Donnerstag, 18. April 2024

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Flüchtlingspolitik
Uhl: AfD-Äußerungen sind rechtswidrig, nicht rechtsextrem

Die Äußerungen der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry zum Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge seien indiskutabel und rechtswidrig, sagte der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl im Deutschlandfunk. Ob ihre gesamte Partei deshalb eine verfassungswidrige Organisation sei, sei aber eine völlig andere Frage.

Hans-Peter Uhl im Gespräch mit Christiane Kaess | 01.02.2016
    Hans-Peter Uhl, früherer Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innenpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
    Hans-Peter Uhl: "Ich wäre vorsichtig an der stelle von Herrn Gabriel." (picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka)
    Petry hatte in einem Interview gesagt, Polizisten müssten illegale Einreisen stoppen und als Ultima Ratio auch ihre Schusswaffe einsetzen. Deshalb hatte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel gefordert, der Verfassungsschutz solle die AfD überwachen. Uhl betonte, es sei allein Aufgabe des Bundesamtes zu klären, ob die Partei gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoße.
    Uhl sagte, die Äußerungen seien rechtswidrig, aber nicht rechtsextrem. Laut Umfragen würde die AfD mehr als zehn Prozent der Stimmen erhalten. Diese Wähler als rechtsextrem zu stigmatisieren, lehne er ab. Seiner Einschätzung nach könnten die Äußerungen dazu führen, dass sich manche Menschen von der AfD abwandten. "Mit dieser Vorstellung sind viele bürgerliche Menschen irritiert, die bisher bereit waren, die AfD wegen Frustration über die übrige Parteienlandschaft zu wählen."

