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Flüchtlingsfamilien vor der Abschiebung
Geplatzter Traum vom besseren Leben

Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsländern haben nur geringe Chancen auf Asyl in Deutschland. Wer nach Ablehnung eines Asylantrags nicht freiwillig geht, muss mit Abschiebung und Einreiseverbot rechnen. Viele Familien aus den Westbalkanstaaten müssen Deutschland deshalb bald verlassen - sie blicken mit Sorge in die Zukunft.

Von Dirk Planert | 08.01.2016
    Ein Asylbewerber blickt am 26.10.2012 aus einem Fenster eines Asylbewerberheims in Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern. Vor dem Fenster ist ein Plattenbau und flache Landschaft mit Äckern, Wiesen und Wald zu sehen.
    Blick in eine ungewisse Zukunft: Flüchtlinge vor der Abschiebung. (picture alliance / dpa / Stefan Sauer)
    Tiefschwarzer Mokka duftet durch die Küche, es riecht fast wie in Sarajevo, der Heimatstadt der kleinen Familie mit den vier und zehn Jahre alten Mädchen Mirnesa und Serina. Vater Semir sitzt am Tisch und ist bedrückt, als er von seinen neuesten Plänen berichtet.
    "Dass wir gehen, zurück zu Hause, ist jetzt ein bisschen schwer, der Winter und alles, aber egal. Wir werden das irgendwie schaffen"
    Vor zwei Monaten, bei der entscheidenden Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, hatte man ihnen zwar bereits gesagt, dass sie als Bosnier keine Chance auf Asyl hätten, doch nur zwei Tage später konnten sie die Flüchtlingsunterkunft verlassen, weil die Stadt Dortmund ihnen eine Wohnung stellte. Semir und Arnela Rebronja waren irritiert. Und dann tat sich noch eine Tür auf, mit der sie nicht gerechnet hatten.
    Berufe mit Fachkräftemangel erhöhen Chance auf Bleiberecht
    Findet nämlich ein Flüchtling aus den Westbalkanstaaten einen Job in Berufen mit Fachkräftemangel, dann darf er bleiben, vorausgesetzt, dass kein Deutscher für die Arbeit zu finden ist. Vorrangprüfung nennt sich das. Einer dieser Berufe ist die Altenpflegefachkraft und über einen Bekannten fand Semir Rebronja ein Altenheim, in dem er ein paar Tage Probearbeiten konnte. Doch der Beruf sei nichts für Semir Rebronja, sagt die Leiterin eines Rot Kreuz Altenheimes in Dortmund, Hildegard Schönig:
    "Ich habe Herrn Rebronja kennen gelernt, als einen Menschen der sehr 100 % ist, der sagt was ich mache, das mache ich ganz. Aber ich glaube, dass gerade bei Herrn Rebronja für ihn dieses riesige Arbeitsspektrum ersteinmal erschreckend war und das er gesagt hat, ne das kann ich nicht für mich bewältigen"
    Aus mehreren Tagen Probearbeiten wurde nur einer. Da war bereits klar: Dieser Beruf kommt für den Bosnier nicht in Frage. Die Vergabe der Tabletten sei eine zu große Verantwortung, sagt er. Das könne er nicht.
    "Wenn ich jemand vergesse die Tabletten zu geben, das ist ein Mensch, das ist nicht ein Spielzeug, ein Automobil, muss ich immer daran denken, dass ich was falsch gemacht habe".
    Wer nicht freiwillig das Land verlässt, muss mit Abschiebung rechnen
    Aus dem Job im Altenheim wird also nichts und die Regelung des Asylgesetzes ist deutlich: Die Familie muss am besten freiwillig ausreisen, sonst drohen Konsequenzen.
    "Wenn ich das Papier bekomme, dass sie mich zurück schicken, dann bekomme ich fünf bis zehn Jahre Strafe, hier rein zu kommen."
    Wenn die Familie nicht freiwillig geht, dann kommt es zur Abschiebung und damit zum Einreiseverbot, gültig für die gesamte EU. Das will Semir nicht. Es könne ja sein, dass Bosnien Mitglied der EU werde, sagt er. Dann könne er es vielleicht wieder versuchen. Im Januar will die Familie nun zurückreisen. Jetzt noch nicht, denn die 1039 Euro, die sie für Januar vom Sozialamt bekommen, die wollen sie mitnehmen um damit in Sarajevo über den Winter zu kommen. Eine kleine Wohnung hat die Familie in Aussicht, aber keine Arbeit und damit kein Geld zum Leben. Es wird alles andere als rosig in Sarajevo, doch die Kinder und Mutter Arnela können der Rückkehr auch etwas Positives abgewinnen.
    "Ich bin glücklich meine Mutter und meine Schwester bald zu sehen, aber die Situation wird schwer, besonders für die Kinder. Der Unterschied in der Kultur und im Schulwesen ist groß, ein sehr großer Unterschied", sagt die 26-jährige Mutter.
    Vater Semir legt seiner kleinen Tochter streichelnd die Hand auf den Kopf. Ihn beschäftigt nur eine Frage, wie soll es weitergehen?
    "Das weiss ich auch nicht, aber ich denke, dass der Gott uns nicht vergessen wird und er wird uns helfen."