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Flüchtlingsunterkunft in Salzhemmendorf
Angeklagte gestehen Brandanschlag

Im Prozess um den Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft im niedersächsischen Salzhemmendorf haben die drei Angeklagten die Tat gestanden. Hauptauslöser sei Alkohol gewesen, sagten sie zum Prozessauftakt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen versuchten Mord vor.

10.02.2016
    Die Unterkunft in Salzhemmendorf am 28. August 2015
    Die Unterkunft in Salzhemmendorf am 28. August 2015 (dpa / picture-alliance / Julian Stratenschulte)
    Die beiden Männer gestanden in Erklärungen, die ihre Verteidiger verlasen, einen Molotowcocktail gebaut und in die Wohnung einer Mutter aus Simbabwe geworfen zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Männern im Alter von 25 und 31 Jahren sowie einer 24-jährigen Frau gemeinschaftlich versuchten Mord und versuchte schwere Brandstiftung vor, wie das Landgericht Hannover im Vorfeld mitteilte. Das Landgericht hat zunächst vier Termine angesetzt.
    Bis zu 15 Jahre Haft möglich
    In einer Garage bauten die beiden Männer aus einer leeren Weinbrandflasche den Brandsatz, der ältere der beiden warf ihn schließlich. Er wurde von den anderen als Haupttäter beschrieben. Der Anschlag, bei dem eine Frau aus Simbabwe und ihre drei Kinder nur knapp dem Feuer entkamen, sorgte Ende August vergangenen Jahres für bundesweites Entsetzen. Bei der Tat gerieten ein Teppich und eine Matratze in Brand. Die Feuerwehr konnte den Brand schnell löschen, verletzt wurde niemand. Der 25-Jährige war als Mitglied der freiwilligen Feuerwehr auch noch an den Löscharbeiten beteiligt gewesen war.
    Beide Männer gaben an, den Anschlag zu bereuen. Die Frau, eine Mutter von zwei Kindern, war nach eigenen Angaben als Fahrerin für die beiden Männer am Anschlag beteiligt. Auch sie bereue ihre Tat. Bei einer Verurteilung drohen den Tätern einem Gerichtsprecher zufolge Haftstrafen zwischen drei und 15 Jahren.
    Nach einem zuvor verfassten Tatplans seien die drei gemeinsam zu dem Haus gefahren. Dort soll der 31-Jährige einen zusammen mit dem 25 Jahre alten Mitangeklagten hergestellten Molotow-Cocktail "durch das geschlossene Erdgeschossfenster eines - als solches auch erkennbaren - Kinderzimmers geworfen haben, in dem sich zur Tatzeit allerdings kein Bewohner des Hauses aufgehalten habe", schrieb das Landgericht im Vorfeld.
    Berichte über rechte Gesinnung widersprechen Theorie der "Täter aus der Mitte"
    Die Tat sorgte für Aufsehen, da sie eine der ersten gegen eine bewohnte Unterkunft für Asylsuchende war, seit das Thema Flucht und Zuwanderung in den Mittelpunkt der politischen Debatten rückte. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte den Anschlag als "versuchten Mord" bezeichnet. Das Attentat galt als ein Beispiel für "Täter aus der Mitte".
    Doch schnell gab es Berichte, wie den des Rechercheverbunds aus NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung, dass der 25-Jährige wegen Zeigens des Hitlergrußes vorbestraft sein soll. Zudem hätten die Angeklagten nicht nur unter dem Einfluss von Alkohol gehandelt - sie seien auch von rechtsextremer Musik angestachelt worden. In einem anderen Bericht werden Protokolle aus Handychats zitiert, die mindestens von einer stark fremdenfeindlichen Gesinnung geprägt sind. Der 31-Jährige bestritt bei der polizeilichen Vernehmung Angaben der mitangeklagten Frau, wonach er vor der Tat gesagt haben soll, wenn der "Neger" brenne, werde er richtig feiern.
    Anwalt des Opfers: "Sie hat ihr zweites Trauma erlebt"
    Die Mutter aus Simbabwe leide bis heute schwer unter den Folgen der Tat, sagte der Anwalt der 35-Jährigen, Sebastian Piontek: "Sie ist sehr ängstlich, sie hat hier ihr zweites Trauma erlebt." Das Heimatland der Frau wird seit Jahren diktatorisch von Präsident Robert Mugabe gelenkt, Menschenrechtsverletzungen werden in großer Häufigkeit berichtet.
    Salzhemmendorf, eine etwa 9.000 Einwohner zählende Gemeinde im Landkreis Hameln-Pyrmont, muss derweil mit seinem beschädigten Bild aufräumen. Am Tag nach der Tatnacht demonstrierten 2.000 Menschen vor der Unterkunft gegen Fremdenhass. Der parteilose Bürgermeister Clemens Pommerening berichtete im NDR, dass die Hilfsbereitschaft nach dem Anschlag noch größer geworden sei, das Wohnungsangebot sei groß. Im Gegensatz zu anderen Kommunen komme Salzhemmendorf mit der Situation gut zurecht.
    Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten haben in Deutschland stark zugenommen. Das Bundeskriminalamt zählte 2015 924 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte, 2014 waren es 199. Laut der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl gab 126 Brandanschläge auf Unterkünfte und 141 tätliche Angriffe aus Flüchtlinge.
    (nch/fw)