Umgang mit kolonialer Raubkunst

"Wir erleben gerade einen moralischen Paradigmenwechsel"

Das undatierte Handout des Kunsthauses Lempertz zeigt einen Bronze-Königskopf aus dem alten westafrikanischen Reich von Benin in Köln.
Bronze-Königskopf aus Benin. Auch die Benin-Bronzen sind Gegenstand der Kontroverse um den Umgang mit kolonialer Raubkunst. © dpa / Kunsthaus Lampertz
Ijoma Mangold im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 28.11.2018
Im Streit um den Umgang mit Kulturschätzen aus ehemaligen Kolonien meldet sich "Zeit"-Korrespondent Ijoma Mangold zu Wort. Er verteidigt den in die Kritik geratenen Horst Bredekamp und betont: Auch Bredekamp sei für die Restitution geraubter Kulturgüter.
Wie umgehen mit Kunst- und Kulturschätzen aus ehemaligen Kolonien, die in europäischen Museen lagern? Über diese Frage ist in jüngster Zeit erneut eine heftige Kontroverse ausgebrochen. Der Anlass: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron ließ 26 afrikanische Kulturschätze aus französischen Museen an Benin zurückgeben. Damit folgte Macron der Forderung von Bénédicte Savoy und Felwine Sarr, Kulturgüter aus ehemaligen Kolonien seien sofort und ungeprüft zurückzugeben - es sei denn, Museen könnten beweisen, dass die Werke rechtmäßig nach Europa gelangt seien.
Dass Deutschland diesem Beispiel folgen sollte, davon hält der Kunsthistoriker Horst Bredekamp, Gründungsintendant bis Juni 2018 des Berliner Humboldt-Forums, wenig. Im Deutschlandfunk Kultur betonte Bredekamp, es gebe eklatante Unterschiede zwischen den Sammlungen in Deutschland und denen etwa in Frankreich und Großbritannien. So seien die deutschen Sammlungen häufig aus einem Geist der Aufklärung heraus und in kolonialismus-kritischer Haltung entstanden.

"Bredekamp ist auch für Restitution"

Für diese Äußerung musste Bredekamp viel Kritik einstecken. Unterstützung hingegen bekommt er vom Kulturkorrespondenten der "Zeit", Ijoma Mangold. Er sei überzeugt, dass Bredekamp kein Gegner der Rückgabe von geraubtem Kulturgut sei, betonte Mangold im Deutschlandfunk Kultur. Nur sei die Situation eben häufig nicht so klar wie etwa im Fall der NS-Raubkunst, wo man die Provenienz eines Kunstwerks in der Regel gut nachverfolgen könne. "Das ist im Tohuwabohu der Grausamkeiten und Brutalitäten des Kolonialismus nicht immer der Fall."
Der "Zeit"-Kulturkorrespondent Ijoma Mangold zu Gast bei Deutschlandfunk Kultur in Berlin.
Der "Zeit"-Kulturkorrespondent Ijoma Mangold zu Gast bei Deutschlandfunk Kultur in Berlin.© Deutschlandradio / Alexander Moritz
Als Beispiel nennt Mangold die berühmten und in vielen europäischen Museen zu sehenden Benin-Bronzen - mehr als 1000 Metallplatten und Skulpturen, die einst im Königspalast von Benin angebracht waren. Größtenteils handele es sich dabei um Raubgut, das nach einer Strafexpedition der Royal Navy nach Europa gebracht wurde. Es seien aber auch schon vor dieser Strafexpedition Benin-Bronzen auf regulärem Weg nach Europa gekommen.
"Und namentlich die Berliner Sammlung soll, so höre ich, soll sehr viele von diesen Benin-Bronzen, an denen kein Blut klebt, haben. Und mit denen müsste dann doch anders umgegangen werden. Was Horst Bredekamp sagen will, ist einfach nur: Die Geschichten sind unterschiedlich."
Der Autor und Kunsthistoriker Horst Bredekamp
Der Autor und Kunsthistoriker Horst Bredekamp© dpa / Tim Brakemeier

"Jetzt weht ein ganz neuer Geist"

Dass die Debatte so heftig verläuft, ist Mangold zufolge darauf zurückzuführen, dass wir derzeit einen moralischen Paradigmenwechsel erleben, was den Umgang mit Objekten der Kolonialgeschichte angeht.
"So ist es immer bei moralischen Paradigmenwechseln. Jetzt weht ein ganz neuer Geist und jeder gilt als reaktionär und gestrig, der jetzt nicht ganz laut mit in dieser Trompete bläst."
Dabei könne man beides tun, betont der Kulturkorrespondent der "Zeit": einen neuen und ernsthaften Blick auf die Kolonialgeschichte werfen - "und gleichzeitig sind wir aber nicht verbohrt oder verbockt, wenn wir daran erinnern, dass die Sammlungsgeschichten je sehr unterschiedlich sind".

"Erst einmal Transparenz schaffen"

Für die Herkunftsländer gehe es im Wesentlichen erst einmal darum zu wissen: "Was liegt eigentlich in euren Sammlungen, in euren Depots? Das ist schon auch ein schmerzhafter Prozess für viele dieser Kulturen, die gewissermaßen das, worin sie sich selber repräsentieren könnten, gar nicht kennen, weil es in Europa liegt", so Mangold. "Das heißt, wir müssen erstmal Transparenz schaffen, damit auch die Herkunftsgesellschaften digital einfach nachprüfen können: um die und die Sachen handelt es sich. Und dann kann man in einem nächsten Schritt überlegen: Gibt es bei euch Orte, sprich: Museen, in die wir das restituieren können oder nicht."
(uko)

Die gesamte Sendung "Der Tag mit Ijoma Mangold" können Sie hier nachhören: Audio Player

Mehr zum Thema