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Flugzeug-Absturz
Warum wir Unglück sehen wollen

Es sei so, "dass sich Menschen am Leid anderer ergötzen", sagte der Psychotherapeut und Experte für Angststörungen, Borwin Bandelow, im DLF. Ein mediales Ausnutzen von Unglücken müsse deshalb verhindert werden. Doch grundsätzlich habe die Berichterstattung eine wichtige Funktion.

Borwin Bandelow im Gespräch mit Wolfgang Koczian | 29.03.2015
    Kamerateams stehen auf einer Wiese.
    Medienvertreter in Seyne Les Alpes nahe des Absturzortes. (dpa/picture alliance/Daniel Karmann)
    Menschen, die sich über ein Unglück erkundigen, seien zunächst Menschen, "die ihre eigene Angst abbauen wollen", so Bandelow. Durch das Anschauen des Bildes von einem Unglück werde dem Angstsystem suggeriert, "dass man mittendrin war". Durch die spätere Feststellung, doch nicht dabei gewesen zu sein, werde dann Angst abgebaut. Das sei der Grund, "warum Nachrichtensendungen und Zeitungen eigentlich davon leben, über schreckliche Ereignisse zu berichten".
    Die absichtliche Tat jetzt im Fall der abgestürzten Germanwings-Maschine mache es ganz besonders schlimm für die Angehörigen der Opfer: "Das Schlimme daran ist, dass es vermeidbar gewesen wäre."
    Mehr Angst als vor anderen Dingen
    Vor dem Fliegen haben laut Bandelow die Menschen viel mehr Angst als vor anderen Dingen. Das hänge damit zusammen, "dass wir ein sehr einfaches Angstsystem im Gehirn haben". Diesem könne man auch keine Statistik vorhalten - das hindere sehr viele Leute daran, überhaupt ein Flugzeug zu besteigen. In Wochen würde die Zahl derer, die Flugangst verspüren, ansteigen und sich danach wieder normalisieren.
    Viele hätten vor allem Angst vor der engen Kabine. Das sei eine der häufigsten Gründe für Flugangst. Auch Piloten erlebten Flugangst, sagt der Experte. Zum Beispiel, wenn sie selbst Passagiere seien. Denn diese Situation erlebten sie als Kontrollverlust.
    Bis zum 29. August können Sie das Gespräch nachhören.