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Flüchtlingsdebatte
Pegidas Hass-Sprech auf der Bühne

Schlägt die Willkommenskultur in ein Klima der Angst um? Der Dramatiker Falk Richter hat dazu ein Stück geschrieben und es jetzt an der Berliner Schaubühne uraufgeführt. Aus Lautsprechern dröhnen Interviewstatements von Pegida-Anhängern, AfD-Politiker sehen aus wie Zombies.

Von Oliver Kranz | 26.10.2015
    Szene im Theaterstück "Fear" über Hass-Sprech an der Berliner Schaubühne
    Szene im Theaterstück "Fear" über Hass-Sprech an der Berliner Schaubühne (Imago)
    "Ich will einfach zeigen, dass ich Deutschland mag, dass ich für Deutschland einiges tun werde und will mich auch nicht an irgendwelchen rechtsradikalen Dingen beteiligen. Ich steh einfach für das Land als Deutschland. Wir sollten aufpassen, dass Deutschland Deutschland bleibt." (Trommelmusik)
    Die Schauspieler tanzen mit abgehackten Bewegungen über die Bühne, während aus Lautsprechern Interviewstatements von Pegida-Anhängern zu hören sind. Was macht Menschen Angst? Falk Richter zitiert in seinem Stück Texte, die er im Internet gefunden hat. Das Führungspersonal der Partei "Alternative für Deutschland" kommt ebenso zu Wort, wie die christlich-fundamentalistische Publizistin Gabriele Kuby.
    "Ich habe die Sprache untersucht. Mich hat interessiert: wie spricht der Hass? Wie spricht die Angst?"
    Falk Richter lässt die Schauspieler in verschiedene Rollen schlüpfen. Mal sind sie Politiker, die fremdenfeindliche Reden schwingen; mal einfache Bürger, die in der ostdeutschen Provinz auf Flüchtlinge warten.
    "Aber wir sind doch das Volk"
    "Das sind alles junge Männer ausgerüstet mit modernsten Handys. Die haben alle Handys. Wieso haben die alle Handys? Wer hat die ausgerüstet mit all diesen modernen Navigationssystemen, die wir uns nicht leisten können?! Und die bekommen Applaus, wenn sie ankommen. Da stehen Leute nachts um zwei an den Bahnhöfen und klatschen, bejubeln die und werfen denen Teddybären zu, geben denen Klamotten, Geld, Essen und klatschen und rufen Bravo! ... Aber wir sind doch das Volk und nicht die. Wieso kriegen die den ganzen Applaus und uns feiert keiner?!"
    Der Schauspieler Kay Bartholomäus Schulze redet sich in Rage - das Gesicht knallrot, der Körper verkrampft. Das ist ein Bild, das die Inszenierung für den Hass liefert. Das Video von Björn Melhus, das groß auf die Bühnenrückwand projiziert wird, wirkt noch um einiges drastischer. (verzerrte Musik)
    Melhus kombiniert Szenen aus Horrorfilmen mit Porträtbildern von Frauke Petry, Gabriele Kuby und Björn Höcke. Die AfD-Politiker sehen aus wie Zombies, die frisch aus dem Grab gekrochen sind.
    "Ein Albtraumbild"
    "Das ist wie so ein Albtraumbild. Das sind die ganzen Protagonisten der Rechtsnationalen Front: Das sind die Leute, die momentan als christlich fundamentalistische Hassprediger oder nationalsozialistische Hassprediger das Volk mobilisieren - auch gegen die Regierung. Die rufen ja auch zum Sturz von Angela Merkel auf.
    "Volksverräter! Volksverräter!" (Chor)
    "Das ist die besondere Art, wie Björn Melhus arbeitet, deswegen habe ich auch mit ihm bei diesem Projekt zusammengearbeitet. Er ist ja Bildender Künstler. Er arbeitet eigentlich nur für seine eigenen Ausstellungen und Kunstwerke. Das heißt ja "Appropriated Art", also er nimmt aus Versatzteilen, die es schon gibt aus dem medialen Bereich Samples. Und die sampelt er neu zusammen und setzt andere Bilder dazu."
    AfD-Politiker als Zombies
    Melhus lässt nicht nur AfD-Politiker als Zombies erscheinen, er kombiniert auch Landschaftsaufnahmen, mit Bildern gesprengter Häuser und züngelnder Flammen.
    "Volksverräter! Volksverräter!" (Chor)
    "Also das ist der Hasssprech, der so im Netz kursiert. Das sind Fragmente aus Interviews, das sind Hasspredigten von Gabriele Kuby und der AFD-Vorsitzenden Petry und der stellvertretenden Von Storch. Mit diesen Leuten, mit dieser Gruppe setzt er sich von seinem Video auseinander. Das sind so Clips, die thematisch etwas bündeln."
    Eine Handlung hat das Stück aber nicht. Mal werden Politiker imitiert, mal persönliche Erinnerungen geschildert. Es geht nicht nur um die Flüchtlingskrise, sondern um das Thema Angst an sich. Werde ich geliebt? Kann ich meine Wohnung noch bezahlen, wenn die Mieten steigen? Werden den Kindern in der Schule Werte vermittelt, mit denen ich mich identifizieren kann?
    "Warum werden in unsere Schulklassen Homo-Paare geschickt, die pubertierende Kinder anturnen, sozusagen, ihnen sagen: Probier's doch mal aus! Warum werden nicht Ehepaare in die Schulen geschickt, die sagen: So geht Familie!"
    Absurd gestriges Weltbild
    Erst werden auf der Bühne konservative Reden gehalten, dann schlüpfen Männer in Frauenkleider. Das absurd gestrige Weltbild von Gabriele Kuby wird lustvoll durch den Kakao gezogen.
    "Wir haben ja eine ganz andere Gesellschaft, als die Rechtskonservativen sich das wünschen. Das ist ja alles Fiktion, man könnte eine rein deutsche Gesellschaft mit geschlossenen Grenzen haben. Das haben wir nicht. Wir leben schon ganz anders."
    Und das ist die Botschaft der ziemlich chaotischen, aber auch kraftvollen Produktion: Deutschland ist ein weltoffenes Land. Und die Mehrheit der Deutschen findet es gut so.