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Flüchtlingspolitik
Herrmann: Schneller über Asylanträge entscheiden

Angesichts stark steigender Flüchtlingszahlen muss über Asylanträge schneller entschieden werden, fordert der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Das würde auch die Belastungen für die Gemeinden verringern, sagte er im DLF. Abgelehnte Asylbewerber müssten dann so schnell wie möglich zurück in ihre Herkunftsländer gebracht werden.

Joachim Herrmann im Gespräch mit Christine Heuer | 16.07.2015
    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU)
    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) (imago stock & people)
    Es gebe derzeit rund 240.000 noch nicht entschiedene Anträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im DLF. Über diese Anträge müsse schneller entschieden werden. "Echte Flüchtlinge" müssten dann gut untergebracht und integriert werden. Den Vorschlag des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), die Flüchtlinge anders in Deutschland zu verteilen, lehnte Herrmann ab. Es sei wenig sinnvoll, Flüchtlinge etwa in leerstehenden Häuser in Ostdeutschland unterzubringen, er erwarte stattdessen von den Grünen, dass sie mit dafür stimmten, etwa Kosovo und Albanien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus diesen Ländern liege zwischen 0,5 und 1 Prozent, sagte Herrmann.

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Tausende Menschen flüchten sich jeden Tag nach Europa auf dem See- und auch über den Landweg, die meisten stranden buchstäblich in Südeuropa, in Italien und Griechenland vor allem. In der Ägäis sitzen zurzeit viele ohne ausreichend Nahrung und Wasser fest, das berichten jedenfalls Hilfsorganisationen vor Ort. Und was machen die europäischen Politiker? Sie verhandeln über Verteilquoten für Flüchtlinge auf ihre Länder, bislang ohne richtiges Ergebnis. Auch in den Bundesländern wachsen derweil die Probleme bei der Aufnahme von Menschen in Not. Am Telefon ist der bayrische Innenminister Joachim Herrmann, guten Morgen!
    Joachim Herrmann: Guten Morgen!
    Heuer: In der Ägäis sind Zigtausende Flüchtlinge gestrandet. Was, Herr Herrmann, muss Deutschland tun, um ihnen zu helfen?
    Herrmann: Deutschland beteiligt sich im Moment ja groß an dem Marineeinsatz im Mittelmeer, um zu verhindern, dass die Menschen dort ertrinken. Da leistet die Bundesmarine einen großen Beitrag. Und ich glaube, das ist auch ein ganz wichtiges Signal. Wir müssen alles dafür tun, dass diese vielen Todesfälle, die es über die letzten Jahre gegeben hat, wo Menschen ertrunken sind auf dem Weg von Afrika nach Europa, dass dies auf jeden Fall gestoppt wird.
    Heuer: Also ein wichtiges Signal. Aber die Menschen sitzen da und die brauchen Hilfe. Die Grünen fordern jetzt ein Nothilfeprogramm von Deutschland und der EU. Finden Sie das auch richtig, sind Sie auch dafür?
    Dem Missbrauch entgegenwirken
    Herrmann: Entscheidend ist, dass wir heute in Deutschland erleben, dass sehr viele in unser Land kommen, die keinen Asylanspruch haben. Und deshalb müssen wir in jeder Hinsicht immer deutlich machen, ja, allen echten Flüchtlingen - zum Beispiel aus Syrien und dem Irak -, denen müssen wir helfen, da müssen wir auch mit einer klaren Willkommenskultur deutlich machen, es ist unser Selbstverständnis, dass wir Menschen in Not helfen, dass wir sie gut aufnehmen und die, die auf Dauer hier bleiben, auch gut integrieren. Aber auf der anderen Seite müssen wir dort, wo Menschen nur aus wirtschaftlichen oder finanziellen Gründen in unser Land kommen, alles dafür tun, diese letztendlich missbräuchliche Entwicklung einzudämmen.
    Heuer: Ja. Aber was bedeutet das jetzt für die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln? Helfen oder nicht helfen?
    Herrmann: Nun, wir müssen allen Menschen natürlich am Überleben helfen. Aber wir müssen dort, wo ganz offensichtlich auch Menschen nur von Schleuserbanden gegen viel Geld in unser Land gebracht werden, weil ihnen alle möglichen Versprechungen über ihre künftigen Arbeitsplätze und Einkommen gemacht werden, wir müssen diesem Missbrauch schon auch entgegenwirken. Und deshalb müssen wir einwirken letztendlich auf die Länder. Das ist eine langfristige Entwicklung auf die Länder, wo die herkommen, wie sind die Fluchtursachen, aus welchen Ländern Afrikas kommen die. Klar ist, das wird nicht auf einer Insel in der Ägäis schon geleistet werden können, das hängt in der Ägäis natürlich auch mit dem sehr schwierigen Zustand des griechischen Staats zusammen. Natürlich müssen wir möglichst Griechenland jetzt wieder auf die Beine helfen, damit dort auch entsprechend vernünftig gearbeitet werden kann und damit dort auch eine normale Behandlung, Versorgung von Flüchtlingen auch organisiert werden kann.
    Heuer: Also, Herr Herrmann, ich verstehe Sie richtig: Als Christ, der Sie ja auch sind, sagen Sie: Ja, wir müssen diesen Menschen jetzt konkret helfen in dieser akuten Notsituation?
