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Flüchtlingspolitik
Merkel und al-Sisi verkünden stärkere Zusammenarbeit

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi haben eine engere Zusammenarbeit vereinbart, um die Zahl der über das Mittelmeer nach Europa kommenden Flüchtlinge zu verringern. Menschenrechtsorganisationen und die Opposition kritisieren die geplante Kooperation wegen der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in Ägypten.

02.03.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch in Ägypten bei Präsident Abdel Fattah al-Sisi
    Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch in Ägypten bei Präsident Abdel Fattah al-Sisi (dpa / picture-alliance / Soeren Stache)
    Merkel und al-Sisi erklärten ihre Zusammenarbeit bei einer Pressekonferenz am Donnerstag nach einem Treffen in Kairo. Beide hatten zuvor über Fragen der Grenzsicherung, des Anti-Terrorkampfes sowie einer Verbesserung der Lebenssituation von Flüchtlingen in Ägypten gesprochen. Das Land habe 500.000 syrische Flüchtlinge und noch weitaus mehr aus dem Sudan und anderen afrikanischen Ländern aufgenommen, sagte Merkel. "Deshalb haben wir hier eine gemeinsame Aufgabe, auch das Schicksal der Flüchtlinge zu verbessern."
    Pakt mit nordafrikanischen Staaten schwierig
    Die Europäische Union strebt mit den nordafrikanischen Ländern eine Übereinkunft an, die dem Flüchtlingspakt mit der Türkei ähnelt. Seit dem 20. März 2016 sollen Migranten, die über das Meer nach Griechenland gelangten, von der Türkei wieder zurückgenommen werden, sofern diese in der EU kein Asyl erhalten. Auf die Frage nach möglichen Auffanglagern für Flüchtlinge in Ägypten sagte sie, an diesem Punkt der Diskussion sei man noch nicht. Die Kanzlerin betonte aber: "Es geht nicht darum, dass Menschen, die gar nicht aus Ägypten gekommen sind, von Ägypten zurückgenommen werden."
    Ein solcher Pakt mit nordafrikanischen Ländern ist allerdings vor allem wegen des Konfliktlandes Libyen kaum umsetzbar, wo Milizen seit Jahren gegeneinander kämpfen, und von wo aus die meisten Flüchtlinge übers Mittelmeer nach Europa übersetzen. Ägypten hat enge Kontakte zum mächtigen General Chalifa Haftar, der im Osten eine eigene Armee befehligt und bislang nicht bereit ist, sich einer Einheitsregierung unterzuordnen.
    Wie die Zeitung "Die Welt" unter Berufung auf EU-Diplomaten berichtete, wollte Merkel aber "konkrete Angebote" unterbreiten. Während mit Tunesien über eine Visa-Liberalisierung und ein Freihandelsabkommen mit der EU diskutiert werden solle, gehe es im Fall von Ägypten neben einer Visa-Liberalisierung für Geschäftsleute und Studenten vor allem um Finanzhilfen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Land.
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    Merkel reist nun nach Tunesien weiter
    Am Nachmittag sollte Merkel noch den Koptenpapst Tawadros II. in der Markuskathedrale im Kairoer Stadtteil Abbassija treffen und auch die anliegende St.-Peter-und-Paul-Kirche besichtigen. Dort war im Dezember ein Bombenanschlag verübt worden, 29 Menschen kamen dabei ums Leben. Erst vor wenigen Tagen waren nach einer Serie tödlicher Angriffe durch Milizen auf dem Nordsinai Dutzende koptische Familien umgesiedelt worden. Später reist Merkel weiter nach Tunesien.
    Breite Kritik an Menschenrechtsverletzungen in Ägypten
    Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Luise Amtsberg, hatte die Pläne für eine enge Zusammenarbeit mit Ägypten kritisiert. Die Kanzlerin müsse ihren Ägypten-Besuch zum Anlass nehmen, "der Regierung al-Sisi gegenüber deutliche Worte zu finden zur menschenrechtlichen Lage im Land". Merkel sagte bei der Pressekonferenz, dass Rechtsstaatlichkeit und eine vielfältige Zivilgesellschaft eine große Bedeutung für die gute Entwicklung eines Landes hätten.
    Auch Amnesty International hatte Merkel aufgerufen, öffentlich zur Menschenrechtslage in Ägypten Stellung zu nehmen. "Zivilgesellschaft, Medien und die politische Opposition leiden zunehmend unter staatlichen Repressionen", kritisierte der Ägypten-Experte der Menschenrechtsorganisation, René Wildangel. Die Bundesregierung müsse daher gegenüber Kairo "deutlich machen, dass eine Vertiefung der Zusammenarbeit mit Deutschland nur möglich ist, wenn die Menschenrechte geachtet werden". Folter sei weit verbreitet, die Lage sei schlimmer als unter al-Sisis Vor-vorgänger Husni Mubarak. Nahost-Experte Michael Lüders sagte im Deutschlandfunk, al-Sisi "hat aus Ägypten ein Land gemacht, in dem es Freiheitsrechte eigentlich nicht mehr gibt. Es gab unter Mubarak schon wenig Freiheiten, aber unter Sisi gibt es noch sehr viel weniger".
    Die autoritäre Regierung von Präsident al-Sisi unterdrückt abweichende Meinungen in Gesellschaft und Medien. Menschenrechtsorganisationen zufolge sitzen Zehntausende teilweise ohne angemessenen Prozess im Gefängnis. Gleichzeitig genehmigte die Bundesregierung 2016 die Ausfuhr von Rüstungsgütern nach Ägypten im Wert von 400 Millionen Euro. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken warf Merkel vor, mit Präsident al-Sisi einen "Diktator" zu treffen, "der sein Volk mit brutalster Gewalt unterdrückt". Mit ihrer Reise mache Merkel "Propaganda für diesen Diktator - nur damit er uns ein paar Flüchtlinge vom Hals hält. Ich finde das widerlich", sagte der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im ZDF.
    Deutsche Stiftungen in Ägypten unter Druck
    Die ägyptische Regierung will nun die nach staatlichen Repressalien eingestellte Arbeit politischer Stiftungen aus Deutschland wieder zulassen. Es sei gelungen, "die Grundsätze für ein Zusatzabkommen zum Kulturabkommen zu vereinbaren, so dass in Zukunft die rechtliche Situation der Stiftungen geregelt ist und dass dann auch die Fälle der Vergangenheit bearbeitet werden können", sagte Merkel. Die Grundsatzeinigung müsse nun noch vom ägyptischen Parlament verabschiedet werden. In den vergangenen Jahren hatten etwa die Friedrich-Naumann-Stiftung und die Konrad-Adenauer-Stiftung ihre Arbeit eingestellt, andere bekamen keine Zulassung.