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry hat mit ihrer Äußerung zum Einsatz von Schusswaffen gegen Flüchtlinge an der Grenze einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien, sie reagierten empört. Die stellvertretende AfD-Chefin Beatrix von Storch, die hatte ja diese Forderung auch noch erweitert auf Kinder, bevor sie dann gestern Abend ein Stück zurückruderte. Mittlerweile gibt es auch Widerspruch gegen die Forderung von SPD-Chef Sigmar Gabriel nach einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Der CDU-Innenpolitiker Bosbach zum Beispiel, der lehnt es ab, dem Verfassungsschutz Vorgaben zu machen. - Am Telefon ist Hans-Peter Uhl von der CSU, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, davor lange Jahre innenpolitischer Experte der Union. Guten Morgen, Herr Uhl.
    Hans-Peter Uhl: Guten Morgen, Frau Kaess!
    Kaess: Herr Bosbach sagt, wer beobachtet werde, das entscheide der Verfassungsschutz selbst. Ist die Forderung von Sigmar Gabriel nicht gerechtfertigt?
    Uhl: Ja, so ist es auch. Herr Bosbach hat recht und auch Herr Clement hat in seiner Darstellung vollkommen recht. Wenn eine Äußerung gefallen ist wie die der Vorsitzenden Petry, dann muss man erst mal mit der Äußerung korrekt umgehen und sie bewerten. Sie ist völlig indiskutabel. Es ist rechtswidrig, was sie fordert oder ins Gespräch bringt. Es wäre absolut unverhältnismäßig, mit dem Schusswaffengebrauch auf illegale Migration zu reagieren. Das weiß jeder Bundespolizist, das weiß jeder Jurist, egal wo er tätig ist. Das ist das eine. Da braucht man gar nicht drüber reden. Das ist rechtswidrig, was sie vorschlägt. Die Frage, die sie jetzt gestellt haben, ist eine völlig andere. Ob die ganze Partei AfD wegen dieser Äußerung eine verfassungswidrige Organisation ist, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden muss, um sie möglicherweise danach vielleicht sogar noch zu verbieten, das ist ja eine völlig andere Frage, und da bin ich auch der Meinung, das ist die Aufgabe des Verfassungsschutzes zu klären, ob die freiheitlich-demokratische Grundordnung möglicherweise sogar gewaltsam durch die AfD in Gefahr gebracht wird.
    "Ich halte es für verkehrt, die AfD nicht zu Talkshows einzuladen"
    Kaess: Aber Sigmar Gabriel sagt ja auch, er habe massive Zweifel, ob die AfD auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe. Haben Sie diese Zweifel nicht?
    Uhl: Ich wäre vorsichtig mit solchen Äußerungen.
    Kaess: Ist ja nur eine Vermutung.
    Uhl: Ja! Das ist ja eine politische Vermutung. Mit der beabsichtigt er ja die Ächtung einer neuen Partei, die übrigens nach neuesten Umfragen über zehn Prozent der Deutschen bereit sind zu wählen. Da wäre ich vorsichtig an der Stelle von Herrn Gabriel. Da sind nämlich sehr, sehr viele ehemalige SPD-Wähler dabei, die mittlerweile bereit sind, AfD zu wählen. Man muss sich mit diesen Gedanken auseinandersetzen. Deswegen halte ich es auch für völlig verkehrt, sie bei Talkshows nicht einzuladen. Nein, die einfachen Antworten muss man sich vornehmen, sie zerlegen und muss sich gemeinsam Gedanken machen, wie wir unser Problem, das wir offensichtlich haben, dass die Bevölkerung in Deutschland aufgewühlt ist und gespalten wird, dass die Mitte zu immer schrilleren Tönen neigt - das ist ja nicht nur diese Äußerung; es gibt ja noch viele, viele andere Äußerungen -, darüber muss man sich gemeinsam Gedanken machen in der Parteienlandschaft, wie es eine AfD in der kurzen Zeit zu über zehn Prozent bringen konnte.
    Kaess: Aber mehr als Empörung können Sie der AfD dabei nicht entgegensetzen?
    Uhl: Doch, ich habe sehr viel mehr. Ich habe Lösungsvorschläge, die anders sind als die der AfD mit Schusswaffengebrauch.
    "Wir müssen diese massenhafte illegale Einwanderung stoppen"
    Kaess: Ist die AfD nach diesen Äußerungen vom Wochenende nicht mehr als rechtspopulistisch zu bezeichnen, sondern schon als rechtsextrem?
    Uhl: Nein. Es ist eine indiskutable Äußerung, die rechtswidrig ist von Frau Petry. Aber deswegen über zehn Prozent der Deutschen zu stigmatisieren als rechtsextrem, ist völlig verfehlt.
    Kaess: Es geht ja um die Partei, nicht um die Wähler.
    Uhl: Ja natürlich geht es um die Wähler, die bereit sind, diese Partei zu wählen.
    Kaess: Ihre Einschätzung, wird die AfD weitere Wählerstimmen mit diesen Vorstößen vom Wochenende sammeln können?
    Uhl: Mit dieser Vorstellung, glaube ich, sind doch viele bürgerliche Menschen irritiert, die bisher bereit waren, dieser AfD aus Frustration über die übrige Parteienlandschaft zu wählen.
    Kaess: Spricht aus der Äußerung Hass?
    Uhl: Wir werden zugeben müssen, dass die Bevölkerung in Deutschland durch diese massenhafte Migration aufgewühlt ist. Es kommen Emotionen, die immer schrillere Töne auslösen. Das ist schon sehr, sehr bedenklich. Daran zeigt sich doch, dass wir unverzüglich etwas tun müssen, dass diese massenhafte illegale Einwanderung gestoppt wird.
    Kaess: Viele Beobachter sprechen von Hass. Ist das ein Hass, der durchaus in der Gesellschaft Widerhall findet?
    Uhl: Nein, es ist nicht Hass. Es ist diese Ohnmacht gegenüber denen da oben, die die Grenzen öffnen für Jedermann. Das akzeptiert das deutsche Volk nicht. Das würde übrigens kein einziges Volk akzeptieren.
    "Wir werden einen neuen Schengen-Vetrag entwickeln müssen"
    Kaess: Was macht die Politik also falsch?
    Uhl: Indem sie die Grenzen geöffnet haben, dies schon seit September für Jedermann.
    Kaess: Das war der Fehler?
    Uhl: Das war ein schwerer Fehler.
    Kaess: Von Frau Merkel?
    Uhl: Ja selbstverständlich, und von der ganzen Bundesregierung, die das mitgetragen hat. Und dieses muss jetzt beendet werden.
    Kaess: Wie?
    Uhl: Wir werden uns über unser Schengen-Grenzsystem, das ja erkennbar für Jedermann zusammengebrochen ist, Gedanken machen müssen. Einen neuen Schengen-Vertrag werden wir entwickeln müssen, der darauf aufbaut, dass selbstverständlich die EU-Außengrenzen endlich gesichert werden. Das wird aber wohl nicht reichen. Wir werden parallel ergänzend dazu punktuelle Kontrollen an den EU-Binnengrenzen zusätzlich in Zukunft brauchen. Warum? Weil wir einen Schengen-Vertrag alter Art ohne internationalen Terrorismus entwickelt haben, weil wir den Schengen-Vertrag alter Art ohne Völkerwanderung entwickelt haben. Das heißt, das ist eine naive Regelung, die reicht nicht, um diesen beiden Herausforderungen unserer Zeit der kommenden Jahre und Jahrzehnte zu meistern. Das geht nur mit Grenzkontrollen außen und auch innen.
    Kaess: Die Meinung von Hans-Peter Uhl von der CSU. Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Danke für das Interview heute Morgen.
    Uhl: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.