Fipronil

Wie gefährlich ist das Anti-Läusemittel im Frühstücksei?

Ein hartgekochtes Ei steht auf einem Tisch.
Das Insektizid Fipronil wurde in Eiern gefunden. Echt starker Tobak, findet Udo Pollmer. © dpa / picture alliance
Von Udo Pollmer · 04.08.2017
Fipronil ist ein Läusemittel, das in nach Deutschland exportierten Eiern aufgetaucht ist. Das Mittel ist bei Hühnern verboten, nicht aber bei Haustieren. Behandelt man seinen Liebling damit, hat man beim Streicheln mehr Fipronil an den Händen als in einem Omelett steckt.
Nun also Fipronil, ein Läusemittel im Frühstücksei, auch in Bio-Frühstückseiern – was ist da schon wieder passiert? Ganz einfach: Hühner können sich allerlei Kleinvieh einhandeln – und dann sucht ihr Halter nach einer Möglichkeit sein Kapital im Stall von Läusen, Flöhen und Milben zu befreien.
Der Vorfall ist wie ein Déjà vu: Vor ziemlich genau 21 Jahren wanderte der Hühnerbaron Anton Pohlmann wegen einer solchen Praxis in den Knast. Er hatte seine Hennen illegal mit Nikotin gegen Milben besprüht. Es nutzte ihm nichts, dass seine Anwälte behaupteten, das Nikotin sei erst durch paffende Kontrolleure hineingeraten. Denn dummerweise war ein Transporter mit über anderthalb Tonnen Nikotinsulfat für Pohlmanns Firma "Goldhuhn" gestoppt worden. Das Gift fand sich natürlich in den Eiern seiner "Goldhühner" wieder – wenn auch nur in Spuren. 2008 wurde die Branche abermals beim illegalen Import von 12 Tonnen Nikotinsulfat aus China erwischt. Echt starker Tobak!

Vogelmilben übertragen Krankheiten

Die Milben verstecken sich im Stall in den Ritzen. Im Dunkeln befallen sie das schlafende Geflügel und zapfen ihm Blut ab. Die Tiere leiden unter Juckreiz, das führt zu Federpicken bis hin zum Kannibalismus. Zudem übertragen die Blutsauger üble Krankheiten. Bei massivem Befall sind sie manchmal als dunkle Punkte auf den Eiern erkennbar. Vogelmilben kommen in jeder Haltungsform vor. Ihr natürliches Reservoir sind Wildvögel.
Bekämpft werden die Spinnentiere durch Desinfektion des Stalles und mit Kieselgur, die trocknet die Winzlinge aus. Daneben sind allerlei Pestizide und Antiparasitika in Gebrauch. Probleme verursachen die schnellen Resistenzen und der Umstand, dass Wartezeiten einzuhalten sind. In dieser Phase müssen alle Eier vernichtet werden. Das geht richtig ins Geld.

Ein Mittel, das keiner merkt

Wir dürfen vermuten, dass Legehennenhalter aufgrund zunehmender Resistenzen und lästiger Wartezeiten nach einem Mittel gesucht haben, das keiner merkt, grad so wie damals beim Nikotin, das ging ja auch einige Zeit gut. Den Hühnern jedenfalls dürfte die Behandlung gut getan haben – was beim Menschen noch zu klären wäre. Die höchsten Gehalte, die angetroffen wurden, lagen knapp über einem Milligramm Fipronil pro Kilo Ei. Das heißt ein gewöhnliches Ei könnte bis zu 70 Mikrogramm enthalten.
Zwar ist das Mittel bei Hühnern verboten, nicht aber bei Hund und Katz. Die bekommen Fipronil ins Fell geträufelt. Eine Katze erhält eine Dosis von 50 Milligramm - also 700mal mehr als in einem "verseuchten" Ei steckt. Da das Haustier das applizierte Fipronil über Wochen hinweg über die Talgdrüsen ausscheidet, was zur Verteilung im Fell führt, hat man nach dem Streicheln seines Lieblings mehr Fipronil an den Händen als in einem Omelett steckt. Wer also im Glauben lebt, seine Kinder würden durch die fraglichen Eier gefährdet, der sollte zuvörderst peinlichst darauf achten, dass sie nicht mit Haustieren spielen, die in den letzten Wochen gegen Parasiten behandelt wurden. Und bitte gründlich staubsaugen, denn im Hausstaub finden sich nach einer Behandlung erkleckliche Mengen des Läusemittels.
Doch all diese Berechnungen und Vergleiche entschuldigen nichts – solche Praktiken sind im Stall strikt verboten. Damit wäre die Diskussion beinahe beendet. Nur ein kleines Detail irritiert. Die Fipronil-Eier wurden am 20. Juli 2017 von der belgischen Lebensmittelüberwachung im Schnellwarnsystem der EU öffentlich gemacht. Seither sind darin eine ganze Reihe weiterer Warnungen erschienen: Zum Beispiel vor Salmonellen-verseuchten Gojibeeren, vor Listerien in Thai-Pilzen und in Tarama, einer Fischpaste. Wie wär's mit dem hochtoxischen Algengift Ciguatoxin in Fischfilets oder Seehecht mit massivem Befall mit Heringswürmern, Algen mit aberwitzigen Jod- und Arsengehalten? Getoppt wird dies von den Warnmeldungen zu Nahrungsergänzungsmitteln, die von vielen Verbrauchern wie Bonbons konsumiert werden. Regelmäßig entdeckten die Analytiker darin illegale Medikamente. In voller Dosis und nicht nur in Spuren. Doch vor dieser weit größeren Gefahr warnt anscheinend niemand. Mahlzeit!

Hören Sie zu dem Thema auch das Interview mit Lena Blanken von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch in "Studio 9 am Abend": Audio Player

Literatur
BfR: Gesundheitliche Bewertung der in Belgien nachgewiesenen Einzeldaten von Fipronilgehalten in Lebensmitteln tierischen Ursprungs. Stellungnahme Nr. 016 vom 30. Juli 2017
Anon: Immer noch Tiere. Der Spiegel 1996, Heft 6: S.77-78
Anon: Illegale Importe von Nicotin-Sulfat für Geflügel-Industrie? Pressemitteilung der AbL. Planten.de retrieved 3. August 2017
Anon: Handel mit illegalen Pflanzenschutzmitteln aufgedeckt. Meldung vom 4. April 2009, Gabot.de
Düngelhoef K: Effektive Milbenbekämpfung in der Geflügelhaltung. Fachakademie für angewandte Hygiene Präsentation vom 10.04.2013
RASFF-Portal der EU
Mahler BJ et al: Fipronil and its degradates in indoor and outdoor dust. Environmental Science & Technology 2009; 43: 5665-5670
Teerlink J et al: Fipronil washoff to municipal wastewater from dogs treated with spot-on products. Science of the Total Environment 2017; 599-600: 960-966
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