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Flüchtlingsunterkünfte
Schleswig-Holstein verschenkt hunderte Container

Wie fast alle Bundesländer musste Schleswig-Holstein 2015 schlagartig reihenweise Wohncontainer für Flüchtlinge auftreiben. Rund 12.000 wurden damals gekauft. Doch inzwischen ist klar: Das Land hat viel zu viele. Einige werden nun verschenkt - unter einer Bedingung.

Von Johannes Kulms | 18.04.2017
    Flüchtlinge stehen im Dezember 2015 in einer Asylbewerberunterkunft in Kiel auf einem Platz zwischen Wohncontainern.
    Flüchtlinge stehen im Dezember 2015 in einer Asylbewerberunterkunft in Kiel auf einem Platz zwischen Wohncontainern. (dpa / picture alliance)
    Für das Amt Nortorf ging es ziemlich schnell: Im Februar hatte die 18.000-Einwohner-Gemeinde südlich von Kiel Interesse angemeldet an den landeseigenen Containern. Das war noch recht früh – und so erhielt sie eine knappe Woche später den Zuschlag für neun Exemplare.
    Inzwischen stehen die weißen Boxen auf dem Gelände der Freiwilligen Feuerwehr – und warten auf ihren Einsatz. Ein Container steht an der südlichen Wand des Gerätehauses – an diesem Vormittag im Regen…
    "Der wird hier erstmal vorläufig bleiben, um erstmal sicherzustellen, dass die ganzen Zelte der Jugendfeuerwehr ordentlich gelagert werden können aber im Notfall könnte man den hier auch abziehen", sagt Thomas Schröder, Mitarbeiter im Nortorfer Ordnungsamt und Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr.
    "Ebenso haben wir zwei weitere Container in der Gemeinde Emkendorf an der dortigen Grundschule stehen. Und dort ist es so, dass diese Container dort genutzt werden als Lagerungscontainer für Sportsachen weil das auch unmittelbar an eine Turnhalle und Sportplatz angrenzt."
    "Seit einigen Wochen hoffnungslos abgesoffen"
    Feuerwehren, Sportvereine, Kindergärten, Grundschulen, Obdachloseneinrichtungen und viele mehr: Seitdem Schleswig-Holstein angekündigt hat, mindestens 900 Container kostenlos abzugeben, ist eine ziemlich lange Liste von Interessenten entstanden.
    Nicht alle kommen so schnell zum Zuge wie das Amt Nortorf, räumt auch Lars Ohse ein. Ohse leitet in Kiel beim landeseigenen Gebäudemanagement Schleswig-Holstein, kurz GMSH den Bereich Beschaffung – und bittet um Geduld. Die Anfragen würden der Reihenfolge nach abgearbeitet.
    "Wir sind seit einigen Wochen hoffnungslos – um es mal auf norddeutsch zu sagen – abgesoffen. Es kam hier zum absoluten Run auf die Container. Wir hatten kaum noch Möglichkeiten, unsere Telefonzentrale aufrecht zu erhalten."
    Rund 6.000 Telefonate und 4.000 E-Mails hätten er und sein Team beantworten müssen, schätzt Ohse.
    Wie überall in Deutschland sah sich auch die GMSH im Jahre 2015 angesichts der hohen Zahl von ins Land kommenden Flüchtlingen gezwungen, quasi über Nacht reihenweise Wohncontainer aufzutreiben. Rund 12.000 solcher Boxen hat das Land Schleswig-Holstein in der Hochphase gekauft und gemietet. Die Kosten dafür: Rund 100 Millionen Euro. Doch inzwischen ist klar: Das Land hat derzeit viel zu viele Container…
    "Hier ist etwas Gutes getan worden"
    Droht hier Verschwendung von Steuergeldern? Ohse widerspricht: Niemand hätte damals ahnen können, dass die Zahl der Flüchtlinge so deutlich zurückgehe...
    "Genauso gut könnten Sie sagen: das Land verliert Geld, wenn es eine Straße saniert. Ich finde aber, hier ist etwas Gutes getan worden. Und deswegen tue ich mich schwer damit, mit betriebswirtschaftlichen Begriffen – auch wenn ich selber einer bin – wie ‚verloren‘ um mich zu werfen."
    Monatelang hat das Land versucht, die Container zu verkaufen. Zwischen 10.000 und 12.000 Euro hat eine Box damals im Neuzustand gekostet. Im vergangenen Jahr hat Schleswig-Holstein ausgelotet, wie viel die Kästen auf dem üppig gefüllten Markt denn wert sein könnten: Ergebnis: Rund 2.500 Euro. Inzwischen dürfte dieser Wert nochmals gesunken sein. Ein bisschen sei es wie beim Weiterverkauf eines Autos, sagt der obere Landeseinkäufer Lars Ohse:
    "Dass an dem Tag, an dem ich es mir auf den Hof stelle und anmelde ja schon 30 Prozent an Wert verloren hat – diesen Effekt haben wir da natürlich auch."
    Doch der Weiterverkauf kommt nicht in die Gänge, denn es gebe einfach ein Überangebot. Deutsche Bundesländer aber auch europäische Nachbarstaaten haben sehr viele Container gekauft. Und so haben das Innen- und das Finanzministerium in Kiel beschlossen, die landeseigenen Container zu verschenken. Unter einer Bedingung: Der Interessent muss in Schleswig-Holstein ansässig – und gemeinnützig sein.
    Container für Lösung von Eheproblemen?
    Doch eine ganzen Reihe von Interessenten weiß das nicht – oder ignoriert es. Zum Beispiel Anrufer aus Thüringen, die sich bei Ohses Team melden. Oder auch kuriose Fälle wie dieser:
    "Eine Privatperson hatte angerufen und glaubhaft versichert, dass sie einen Container für den Garten bräuchte. Und es wurde wirklich glaubhaft auch in der Nachfrage versichert, weil man mit dem Ehegatten nicht so recht zurecht kam und der ein Plätzchen außerhalb des ehelichen Wohnzimmers haben sollte."
    Zurück auf das Gelände der Freiwilligen Feuerwehr im Amt Nortorf. Sechs der neun Container stehen zusammen und sollen einmal als Notunterkunft für Flüchtlinge dienen – wobei das nur für mehrere Wochen wäre, sagt Wehrführer Thomas Schröder, der auch Flüchtlingskoordinator des Amtes ist.
    Dafür könnten auf die Verwaltung nochmals mal mehrere 10.000 Euro an Kosten zukommen, um die Container auszustatten und Wasser- und Stromanschlüsse bereitzustellen. Ein Klotz am Bein? Schröder schüttelt den Kopf:
    "Ich denke mal, es ist eher halt ein Geschenk, das halt das Amt, die Gemeinde, nicht noch dementsprechend irgendwie Geld locker machen muss, um so was halt käuflich zu erwerben. Ich denke mal, es ist sinnvoll, wenn wir die Container jetzt so einsetzen, wofür sie eigentlich auch mal ursprünglich gedacht sind: So als Notreserve, als Notunterkunft."