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Förster in der Wüste

Umwelt. - Die katastrophalen Bedingungen des Sahel - Inbegriff von Dürre, Hunger und Not - werden auch auf der einen wichtigen Diskussionspunkt darstellen. Doch es kommen nicht nur schlechte Nachrichten aus dem Wüstenareal, denn Bauern trotzen dem Sand neuen Kulturboden ab.

Von Dagmar Röhrlich | 06.11.2006
    Wer in Zinder im Süden des Niger auf einer Anhöhe steht und übers Land blickt, traut seinen Augen kaum: Man glaubt auf einen Wald zu schauen. So weit der Blick reicht, überziehen Bäume die Erde wie ein grüner Pelz. Dabei liegt Zinder im Sahel, dem Synonym für Trockenheit, Wüstenbildung und Hungersnot. Vor 30 Jahren galt das auch hier: Eine katastrophale Dürre suchte den Sahel heim, die Menschen starben - auch in Zinder. Inzwischen wirkt die einst trostlose Landschaft wie verwandelt - was sogar Laien auf Satellitenbildern sofort erkennen können:

    "Zu unserer großen Überraschung konnten wir feststellen, dass im Zinder heute mehr Bäume wachsen als in den 70er und 80er Jahren. Wir haben 400 Bauern befragt, und sie alle haben erklärt, dass sie auf Anregung von Entwicklungshelfern Bäume auf ihr Land gepflanzt haben. Durch die schweren Dürren in den 70er und 80er Jahren standen sie mit dem Rücken zur Wand. Damals gab es dort auf den Feldern keine Bäume mehr, Sonne und Wind hatten freies Spiel."

    Chris Reij von der Freien Universität Amsterdam. Was wie Wald aussieht, ist eine landwirtschaftlich genutzte Parklandschaft. Bis zu 150 Bäume stehen auf einem Hektar Land.

    "Wenn so viele Bäume auf einem Feld stehen, dann verändert sich das ganze System. Es handelt sich dabei um eine einheimische Akazienart, die den Stickstoff aus der Luft fixiert. Die großen Bäume düngen also die Felder. Gleichzeitig kann der Wind den Boden nicht mehr abtragen und die Wurzeln halten das Wasser im Boden fest. Es gibt mehr Feldfrüchte, die Tiere finden mehr Nahrung und die Frauen haben genügend Feuerholz, was ihre Arbeit sehr erleichtert. Die Landwirtschaft ist jetzt sehr viel produktiver."

    Außerdem könne der Westen den Bauern dankbar sein: Schließlich fischen 120 Millionen neue Bäume schon einiges an Kohlendioxid aus der Luft, schmunzelt Chris Reij. Die Maßnahme ist ein voller Erfolg:

    "2005 litt Niger an einer schweren Dürre und einer Hungersnot. Die Bilder von verzweifelten Menschen gingen um die Welt, Kinder verhungerten. Also haben wir untersucht, wie hoch 2005 die Kindersterblichkeit im Zinder gewesen ist. In den Dörfern, wo Bäume gepflanzt worden sind, starb kein Kind. In den Nachbardörfern, die nicht am Projekt teilgenommen haben, mussten die Kinder zu Hilfsstationen gebracht werden, und dort sind sie auch heute noch. Die Bäume machen also wirklich einen entscheidenden Unterschied."

    Und dieser Unterschied könnte künftig durch den Klimawandel verstärkt werden. Denn in den Simulationen der Klimaforscher lässt der menschengemachte Treibhauseffekt die Temperaturen klettern, was wiederum die Kontinente stärker aufheizt als die Ozeane. Das stärkere Temperaturgefälle facht den Monsun an, der Regen dringt weiter in die Sahelzone vor:

    "Das führt letztlich dazu, dass dann, wenn der Monsun einmal etwas stärker angestoßen ist, sich etwas stärker entwickeln kann, es regnet mehr, und dann tut es den Pflanzen gut, sozusagen. Die bereiten sich mehr aus, es regnet mehr, die Pflanzen können wieder besser wachsen."

    Martin Claussen, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg. Die Pflanzendecke zieht sozusagen den Regen an, erklärt er, was den Effekt des Monsuns verstärkt. So weit seine Simulationen. Allerdings könnte diese positive Rückkopplung noch auf sich warten lassen: Zwar fällt im Sahel tatsächlich mehr Regen als während der Dürrejahre, in Burkina Faso etwa beträgt die Steigerung rund zehn Prozent: Das liegt jedoch im Bereich der normalen Schwankungen. Positive Effekte gibt es trotzdem. In manchen Regionen im Sudan können die Bauern wieder Hirse anbauen - zum ersten Mal seit 60 Jahren.