Freitag, 19. April 2024

Archiv

Flüchtlingspolitik
215 Bürgermeister rufen nach Hilfe

215 Bürgermeister aus Nordrhein-Westfalen haben angesichts der zahlreichen Flüchtlinge einen Hilferuf an Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben. "So gut wie alle verfügbaren Unterbringungsmöglichkeiten sind mittlerweile erschöpft", schreiben sie - und stellen weitreichende Forderungen.

21.10.2015
    Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Dortmund im Dietrich-Keuning-Haus am 6. September 2015.
    Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Dortmund im Dietrich-Keuning-Haus am 6. September 2015. (imago stock & people)
    Der Brief wurde am Mittwoch auf den Seiten des Städte- und Gemeindebunds in Nordrhein-Westfalen veröffentlicht, die 215 Bürgermeister vertreten etwas mehr als die Hälfte der Kommunen in NRW. Die Autoren des Briefes verlangen zudem in einem Acht-Punkte-Plan eine Begrenzung des Zuzugs und Änderungen bei Zuständigkeiten und Organisation der Flüchtlingshilfe. Das Schreiben ging auch an Vizekanzler Sigmar Gabriel sowie an die SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grüne).
    Stadtoberhäupter der Großstädte in NRW fehlen unter den Unterzeichnern. Der Brief steht teilweise im Gegensatz zu den Ergebnisse einer Umfrage unter den Bürgermeistern von 30 Großstädten in Deutschland, die Spiegel online veröffentlicht hatte. Dort kamen eher wenig Probleme zum Ausdruck, unter den Befragten waren auch die Verwaltungschefs von Köln, Düsseldorf, Wuppertal, Bochum, Gelsenkirchen, Aachen, Bonn, Dortmund, Essen, Duisburg, Münster und Bielefeld.
    Bürgermeister sehen kommunale Pflichtaufgaben in Gefahr
    Die Belastungen führten nach Angaben der unterzeichnenden Bürgermeister dazu, "dass die Städte und Gemeinden kaum noch in der Lage seien, ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen". Das im Oktober beschlossene Gesetz zur Beschleunigung der Asylverfahren sei ein richtiger Schritt, werde aber nicht zeitnah dazu führen, die Zahlen spürbar zu verringern. "Es ist zu befürchten, dass Deutschland trotz des Asylpakets weiterhin attraktiv für viele Flüchtlinge sein wird", schreiben die Bürgermeister.
    Laut dem Forderungskatalog, den das Präsidium des Städte- und Gemeindebunds einstimmig beschlossen hatte, sollen Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten an der deutschen Außengrenze abgewiesen und Grenzkontrollen ausgeweitet werden. Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern sollten ihre Asylverfahren vom eigenen Land aus betreiben. Die nationalen Asylgesetze in den EU-Ländern müssten harmonisiert werden - mit einheitlichen Standards und Leistungsvorgaben.
    Forderung nach Einwanderungsgesetz
    Weiter verlangen die unterzeichnenden NRW-Bürgermeister, der Bund müsse in eigenen Erstaufnahmezentren alle Flüchtlinge zentral registrieren und sie danach auf Einrichtungen von Bund und Ländern verteilen. Und: "Der Bund muss viel stärker als bisher geplant und langfristiger operativ in die Betreuung einsteigen und mindestens die Hälfte aller Flüchtlinge aufnehmen, betreuen und bei negativem Ausgang in ihre Heimatländer zurückführen." Darüber hinaus solle zeitnah ein Einwanderungsgesetz diskutiert und geprüft werden.
    Der Bund hatte vor einem Monat angekündigt, selbst 40.000 Erstaufnahmeplätze zu schaffen. Zudem fließt an die Länder ab 2016 pro Monat und Flüchtling eine Pauschale von 670 Euro. In Düsseldorf kamen am Mittwoch im Innenministerium Regierungsvertreter mit den kommunalen Spitzenverbänden zusammen, um über Kostenaufteilung und Entlastung der Kommunen zu beraten. 2015 hat NRW bereits mehr als 182.000 Schutzsuchende aufgenommen, bundesweit gehen offizielle Schätzungen für das Gesamtjahr von 800.000 Flüchtlingen aus.
    Spitzentreffen verschiedener Regierungschef
    EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker lud derweil für Sonntag einige europäische Staats- und Regierungschefs zu einem Spitzentreffen nach Brüssel ein. Bei der Zusammenkunft solle es um die Westbalkanroute gehen, teilte die EU-Kommission mit. Auch Merkel werde erwartet. Eingeladen sind neben ihr die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder Österreich, Bulgarien, Kroatien, Griechenland, Ungarn, Rumänien und Slowenien. Die Kommission strebt gemeinsame Schlussfolgerungen an, die direkt in die Tat umgesetzt werden könnten. Kroatien und Slowenien sind derzeit mit einem Ansturm Tausender Menschen konfrontiert. Slowenien beschloss in der Nacht zum Mittwoch, Militär an seiner Grenze einzusetzen. In Griechenland kommen immer noch viele Flüchtlinge aus der Türkei an.
    (nch/am)