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Flughafen Tegel
Berlin vor dem Volksentscheid

Der Flughafen Berlin Tegel gilt als marode und soll daher geschlossen werden, wenn der BER eröffnet. Doch dessen Fertigstellung verzögert sich ständig. Die FDP möchte mit einem Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl nun erzwingen, dass Tegel offen bleibt - der rot-rot-grüne Senat hält dagegen.

Von Claudia van Laak | 26.07.2017
    Ein Flugzeug im Landeanflug auf den Flughafen Tegel in Berlin.
    Ja oder Nein? Am 24. September wird über die Zukunft von Berlin Tegel abgestimmt. (picture alliance / dpa / Oliver Mehlis)
    "Schönen guten Morgen allerseits, ich hoffe, Sie hören mich auch in der letzten Reihe." Seine Stimme ist laut und durchdringend. Engelbert Lütke-Daldrup, seit fünf Monaten Chef der Berliner Flughäfen.
    "Also seien Sie ein bisschen vorsichtig, weil wir ein Flughafen sind, der vor mehr als 40 Jahren gebaut worden ist. Ich glaub, wir fahren mal los."
    In die Innereien des 1974 eröffneten Airports Berlin-Tegel geht es an diesem Vormittag – einem Flughafen, der für sieben Millionen Passagiere jährlich gebaut worden war, an dem aber mittlerweile dreimal so viele, nämlich 21 Millionen abgefertigt werden.
    Kaum Investitionen in Tegel
    Alles hier ist auf Kante genäht, verströmt den Charme der 70er Jahre. In der Leitstelle, dort wo alle Störungsmeldungen einlaufen, hängt statt moderner Monitore eine Schalttafel an der Wand. Facility-Manager Ralph Struck erläutert: "Normalerweise am BER in der Leitstelle sind viele Monitore, das sind Riesen-Monitorwände, wo sie alle Leitsysteme direkt draufschalten können."
    Seitdem am BER in Schönefeld gebaut wird, investiert die Flughafengesellschaft kaum etwas in Tegel - etwa ein Zehntel dessen, was eigentlich nötig wäre, erklärt Flughafenchef Lütke-Daldrup.
    "Wenn wir 18.000 Störfälle im Jahr haben, sehen Sie, dass wir ein Gebäude haben, was am Ende seiner technischen Laufzeit sich befindet, und es muss grundhaft was gemacht werden, wenn es dauerhaft betrieben werden sollte, was wir nicht wollen. Wir fahren es weiter auf Verschleiß bis zur BER-Eröffnung."
    Erst durch den Heizungskeller, dann durch die Kältezentrale und den Belüftungskeller, in dem mit Klimatechnik von vorgestern die Luft gereinigt wird. Zwei große blaue Tanks versorgen im Brandfall 4000 Sprinklerköpfe mit Wasser – am BER seien 78.000 Sprinklerköpfe verbaut, so der Flughafenchef und frühere SPD-Staatssekretär im Bundesbauministerium. Würden in Tegel die Brandschutzstandards von heute gelten, meint Lütke-Daldrup, dann würde der Flughafen sofort geschlossen werden müssen.
    "Es entspricht im Wesentlichen dem Bestandsschutz., das heißt den Normen der 60er Jahre. Wir haben natürlich ein anderes Sicherheitsniveau, da darf man sich nichts vormachen, als wir es im neuen BER mit den modernen Normen der 2000 oder 2010er jahre haben, das ist ein wesentlich niedrigerer Standard."
    Es bedarf einer Milliarde Euro
    Hätte der BER pünktlich vor fünf Jahren eröffnet, der innerstädtische Airport - 300.000 Menschen im Norden Berlins leiden unter dem Lärm - wäre längst geschlossen. Doch da immer noch kein Eröffnungstermin für den BER feststeht, hat der Senat - und damit auch die Flughafengesellschaft - eine Tegel-Debatte am Hals. Eine Milliarde Euro müsste investiert werden, damit Tegel weiterbetrieben werden kann - rechnet Lütke-Daldrup vor.
    "Sie kommen bei solchen Gebäuden an einen Punkt, wo das Risiko eines Komplettausfalls des Gebäudes immer größer wird. Ich habe Ihnen eben erzählt, dass wir im Bereich der Stromversorgung vor 14 Tagen eine sehr kritische Situation hatten, wo wir nur noch eine Versorgungsleitung hatten, und wenn die ausgefallen wäre, dann hätte der Flughafen stillgestanden. Und das Risiko steigt von Tag zu Tag."
    Ein Flughafenchef, der seinen eigenen Airport quasi zum Sicherheitsrisiko erklärt - das ist - gelinde gesagt - gewöhnungsbedürftig. Aber ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Steht doch der rot-rot-grüne Berliner Senat vor einer Niederlage – in Umfragen sprechen sich 7 von 10 Berlinern für einen Weiterbetrieb von Tegel aus.
    "Ja, ganz deutlich, bin ich für Tegel, 103 Prozent/Weil Tegel schön ist/Weil mit dem neuen Flughafen wird es eh noch ein Weilchen dauern/Funktioniert halt alles seit vielen Jahrzehnten/Und der Flughafen ist schön nah/Es ist einfach zentraler./Es ist mein Lieblingsflughafen in Deutschland."
    Der Berliner Senat hat verkündet, Tegel auf jeden Fall zu schließen, unabhängig vom Ausgang des Volksentscheids.