geld haben wir nicht."
    Ringen um sachbezogene Politik
    An dieser Stelle springt der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier der Kanzlerin bei:
    "Ich will der Bundeskanzlerin nicht vorgreifen. Eines ist klar: Leicht wird das nicht werden. Und wir werden vielleicht die eine oder andere Antwort geben müssen, die sich jenseits der Üblichkeit entwickelt."
    Die Atmosphäre im Saal bleibt den ganzen Abend konzentriert und nüchtern. Man spürt: Hier ringen engagierte Parteimitglieder um eine sachbezogene Politik. Ohne Polemik, ohne Vorwürfe an Angela Merkel oder Horst Seehofer. Großer Ernst angesichts der Herausforderungen , für die es kein Patentrezept gibt. Eine würdevolle Veranstaltung.
    Damit doch eine Botschaft Richtung Bayern, Richtung Seehofer: Diese Union zerbricht nicht so schnell an den Problemen, die auf das Land zukommen. Auch in der CDU will man sie anpacken. Mit einer dann doch unangefochtenen Vorsitzenden Angela Merkel.