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Flüchtlingsunterkünfte
Journalisten müssen draußen bleiben

Kaum ein Thema beschäftigt die Medien zurzeit mehr als die Flüchtlinge. Bei den Recherchen kollidieren die Interessen der Journalisten oft mit denen der Behörden. In Hamburg dürfen Journalisten die Erstaufnahmeeinrichtungen nicht von innen sehen – obwohl auch die Flüchtlinge das befürworten würden.

Von Swantje Unterberg | 22.08.2015
    "Da haben wir, damit es wenigstens einen Hauch von Abgrenzung ist, sind das Bauzäune und dann sind da so feuerfeste Folien rumgezogen worden, damit es so kleine Areale, was heißt klein, Areale gibt von ungefähr 30 Leuten, und dort stehen Betten, und dort übernachten die."
    16 Erstaufnahmeeinrichtungen gibt es zurzeit in Hamburg. Hier werden die Flüchtlinge die ersten drei Monate nach ihrer Ankunft untergebracht. Journalisten ist der Zutritt zu den Unterkünften aber untersagt, zum Schutz der Flüchtlinge, sagt Johanna Westphalen, Leiterin des Einwohnerzentralamtes, dem auch die Ausländerbehörde unterstellt ist.
    "Das sind unsere Schutzbefohlenen, und die sollen selber entscheiden können, ob es von ihnen Bild- oder Tonaufnahmen gibt, und das können wir nicht gewährleisten, wenn Presse in unsere Einrichtungen geht. Es gibt genug Möglichkeiten, das von außen zu tun, wir haben auch früher, als wir noch etwas mehr Zeit hatten, der Presse vor der Eröffnung die Möglichkeit gegeben, sich das einmal anzusehen. Aber wir bleiben dabei: Das ist ein geschützter Raum und da lassen wir keine Presse rein."
    Das Publikum quittiert das Zutrittsverbot mit Applaus, groß ist offenbar das Misstrauen gegenüber Journalisten, dass sie ihren Job nicht verantwortungsvoll machen. Dabei zeigt das Beispiel Berlin, dass Behörden Journalisten mehr Vertrauen entgegenbringen können. Noch im Frühjahr war es nach Anmeldung problemlos möglich, Amt und Unterkünfte zu besuchen. Selbstverständlich mit der Vorgabe, Ton- oder Bildaufnahmen nur zu machen, wenn die Flüchtlinge einverstanden sind. Mittlerweile muss die Behörde den Zugang kanalisieren, aus aller Welt erhalte sie Presseanfragen. "Wir müssen die Mitarbeiter schützen und ihre wichtige Arbeit machen lassen, alle arbeiten derzeit unter Hochdruck", teilt Pressesprecherin Regina Kneiding mit.
    Flüchtlingsrat fordert freien Zutritt für Journalisten
    Ob nun aufgrund der angespannten Personalsituation oder zum Schutz der Privatsphäre von Flüchtlingen, ist es überhaupt rechtens, Journalisten der Tür zu verweisen?
    "Lassen Sie mich durch, ich bin Journalistin, so weit geht das Spiel natürlich nicht", sagt Martin Dieckmann, Fachbereichsleiter Medien bei Verdi. "Hier es geht nicht nur um Privatsphäre, hier geht es auch um Schutz von politisch Verfolgten, es gibt schlimme Geschichten aus ganz Europa, wie Leute woanders identifiziert worden sind."
    Trotzdem plädiert Dieckmann für einen geregelten Zugang für Journalisten: Angekündigte Pressetermine in den Einrichtungen, auf die sich die Flüchtlinge einstellen können, und Fachgespräche mit politisch Verantwortlichen. Denn nur, wenn die Bürger um die schwierigen Umstände für Flüchtlinge wissen, könnten sie auch Verständnis und Mitgefühl haben: "Wir müssen einfach in dieser Situation sehr souverän umgehen, und souverän heißt, diese Leute schützen wir, aber wir schützen die Flüchtlinge nicht, indem wir sie vor der Öffentlichkeit verbergen."
    Mira Knopf vom Flüchtlingsrat Hamburg geht das noch nicht weit genug: "Der Flüchtlingsrat fordert freien Zutritt für Medien, und freier Zugang bedeutet, zu jeder Zeit, immer, weil dann halt nicht aufgeräumt werden kann und nicht die Zustände, wie sie sind, verborgen werden können."
    Dabei unterstellt die Aktivistin aber nicht generell, dass etwas vertuscht werde: "Also es ist einfach ein sehr bedrückendes Gefühl, in die Räume zu gehen, in die beengenden Räume, und es ist total trostlos. Und diese Gefühle halt auch durch Medien ausdrücken zu können, wie das ist, in solchen Massen von Menschen, die alle irgendwie Trauer oder Krieg hinter sich haben", dass sei nur möglich, wenn die Journalisten selbst Zugang hätten.
    Und was halten die Betroffenen von dem Verbot? Draußen vor der Messehalle, auf einem kleinen Platz an einer großen Straße, können Journalisten mit den Flüchtlingen sprechen. Die 24 Jahre alte Albanerin Miranda reagiert mit Unverständnis auf das Zutrittsverbot: "Das ist nicht gut, denn die Bedingungen sind nicht sehr gut. Und ich denke, die wollen nicht, dass Sie das sehen."
    Und ein Flüchtling aus Syrien, der seinen Namen nicht nennen mag, sagt: "Sie müssen da rein. Sie sind die Stimme der Wahrheit, gerade jetzt."