    Flüchtlinge nachts von Schleusern auf der Straße ausgesetzt
    Herrmann: Wir müssen Menschen, die in akuter Not sind, helfen, das ist gar keine Frage. Aber wir müssen in der Tat dort, wo diese missbräuchliche Entwicklung zu beobachten ist, auch in den nächsten Monaten alles dafür tun, das einzudämmen.
    Heuer: Bayern ist ja von dieser Flüchtlingswelle besonders betroffen, bei Ihnen kommen besonders viele Flüchtlinge aus Italien an, aber auch aus Österreich. Sind Sie damit überfordert?
    Herrmann: Das ist eine extreme Belastung, die wir im Moment erleben. Das sind allein jetzt in der vergangenen Woche wieder über 5.000 Menschen gewesen, die neu angekommen sind hier an der Südgrenze, überwiegend eben vom Balkan oder von Italien her, die von Schleusern zum Teil einfach nachts auf der Straße ausgesetzt werden. Die müssen alle vernünftig erst einmal untergebracht werden. Aber es ist auch klar eine massive Belastung für die Kommunen vor Ort. Und wir werden hier konsequent vorgehen müssen, auch da gilt, so schnell wie möglich diejenigen, die echte Flüchtlinge sind, aufnehmen und sie dann in Deutschland entsprechend gut verteilen, in gute Unterkünfte bringen, gut integrieren. Aber wir gehen auch konsequent vor beispielsweise bei denen aus den sicheren Herkunftsländern vom Westbalkan, Mazedonien, Serbien, wir haben Anerkennungsquoten durch das Bundesamt beim Kosovo, bei Albanien von irgendwo zwischen null und ein Prozent, da müssen alle anderen so schnell wie möglich zurückgeführt werden. Im Moment ist es immer noch so, dass das Bundesamt nicht schnell genug entscheidet. Wir haben in Deutschland im Moment 240.000 noch nicht bearbeitete Anträge, noch nicht abschließend entschiedene Anträge, das ist auch eine große Belastung für viele Kommunen in Deutschland. Und deshalb ist die klare Erwartung, das Bundesamt muss schneller entscheiden, wir müssen dort, wo jemand abgelehnt wird, auch die Leistungen reduzieren und die Menschen so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückbringen.
    Heuer: Herr Herrmann, Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident in Baden-Württemberg, der fordert einen anderen Verteilschlüssel. Die Flüchtlinge, sagt er, sollen dahin, wo Platz ist. Das heißt dann zum Beispiel nach Ostdeutschland. Halten Sie das für eine gute Idee?
    Bundespolizei an der Grenze in Bayern verstärken
    Herrmann: Ich muss mich schon wundern, dass ausgerechnet ein grüner Ministerpräsident solche Vorschläge macht. Es ist offensichtlich ein Indiz dafür, dass auch Baden-Württemberg merkt, dass dort langsam die Kommunen überfordert werden. Aber angesichts der Stimmung, die wir ja auch immer wieder aus manchem ostdeutschen Bundesland erfahren haben, glaube ich nicht, dass wir dadurch, dass wir sagen, ja, in Ostdeutschland gibt es ein paar leerstehende Wohnungen und jetzt bringen wir die dann alle dorthin, dass das die Probleme löst. Nein, ich würde mir erwarten von den Grünen, beispielsweise auch von Herrn Kretschmann, dass bei dem Thema, dass zum Beispiel auch Kosovo, Montenegro, Albanien als sichere Herkunftsländer anerkannt werden, da eine Bereitschaft besteht. Dann könnte man nämlich manches wesentlich schneller abarbeiten und dann könnte man eben Menschen, die aus diesen Ländern kommen, auch schneller wieder zurückführen. Es ist besser, Kosovaren und Albaner in ihre Heimat zurückzubringen als zu sagen, die bringen wir jetzt alle nach Ostdeutschland.
    Heuer: Wir haben nicht mehr sehr viel Zeit, Herr Herrmann, aber ich würde gern noch darüber sprechen, dass die Bundespolizei ja schon bei der Registrierung der Menschen nicht mehr nachkommt, die zum Beispiel nach Bayern kommen. Und da weiß man dann hinterher ja gar nicht, wer ist da jetzt eigentlich ins Land gekommen. Da können ja möglicherweise auch zum Beispiel Dschihadisten mit dabei sein. Was tun Sie, um dieses Risiko auszuschalten, ganz konkret in Bayern?
    Herrmann: Ich habe darüber mit dem Bundesinnenminister gesprochen, die Bundespolizei wird jetzt noch verstärkt. Aber es ist nicht so, dass die Menschen einfach unregistriert im Land unterwegs sind, es geht um die Frage, ob die unmittelbar von der Bundespolizei schon ganz grenznah beispielsweise in Passau registriert werden oder ob die erst von der Bundespolizei in die nächste Erstaufnahmeeinrichtung gebracht werden und dort registriert werden. Aber klar ist, die Bundespolizei muss ihr Personal hier auch an der Südgrenze verstärken, denn wir haben im Moment diese extreme Belastung, wir haben diesen Verteilungsschlüssel innerhalb Deutschlands. Aber bei der Ankunft ist zunächst einmal die Südgrenze Bayerns weit überdurchschnittlich betroffen ...
    Heuer: Herr Herrmann?
    Herrmann: ... und deshalb muss die Bundespolizei auch entsprechend dort verstärkt präsent sein.
    Heuer: Okay. Vielen Dank! Sie merken, die Zeit drängt, der bayrische Innenminister Joachim Herrmann war das. Danke fürs Interview, schönen Tag!
    Herrmann: Danke, Ihnen auch einen schönen Tag! Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.